Donnerstag, 25. Februar 2016

Österreich sucht das Superbaby

Andere Mütter zu kennen, deren Kinder im gleichen Alter wie das eigene sind, ist zugleich Fluch und Segen. Auf der einen Seite ist man so unendlich froh, wenn man mal hinter vorgehaltener Hand ein paar ehrliche Worte dazu hört, dass es anderen vielleicht gerade ähnlich geht.

Dass andere Babys auch seit drei Tagen nichts mehr geschlafen haben, den Brei nur noch durchs Zimmer pfeffern oder beim Anziehen in Terrorgeschrei ausbrechen, als würde man ihnen einen Fuß abhacken, anstatt nur zu versuchen, selbigen in eine bunte Bärchen-Strumpfhose zu quetschen. Man kann vielleicht Hoffnung schöpfen, wenn man von anderen hört: Das war bei uns letzte Woche auch so, aber jetzt ist es vorbei!

Andererseits bedeutet das natürlich leider auch das Gegenteil: Fängt eine andere Mama damit an, über ein neues Problem zu berichten, kann man sich leider meist schon die Uhr danach stellen, wann der eigene Zwerg denselben Spinner entwickelt.

Vor allem ist es dann gleich noch mal so schlimm, wenn man mit einem Problem plötzlich alleine dasteht. Was, eure wachen nachts nicht alle 20 Minuten auf? Noch immer nicht? Ist mein Kind vielleicht als einziges so komisch? Stimmt mit ihm vielleicht was nicht?

Ob man will oder nicht, lässt man sich so auf einen komplett sinnlosen Vergleichskampf ein, den man unmöglich gewinnen kann. Auch wenn man sich vorher noch 100 Mal geschworen hat, dass man sich nicht davon stressen lassen wird, was andere Kinder tun, ertappt man sich spätestens nach ein paar Monaten unweigerlich dabei, einen schiefen Blick in andere Kinderwägen zu werfen. Was, die Kleine dreht sich schon? Oha, der süße Wonneproppen zieht sich schon am Sessel hoch, krabbelt schon?!

In den ersten Monaten wurde ich von diesem Druck noch mehr oder weniger verschont, weil Noah bei den meisten Dingen beängstigend früh dran war. Die ersten Zähne mit vier Monaten, drehen in beide Richtungen, krabbeln, aufstehen – das alles erledigte der kleine Terrorist im Eiltempo. Die nächste große Aufgabe schien ihn allerdings – typisch Mann! – nicht besonders zu interessieren. Zuhören, verstehen, reden? Laaaangweilig!

Damals schickte mir eine Freundin ein süßes Video ihrer kleinen Tochter, die schon eifrig zu „Nein nein“ das Köpfchen schüttelt und bei „Wiiie groß ist…?“ die Ärmchen in den Himmel streckte. Ganz offensichtlich stellte dieses kleine Mädchen bereits eine gewisse Verbindung zwischen dem her, was man zu ihr sagte und dem, was sie selbst tat.

Fragend blickte ich vom Video auf und ließ meinen Blick zu Noah schweifen, der am Boden gerade versuchte, sich in ein Maximarkt-Prospekt einzuwickeln. „Wie groß ist der Noah?“ fragte ich enthusiastisch und warf dabei die Arme in die Luft. Noah sah mich verständnislos an und versuchte, sich die Seite mit den Tiefkühlpizzen als Ganzes in den Mund zu stecken.

Auch 10 Minuten später waren wir von Erfolg noch weit entfernt: Noah weinte inzwischen, weil ich ihm dauernd die Hände in die Höhe riss und ich überließ ihn resignierend wieder seiner Werbeliteratur.

Natürlich weiß ich, dass Kinder sich in extrem unterschiedlichem Tempo entwickeln. Selbstverständlich ist mir bekannt, dass bei verschiedenen Babys oft mehr als ein Jahr zwischen dem ersten Wort, dem ersten Schritt oder auch nur dem ersten Haar liegt. Aber insgeheim flüstert der kleine Teufel auf der Schulter dann eben doch manchmal: „Meinst du nicht, dass er das in seinem Alter auch schon können sollte?“

Gut, vielleicht war es ja sogar ein gutes Zeichen, dass das kleine Äffchen mit 10 Monaten lieber keine Kunststücke machen wollte, vielleicht zeugte das ja von besonderer Eigenständigkeit und Intelligenz??

Im Prinzip ist das natürlich auch vollkommen wurscht. Wenn Noah erst mit drei Jahren sein erstes Wort gesagt hätte oder sich noch die nächsten Jahre lieber in unsere Werbeprospekte einwickeln möchte als daraus ein pädagogisch wertvolles Kunstwerk zu basteln, ist das noch lange kein Grund, ihn zum Kinder-Chinesisch-Kurs anzumelden. Ich sage nur, dass man als Mutter offensichtlich nie so ganz vor ein bisschen Konkurrenzdruck gefeit ist.

Es gibt immer ein anderes Baby, das weniger schreit, mehr schläft, früher geht oder schöner spricht – davon soll man sich aber auf keinen Fall graue Haare wachsen lassen. Außer natürlich es gibt demnächst eine spezielle Casting-Talentshow für Babys, dann sieht Noah mit seinem Haufen zerrissener Papierschnipsel neben den anderen singenden Tanzbabys wahrscheinlich ganz schön alt aus…

Donnerstag, 18. Februar 2016

Wer ist hier der Boss?

Wer kennt es nicht: Großeltern, die nicht umhin können, sich in Erziehungsfragen einzumischen. Bis heute habe ich noch keine befriedigende Patentlösung für den Umgang mit dieser, naja, nennen wir es „Herausforderung“ gefunden.

Kaum hat man die lieben Kleinen zum Beispiel mühsam an eine Zehe Mandarine und eine halbe Banane am Tag gewöhnt (das war ein Kraftakt, Sie können mir glauben!), kaum wagen sich ihre Geschmacksknospen über die Italienische und die Amerikanische Kochkunst (Pizza, Pasta, Burger) hinaus, steht ein Wochenende mit den Großeltern an und die Mäuse haben schon eine Packung Katzenzungen in den kleinen Mäulchen, bevor die Oma überhaupt zur Tür rein ist und „Hallo“ gesagt hat.

Aber auch die Frage, wer in welchem Haus den Kindern die letztgültigen Anweisungen erteilt, bleibt in unserer Familie wohl eines der ungelösten Rätsel der Menschheit. Grundsätzlich gilt ja: Mein Haus, meine Regeln! Gleichzeitig bekennen wir uns aber zu: Eltern dürfen von Großeltern oder Onkeln und Tanten in ihrer Autorität nicht torpediert werden.

Was gilt denn dann genau, wenn die Kinder zu Opas ungesicherten Fischteichen gehen wollen, die Großeltern es ungeschaut erlauben, die Eltern nicht und die Tante im Vorbeigehen ihr OK gibt, aber nur, wenn die Kleinen sich brav warm anziehen? Bei uns endet die Szene damit, dass die Kinder in Skihosen vor der verschlossenen Tür stehen und allesamt heulen, weil Opa und Papa abwechselnd vor ihrer Nase dieselbige auf und zu machen, währen sie darüber diskutieren, wer denn hier das Sagen hat.

Dann gibt es aber auch noch wesentlich elementarere Themen, bei denen das Engagement der Großeltern nach hinten los gehen kann. In meiner Familie im engeren Sinn (Mann, Tochter, ich) gibt es zum Beispiel eine goldene Regel: Nicht hauen! Jegliche Form von Gewalt lehnen mein Mann und ich ab, Konflikte müssen anders gelöst werden. Und genau das versuchen wir auch unserer Tochter zu vermitteln.

In Kleinkindsprache übersetzt heißt das dann ungefähr so: Wenn dir der kleine Stinker mit dem komischen Ganzkörper-UV-Anzug und dem Gnackrollohauberl im Sandkasten das Schauferl grob aus der Hand reißt und dir Sand ins Gesicht schleudert, darfst du ihm nicht gleich eins mit dem Eimer über die Rübe ziehen, auch wenn er es möglicherweise verdient hat, der kleine Rambo (allein schon wegen dem UV-Anzug)!

Dank unserer Konsequenz in dieser Hinsicht geht unsere Tochter mehr oder weniger gewaltfrei durchs Leben und versucht mit Reden, notfalls mit ohrenbetäubendem Schreien, die ein oder andere zwischenmenschliche Unstimmigkeit aus dem Weg zu schaffen und somit uns Eltern stolz zu machen.

Aber der Teufel schläft nicht und so waren eines schönen Tages meine Eltern zu Besuch und machten mit einer einzigen Bemerkung unserer wohldurchdachten Anti-Gewalt-Strategie den Garaus. Meine Tochter kuschelte sich zu ihrer Oma und erzählte ihr von einem Jungen im Kindergarten, der sie und ihre Freundinnen regelmäßig aus Spaß in den Magen boxte oder manchmal auch richtig fest zwickte.

Meine Mutter war ob dieser Frechheit gegenüber ihrer zarten Enkeltochter sichtlich entrüstet und ehe ich mich versah, erteilte sie meiner Maus eine nachhaltige Lektion über den richtigen Umgang mit Arschlochkindern: „So, meine Kleine, jetzt sag ich dir mal was. Das nächste Mal, wenn dieser Fratz wieder ankommt und euch was tun will, siehst du zu, dass die Pädagogin nicht hinsieht und dann haust du ihm eine runter, dass ihm Hören und Sehen vergeht und es gewaltig klingelt in seiner Birne!“ Na bravo und Prost, Mahlzeit!