Sonntag, 23. Oktober 2016

Spinat versus Leberkäse

Was war ich nicht für eine vorbildhafte Jungmami! Zumindest wenn es darum ging, „den Grundstein für ein gesundes und bewusstes Leben“ für meine kleine Tochter zu legen, wie es in dem Hochglanz-Elternmagazin hieß, das ich mir gönnte, wenn ich mal kurz zwischen Popowischen und Falscherl-Machen eine Minute Verschnaufpause hatte und mich mit angesabberter Jogginghose und fettigen Haaren elegant am versifften Küchentisch niederließ.

In besagtem Artikel hieß es, dass die zarten Geschmacksknospen meines Kindes schon in den ersten Monaten der festen Nahrungsaufnahme nachhaltig und langfristig geprägt würden. Auf gut Deutsch: Wenn ich ihr schon von Anfang an Leberkäs und Knacker zuführe, steht einer erfolgreichen Laufbahn als Metzgereifachangestellten mit Leidenschaft und entsprechender Figur nix mehr im Wege. Also legte ich mir ab dem 6. Monat sorgfältig die gesamte Bandbreite des im einschlägigen Handel verfügbaren Gläschennahrungssortiments zu.

Die Idee, das Breizeugs selbst aus eigenem Bioanbau zu fabrizieren, hatte ich schnell verworfen, nachdem ich beim nachgestellten „Perfekten Dinner“ sämtlichen meiner Freunde zu einer drastischen Gewichtsreduktion per Lebensmittelvergiftung verholfen hatte. Auch hatten wir damals nur einen Balkon, auf dem eher wilde Pilze um einen Putzlappen wuchsen als „gsunde Kräuterli“.

Jeden Tag also eröffnete ich meinem kleinen Liebling nun abwechselnd ein anderes Gourmeterlebnis, auf das die Geschmacksknospen vielfältig sprießen und gedeihen mochten. Lachs, Huhn mit Dingsbums, Biorind mit Babyerbserl, feinste Nuderl mit milder Kräutersauce und dergleichen wanderten also abwechselnd in den Mund meiner Tochter oder auf Fußboden oder Vorhänge, bevorzugt aber auf mir. Auch die Freisprechanlage bekam mal einen kräftigen Schuss Frühkarotten-Allerlei ab, als ich wieder einmal zum Amusement meines Nachwuchses mit dem BPA-freien Löffel um den Tisch tanzte, um ihn dann begleitet von „Eins für das Bärli“ oder „Der kleine Flieger möchte bitte im Flughafenmundi landen, bitte Klappe auf!“ in die richtige Öffnung zu befördern oder zumindest Teile davon.

Wenn auch von viel erniedrigendem Gesinge und Gedöns begleitet – sie hat immer brav geschluckt. Fisch, Fleisch, Gemüse, ja auch Spinat, alles ging irgendwie irgendwann mal rein. Und was hat‘s gebracht??

Heute sitze ich da, schnipple Kunstwerke aus Obst und Gemüse, die sogar professionelle Food-Stylisten vor Neid erblassen lassen würden und sage Dinge wie „Neeeiin, heute bekommt die Maus keine gute Gemüsesuppe, die essen der Papa und ich heute gaaaanz alleine!“ (Futterneidtrick, für alle die‘s noch nicht kennen!), während meine kleine Kröte sich am liebsten nur von Leberkäs, Extrawurst und Putensalami (ha, zumindest Pute!) ernähren würde und schon beim Anblick von exotischen Dingen wie Lachs oder Spinat zu spucken anfängt…