Mittwoch, 3. August 2016

Mama ist immer der Arsch

Als ich selbst noch keine Kinder hatte, stellte ich mir immer vor, ich würde mal eine coole, lustige und lockere Mama werden. Wenn ich im Vorbeigehen Mütter sah, denen die Schweißflecken, Mundwinkel und bisweilen auch die Hängetitten bis zu den Kniekehlen hingen (hätte ich gewusst, dass ich nach dem ersten Kind eine Oberweite haben sollte, die eher zwei Schrumpelrosinen glich, hätte ich wahrscheinlich damals zumindest was das betrifft milder geurteilt), die vor lauter Frust 10 Jahre älter aussahen, als sie laut Reisepass waren und nur noch zwischen einem laut gebrüllten „Justin-Kevin, lass das sofort sein!!!“ und einem resignierten „Ach, mach doch was du willst“ oszillieren konnten, dachte ich immer bei mir: Aber sicher nicht.
Mummy Cool würde es euch schon allen zeigen!

Tja. Heute bin ich an manchen Tagen statt Mummy Cool eher die fürstliche Queen der keifenden Frusttanten. Mein gesamter Wortschatz scheint an solchen Tagen aus dem Wörtchen „Nein!“ in wechselnd gebrüllten Nuancen zu bestehen und von einer lustig-lockeren Mama bin ich ungefähr so weit entfernt wie von einer knackig-fitten Bikinifigur.

Leider hat man als Mama einfach in den meisten Fällen die Arschkarte – man ist automatisch die Gemeine, die immer alles verbietet und jeden Spaß im Keim erstickt. Wer ist es, der einem laut kreischend verbietet, mit der Kindergabel diese furchtbar interessante Steckdose auszuhebeln? Mama. Wer sagt nein, wenn Oma dem Liebling an diesem Tag das fünfte Eis kaufen möchte? Mama. Und wer ist der gemeine Diktator, der einem abends das Licht ausmacht und den Spaß für beendet erklärt? Genau, die blöde, gemeine Mama…
»Bei allen anderen ist es lustig. Und ich habe die Arschkarte«

Klar, dass es da zum Beispiel bei Oma und Opa, Onkel und Tante viel lustiger ist! Die drücken leicht mal ein Auge zu, wenn das Kind an einem Tag beschließt, nur Gummibärchen zu essen – sie sind ja auch nicht dabei, wenn der Zwerg die nächsten drei Tage vor lauter Verstopfung unter größtem Schmerzgeschrei nur Kanonenkugeln kackt. Außerdem müssen Oma und Opa nie was anderes machen, als sich ein lustiges Spiel nach dem anderen auszudenken, die müssen keinesfalls dazwischen den Geschirrspüler einräumen, Abendessen kochen oder die Waschmaschine einschalten – klar, das können sie nämlich alles machen, wenn das Besuchskind abends wieder heim zur gemeinen Diktatoren-Mutter geschickt wurde!

Versteht mich nicht falsch, es freut mich ja, dass mein Kind bei der gesamten Verwandtschaft so viel Spaß und Freude hat. Aber warum muss immer ich der Arsch sein?! Ich habe auch keine Lust, immer nur den Bad Cop zu spielen!

Versteht mich nicht falsch, es freut mich ja, dass mein Kind bei der gesamten Verwandtschaft so viel Spaß und Freude hat. Aber warum muss immer ich der Arsch sein?! Ich habe auch keine Lust, immer nur den Bad Cop zu spielen! Wie wäre es zum Beispiel, wenn ich mal das Kind von den Großeltern abholen käme und sagen könnte „Sollen wir uns noch wo ein Eis holen, mein Schatz?“ weil ich weiß, dass er den restlichen Tag bei Oma und Oma zumindest auch schon irgendetwas anderes gegessen hat, das nicht aus der Süßigkeitenabteilung stammt? Oder wie wäre es, wenn Großtante Heideltraud von alleine auf die Idee kommt, dass der wasserfeste Edding nicht das beste Spielzeug für einen 2-Jährigen ist, bevor ich ihn ihm unter lautem Geheule aus den kleinen, bereits flächendeckend schwarz gefärbten Wurstfingern pellen muss?!

Klar ist man als Mama dann auch diejenige, an der das Kind sich am meisten reiben muss. Wenn Oma mal ausnahmsweise möchte, dass man eine Karotte probiert, kann man das ja noch gelten lassen – schließlich sind alle anderen Sachen, die von ihr kommen, auch immer lustig und gut. Aber wenn die langweilige Mama wieder mit ihrer Gemüsetour daherkommt, heißt es natürlich gleich von Vornherein „Neeeein, schmeckt grausig!!“.

Ja sicher könnte ich einfach meine Prinzipien über Bord werfen und das Kind vollgestopft mit Schokolade und Chips so lange vor dem Fernseher turnen lassen, bis es irgendwann von alleine umfällt. Ob ich mich dann besser fühlen würde, weil ich einen Tag lang mal zu allem „Ja“ statt „Nein“ sagen durfte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Dann würde ich mich nämlich fühlen wie die andere Sorte von Mama, die mir damals am Spielplatz ein Dorn im Auge war: die Wurschtigkeits-Mutter, die mit der Zigarette auf der Bank saß und lieber einen neuen Klingelton am Handy installierte als ihrem Kind zu erklären, dass es vielleicht lieber nicht versuchen sollte, in der Sandkiste einem anderen Kind mit dem Schaufelchen eine Schädelfraktur zuzufügen.

Den goldenen Mittelweg als Mama zu finden, ist (zumindest für mich) keine leichte Aufgabe. Ich wechsle oft im Minutentakt zwischen Good Cop und Bad Cop und ärgere mich oft genug über mich selbst. Aber wahrscheinlich muss man die Dinge einfach ein bisschen gelassener sehen: Als Mama ist man zwar meistens der Arsch – aber irgendwie braucht ja doch jeder Mensch einen davon...

Superman, nimm dich in acht

Ich werde verfolgt. Wenn ich die Stufen zum Kindergarten hochgehe, steht er plötzlich vor mir, wie aus dem Nichts. Wenn ich meinen Einkaufswagen arglos durch die Gänge schiebe, biegt er unvermittelt um die Ecke. Selbst bei McDonalds bin ich nicht vor ihm sicher.

Er macht mir und meiner Tochter jedes Mal ein wenig Angst und das, obwohl er eigentlich dazu berufen ist, den Armen und Schwachen unter die Arme zu greifen, wenn ihnen Gefahr droht. Ich spreche von Superman, oder besser gesagt von seiner etwa 1,10 m großen Schmalspurversion.

Seit sich eine große schwedische Bekleidungskette aus mir unerfindlichen Gründen kurz nach Weihnachten dazu entschieden hat, den armen, leidgeplagten Eltern eine sonst nur im Fasching oder Kostümverleih erhältliche, mit eingenähtem Sixpack garnierte Spandex-Version der Arbeitskleidung meines Antihelden preislich geradezu nachzuwerfen, tauchen an jeder Ecke Miniversionen von ihm auf.

Das an sich wäre ja noch tragbar, wenn nicht mit seinem Erscheinen fast immer auch ein inbrünstiger Schrei mit nach oben gestreckter Faust oder rüpelhaftes, unkontrolliertes Durch-die-Gegend-Boxen oder dergleichen einhergehen würde. Und die lieben Eltern stehen daneben und gucken selig aus der nicht ganz so sixpackgewölbten Wäsche: „Mei, ist er nicht süß?! So viel Energie! Na so lieb aber auch!“

Da wird dann auch mal voller Rührung drüber hinweggesehen, dass mir der Kleine mit seinem Mini-Einkaufswagen mal eben hinten die Achilles-Sehne weggefahren hat. Ähnlich das (bis auf eine ausgemachte Verhaltensstörung) vielleicht sogar ganz süße fremde Mäderl mit Mäuseohrenhaarreif, das mir letztens im Restaurant mal eben unangekündigt von hinten ein Stückchen Gouda von meiner Käseplatte riss, weil – O-Ton Eltern – „Mäuse nun mal Käse fressen“.

Unschuldige Mamis krankenhausreif fahren oder ihnen den wohlverdienten Käse mopsen? Nicht mit mir! Rache ist bekanntlich süß.

Nicht umsonst hat mir das Universum unlängst einen Wink gegeben, indem des mir in einer Facebook Ad ein Mia & Me Kostüm mit – Achtung – Wasserblitzpistole für meine Fünfjährige geradezu aufdrängte. Nimm dich in acht Superman, beim nächsten Zusammentreffen heißt es „High Noon“ und ich garantiere dir, da bleibt kein Auge trocken...