Montag, 11. November 2019

Das letzte Abendma(h)l

Ich bin eine große Verfechterin des Familienessens. Ich finde es wichtig und schön, wenn abends alle gemeinsam an einem Tisch sitzen, um sich zu unterhalten und vom Tag zu erzählen. Ihr wisst schon, so schön Klischee: Reich mir mal das Salz, mein Schatz, wie war dein Tag? Gut Mama, und was hast du wieder für ein köstliches Essen für uns alle gekocht!

Zur Zeit bedienen wir allerdings allabendlich ein ganz anderes Klischee. Jeden Abend wird geweint, gebrüllt und geschimpft, bis die Nerven blank liegen. Reich mir doch mal den Wein, mein Schatz, ich muss mir jetzt diese verzogenen Gören schön saufen …

Dabei erwarte ich meiner Meinung nach nicht viel von meinen Kindern. Ich weiß, dass es für Jungs in einem gewissen Alter nichts Langweiligeres gibt, als an einem Tisch zu sitzen und etwas zu essen, das nicht schon beim bloßen Anblick Karies verursacht. Und ich mute ihnen auch nicht zu, sich in einem Restaurant stundenlang brav und artig zu benehmen (überhaupt seit mein Großer beim letzten Gasthausbesuch den armen Pensionisten mit Augenklappe am Nebentisch gefragt hat, wo denn sein Piratenholzbein sei …). Aber im Pyjama gemütlich zu Hause am Esstisch zu sitzen und etwas Leckeres von Mama Gekochtes zu essen, ist doch nicht zu viel verlangt, oder???

Scheinbar aber doch. Das Drama nimmt nämlich schon seinen Lauf, wenn das Essen noch gar nicht am Tisch steht. „Jungs, in 5 Minuten gibt’s Essen, räumt ihr dann mal langsam zusammen?“ Spätestens jetzt brechen Protestgeheul und Hysterie aus. Denn obwohl ich sie seit einer halben Stunde im Sekundentakt vorwarne, dass es jetzt dann aber wirklich bald Essen gibt, fühlen sie sich jedes Mal hinterrücks überrumpelt und völlig außer Stande, ihr explosionsartig über das gesamte Wohnzimmer verteiltes Spielzeug zu verlassen. „Aber ich hab doch GRAD erst angefangen mit dem Superhelden-Detektiv-Echsen-Einsatz!“, „IMMER muss ich abendessen, NIE darf ich spielen!“ … Jo, genau.
„IMMER muss ich abendessen, NIE darf ich spielen!“

Habe ich die beiden dann doch dazu gebracht, dass sie sich tödlich beleidigt an den Tisch setzen, folgt unweigerlich der 2. Akt: Blick auf den Teller und alle gemeinsam: „Wäääh! Ich mag das nicht!“. Egal, was ich koche, es passt einfach nie. Und Gnade mir Gott, wenn auch nur ein Nanomillimeter Gemüse dabei sein sollte. Selbst, wenn ich ihre Lieblingsspeise koche, ist die ganz plötzlich an diesem Tag „voll eklig“.

Es ist für mich denkbar schwer, genau jene Kombination zu erraten, die an diesem Tag genehm gewesen wäre. Während der eine brüllt, dass er das sicher nicht essen werde und wenn, dann nur das Püree, beschwert sich der andere darüber, dass er aber nur Schnitzel mag. Und ob ich nicht gesehen hätte, dass das Ketchup genau auf einem Millimeter Fläche schon sein Fleisch berührt!

Mittlerweile habe ich an diesem Punkt resigniert. Soll der Kleine doch nur einen mannshohen Haufen Püree essen und dem Großen tupfe ich das Ketchup feinsäuberlich vom Schnitzel, obwohl er es drei Sekunden später dort selbst wieder eintaucht – mir doch alles egal.

Aber, Herr im Himmel, auch das ist nicht genug. Kaum sieht der Kleine seinen Püreeteller, fängt er herzzerreißend zu weinen an, weil ich doch GENAU weiß, dass er gar kein Püree mag! Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit bewegt ihn dazu, seinen TrippTrapp-Stuhl fluchtartig zu verlassen und sich brüllend unterm Esstisch zu wälzen. Währenddessen schüttet der Große wie jeden Abend sein Glas um, versucht, aus seinem Schnitzel eine Transformer-Burg zu bauen und bohrt gleichzeitig in der Nase.

Ich versuche, die Ruhe zu bewahren und ausnahmsweise nicht zu schimpfen. Wenn der Kleine nichts essen will, werde ich ihn nicht zwingen. Ich schiebe das brüllende Bündel unterm Tisch mit dem Fuß ein bisschen zur Seite, wische oben das zweite Glas Saft auf und schaue meinem Großen dabei zu, wie er mit der Gabel in der Hand aus dem Fenster schaut, Laternenlieder singt, sich das Ketchup in den Pyjama schmiert und das Schnitzel, das er vorher so unbedingt essen wollte, unberührt liegen lässt. Darauf angesprochen meint er, dass er doch gesagt habe, er esse heute sicher nur Püree. Schwer um Fassung ringend schaufle ich ihm also das Püree vom Teller des Kleinen auf seinen Teller.

Sobald der Große dann tatsächlich das gesamte Püree gegessen hat, ist das das Stichwort für den Kleinen, plötzlich wieder aus der Versenkung aufzutauchen und vehement nach seinem „PÜREE!!!“ zu verlangen. Als er bemerkt, dass dieses in der Zwischenzeit sein großer Bruder aufgegessen hat, eskaliert die Situation. Der Kleine brüllt, weil er doch sooo Hunger auf Püree hat, der Große weint, weil er jetzt draufkommt, dass er gerade etwas gegessen hat, das „sicher schon der Nico angeschlazt hat“ und Mama verliert endgültig die Nerven.

„KANN ICH BITTE EINFACH NUR MAL EINE MINUTE IN RUHE ESSEN!!!!“. Die Kinder schauen mich verständnislos an. Gerade so, als könnten sie nicht verstehen, warum die Mama das idyllische Familienabendessen immer so unhöflich stören muss. An diesem Punkt sind beide Kinder so eingeschüchtert, dass sie mit etwa 30-minütiger Verspätung endlich beginnen, doch zu essen. Das bedeutet für mich, dass ich ab jetzt im Minutentakt in die Küche laufe, um mehr Ketchup/noch Püree/eine andere Gabel/100 Blätter Küchenrolle zu holen, während mein eigenes Essen kalt wird. In den letzten 2 Minuten stopfe ich mir noch schnell alles hinein, was auf meinem Teller liegt und denke mir: Das war jetzt das letzte Ma(h)l, morgen esse ich fix erst, wenn die Kinder im Bett sind. Bis mir einfällt, dass mein Essen dann genauso kalt wird, weil dann alle 2 Minuten einer aufs Klo muss/unbedingt was trinken will/seinen Polster nicht mehr findet …

Montag, 16. September 2019

Der Zettel, vor dem alle Eltern sich fürchten

Gerade eben habe ich noch das Planschbecken aus dem Keller geholt und – schwupps! – knappe 3.500 Mal Schwimmflügel aufblasen später ist er schon wieder vorbei, der Sommer.

Nix mehr Urlaub und Ausflug zum See, stattdessen back to reality. Und vor allem: Back to Kindergarten. Brotdose, Trinkflasche, Matschgewand, Rucksack, Gummistiefel, Kuscheleckenpolster und was so ein kleines Kind halt noch so alles braucht, wenn es zirka drei Stunden am Stück außer Haus ist, liegen schon im Vorraum bereit und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder es mir grauen soll.

Auf der einen Seite ist es ja so, dass ich nicht gerade untröstlich bin, wenn mein geliebtes Kind und ich jetzt dann nicht mehr 24 Stunden am Tag zusammen verbringen müssen, äh dürfen. Ja ja, Mutterliebe, Trennungsschmerz, pipapo, aber jetzt mal ehrlich: Man kann auch nur so oft in den Zoo/ins Kindermuseum/ins Bällebad/auf den Spielplatz gehen, bevor man als Mama schlicht und einfach den Verstand verliert.

Drei Wochen Kinder-Vollbespaßungsprogramm ist für meinen Geschmack wirklich genug, danke, da dürfen ab jetzt dann gern wieder die Profis Pädagoginnen mitspielen und mit meinem Kind 500 Papier-Dinosaurier am Tag basteln.


Aber so sehr ich mich auch darauf freue, wieder mal einen halben Tag ohne Lego, Playdoh & Co. verbringen zu dürfen, sehe ich ihn unweigerlich bereits vor meinem inneren Auge: den Zettel. Und im Vergleich zum Zettel spiele ich lieber die nächsten sechs Monate in Endlosschleife Kinder-Uno.

Und sagt mir jetzt nicht, ihr kennt den Zettel nicht. Den Zettel gibt es nämlich meines Wissens nach in jedem Kindergarten zwischen hier und Bad Kleinkirchheim. Bereits von Weitem sieht man ihn spätestens zwei Wochen nach Kindergartenstart in der Garderobe hängen, getarnt in einer lustigen, kindgerechten Farbe, damit Mama nicht schon bei der Haustür wieder umdreht und wieder nach Hause fährt.

Nachdem es ja eh nichts nützt, nähere ich mich resigniert dem Zettel und schließe mit mir selbst eine Wette ab, was es diesmal ist. Sollte ich die Wette verlieren, muss ich mich heute endlich in die Buffet-Mitbring-Liste für das Laternenfest eintragen, für die mir nie etwas einfällt, das kindgerecht/gesund/stylish genug zur allgemeinen Präsentation wäre.

„Liebe Eltern! In unserer Gruppe ist ein Fall von XXX aufgetreten. Bitte achten Sie bei Ihrem Kind auf Anzeichen wie blablabla…“. Die XXX werden dann im Wochentakt bunt durchgewechselt. Mal steht da „Scharlach“, mal „Windpocken“, mal „Magen-Darm-Grippe“, mal „Hand-Mund-Fuß“ (im Ernst, hat irgendjemand von dieser Krankheit gehört, bevor er Kinder hatte?! Für mich klingt das heute noch wie Maul-und-Klauen-Seuche …) – und ganz besonders oft und beliebt: „Läuse“.

Mittlerweile bin ich dem Thema Läuse gegenüber aufgrund des inflationären Auftretens des dazugehörigen Zettels abgestumpft. Ob es beim Billa nun 25 Prozent auf Frischfleisch in Bedienung oder im Kindergarten Läuse gibt, ist für mich auch schon wurscht. Das erste Mal, als ich den Läuse-Zettel im Kindergarten sah, bekam ich aber auf der Stelle einen mittelschweren hysterischen Anfall und raste auf direktem Weg in die Apotheke, um mich dort mit einem Rundum-sorglos-Paket an Anti-Lausmitteln einzudecken. Sofort wurden beide Kinder präventiv mit Weidenrinden-Shampoo grundgereinigt und bei jedem Kratzen in Kopfnähe wurde der Lauskamm in Habtachtstellung gebracht.

Seltsamerweise sind wir (bis jetzt) von den ekligen Viechern verschont geblieben, und das wundert mich wirklich sehr. Denn wenn ich eines in den ersten Jahren als Mama eines Kindergartenkindes gelernt habe, dann, dass Kinder gnadenlose Bazillenschleudern sind.

Hat einer eine Erkältung, haben unweigerlich alle eine Erkältung. Den letzten Kindergeburtstag meines Großen verbrachte ich so zum Beispiel mit meinem ganz eigenen Partyspiel „Fang das Rotz“, bei dem es galt, sechs kleinen Jungen im Kreis die triefende Nase zu putzen. Fängt erst einer mit der ersten Schnupfennase an, ist das Rad ins Rollen gebracht – und lässt sich zumindest bei uns den ganzen Herbst und Winter nicht mehr stoppen. Schnupfen, Halsweh, Husten – ja, hier, wir machen mit!

Dass die eigene kleine Bazillenschleuder die schönsten Andenken aus dem Kindergarten natürlich auch noch nach Hause bringt, ist ein weiteres beliebtes Extra, damit auch Mama und Papa was davon haben. Im Prinzip kann ich jetzt meine nächsten Treffen mit irgendjemandem schon wieder erst für April 2020 ansetzen, denn davor wird unweigerlich immer einer von uns krank sein.

Im Ernst, so ein Kindergarten kommt mir oft schlimmer vor als die Seuchenstation eines Krankenhauses in Burundi. Wo haben die Kleinen diese ganzen Sachen nur her?? Sollten sie nicht eigentlich noch vor Gesundheit strotzen bei den ganzen sorgfältig ausgewählten Dinkelcrackern, selbst gezogenen Bio-Karotten und mühevoll noch vor der Arbeit gesteckten Obst-Spießchen, die man ihnen in die Feuerwehrmann-Sam-Jausenbox packt?!

Sei’s wie’s sei, immerhin weiß ich dieses Jahr schon, was auf mich zukommen wird. Ich weiß, dass ich keinen Winterurlaub mehr zu buchen brauche, weil sowieso mindestens einer von uns wegen eitriger Angina nicht fahren kann. Ich weiß, dass auch der bestellte Nikolaus in letzter Sekunde aus Krankheitsgründen wieder abgesagt werden muss. Ich kenne die Symptome jeglicher Kinderkrankheiten, weiß, wie lang die Inkubationszeit von Windpocken ist (Spoiler: genau so lange, bis man in der Früh aufsteht, um eigentlich in den Winterurlaub zu fahren) und kann eine Nureflex-Spritze mittlerweile blind mit der richtigen Füllmenge aufziehen. Also lieber Zettel, bring it on – mir jagst du so schnell keine Angst mehr ein! 

Montag, 9. September 2019

Bitte einmal Urlaub vom Urlaub - mit Kindern...

Flieg nach Mallorca, haben sie gesagt, das wird lustig, haben sie gesagt … Grundsätzlich bin ich ja ein großer Fan von Urlaub. Vielleicht ein etwas weniger großer Fan von Urlaub mit Kindern (worüber ich an anderer Stelle ja schon ausführlich berichtet habe), aber immer noch Fan. Doch dann erlebt man immer wieder mal diesen einen Urlaub, bei dem einfach alles schief geht. Bei dem man danach noch viel urlaubsreifer ist als man es davor war.


Und genau von dem erzähle ich euch jetzt. Einerseits zu Zwecken der Selbsttherapie – vor allem aber für alle Mamas, die dieses Jahr vielleicht auch einen Urlaub erlebt haben, in dem sie mehr an ihren grauen Haaren als an ihrer Urlaubsbräune gearbeitet haben.

Grundsätzlich dachte ich ja, dass wir urlaubsmäßig aus dem Gröbsten raus sind. Mit einem Fünf- und einem Dreijährigen sind zumindest Probleme wie „Wann/wie/wo soll das Kind nur seinen Mittagsschlaf machen?“ oder „Warum fliegt der Schnuller immer genau in den Sand?“ (obwohl, ersetze „Schnuller“ durch „Eiskugel“ und du hast dasselbe Drama) nicht mehr allzu relevant. Ich hatte jedoch nicht mit der neuen Art von Urlaubs-Challenges gerechnet, mit denen ich es diesmal zu tun haben sollte.

Vielleicht lag es auch daran, dass wir uns als Urlaubsziel das allseits beliebte Mallorca ausgesucht hatten. Ich konnte mir bis dato unter der Insel nicht viel anderes vorstellen als Sangria aus Kübeln und Jürgen Drews, aber genügend Freunde hatten mir glaubhaft versichert, dass es abseits vom Ballermann ein wunderschönes Fleckchen Erde sein sollte. Und ein kurzer Vergleich der Flugpreise machte es schnell klar: Dieses Jahr ging es – olé, olé – nach Malle.

Die ersten Wolken am Urlaubshimmel zogen jedoch bereits auf, bevor wir überhaupt auf der Insel eintreffen sollten. Pünktlich am Vorabend des Fluges wurde nämlich der liebe Göttergatte krank. Vollgepumpt mit der gesamten Palette an Aspirin-Produkten quälte dieser sich zwar trotzdem am nächsten Tag zum Flughafen, das Bespaßungsprogramm für die Jungs lag aber erst mal ganz und gar in meiner Hand.

Und ich könnte euch jetzt erzählen, wie es ist, zwei unter 6-Jährige mit einem Stapel Pixibüchern und einer Tüte Gummibärli bei Laune zu halten, wenn bereits angeschnallt im Flieger statt der Durchsage „Ready for take-off“ eine mindestens 30-minütige Verspätung verkündet wird. Oder welchen Spaß es macht, wenn dann am Zielort am Gepäckband, bei der Autovermietung und beim Hotel-Check-in alles schief geht. Stattdessen möchte ich euch stellvertretend von unserem ersten Tag auf Mallorca erzählen.

Während der Göttergatte nach dem mit zwei Kleinkindern natürlich unglaublich entspannten Buffet-Frühstück („Jetzt will ich Nutella! Jetzt mag ich Kuchen! Saft, ich will jetzt Apfelsaft!!“) wieder zurück ins Krankenbett wanderte, versuchte ich, die Urlaubslaune hoch zu halten. So ein Tag allein mit den Jungs am Pool, was sollte da schon groß dabei sein?

Dass die Sache nicht ganz so spaßig und relaxed werden würde, wie ich mir das in meinen „Mutti allein im Urlaub“-Plänen vorgestellt hatte, merkte ich allerdings schon auf dem Weg zum Pool. Kennt ihr das eigentlich, wenn ihr euch vollbepackt mit einer Badetasche so groß wie ein Kleinwagen und links und rechts ein Sortiment an Schwimmflügeln, aufblasbaren Gummikrokodilen und Jausenrucksäcken balancierend vorantastet, plötzlich partout auch noch beide Kinder (die das sonst wie die Pest hassen) „Haaand geben!“ wollen??!

In einer wackeligen Polonaise, halb Kind, halb Krokodil, halb Wasserball schafften wir es irgendwie trotzdem ans verlockende Nass. Nur um dort festzustellen, dass wir definitiv bereits vor 07.00 Uhr hätten aufstehen müssen, um dort noch eine Liege zu ergattern. So weit das Auge reichte, waren sämtliche Liegestätten mit Handtüchern, aufblasbaren Schwimminseln oder auch einfach nur einem Paar Flip-Flops reserviert – genau wie in meinen schlimmsten Malle-Albträumen. Nicht, dass ich nicht locker dasselbe hätte tun können, schließlich verstehen meine Kinder auch im Urlaub das Konzept des Ausschlafens nicht, aber ich werde VERDAMMT NOCH MAL NIEMALS SO TIEF SINKEN, MIR UM 05.30 UHR EINE POOL-LIEGE ZU RESERVIEREN!!!

Wie durch ein Wunder erspähte ich dann doch noch eine Liege, von der der Reservier-Schwimmreifen halb runtergerutscht war – für mich die perfekte Ausrede, sie mir knallhart anzueignen. Dass die Liege in der prallen Sonne lag und darauf eigentlich nur ein halber Kinderhintern Platz hatte, war mir in dem Moment denkbar wurscht. Mit letzter Kraft trötete ich die Schwimmflügel auf, quetschte sie an das nächstbeste Kinderkörperteil und warf mich und beide Jungs ins Wasser. Umgeben von 3.000 arschbombenden Kindern genoss ich so die absolute Urlaubsidylle – bis mein Großer verkündete, er müsse jetzt und sofort Lulu.

Da ich ihn ja unmöglich in den Pool pinkeln lassen wollte (Ok, ich geb’s zu! Ich hab gesagt, er soll einfach reinpieseln, aber es geht ja nicht in seinen Schädel, dass sich im Becken die Badehose runterzuziehen und sein bestes Stück rauszuholen, nicht das ist, was ich mit „unauffällig“ meine …), hieß es für die gesamte Mannschaft also raus aus dem Becken und im Dreiermarsch ab auf das wenig charmante öffentliche Klo.

Zurück von der Klo-Expedition versuchte ich, die Gunst der Stunde zu nützen, und die Jungs zumindest mal für 10 Minuten zu einer Schwimm-Pause zu überreden. Also quälte ich mich mit dem Großen durch ein Rätselheft, während ich den Kleinen mit einer Packung Butterkekse ruhigstellte.

Und ja, ich gebe zu, ich habe dabei möglicherweise nicht so ganz genau darauf geachtet, wie viele er davon in sich hineingeschaufelt hat, während ich diesen verdammten letzten Fehler im Bauernhof-Suchbild suchte. Definitiv dürfte es aber mindestens eines zu viel gewesen sein. Was ich leider erst bemerkte, als Nico beim nächsten Sprung in den Pool eine zielgerichtete Kotze-Fontäne aus Butterkeksbrei von sich gab.

Während ich die Speibe mit beiden Händen auffing (echt jetzt) und unauffällig versuchte, sie in der Zierpflanze am Poolrand zu entsorgen, damit den anderen Mamas die verdächtigen gelblichen Schlieren nicht auffielen, die von meinem Kind aus durchs Wasser zogen, zerstörte Noah natürlich meine Strategie mit einem sirenenmäßig lauten „Wääääh, Mama, der Nico speiiiiibt!!“.

Bereits jetzt war mein Stresslevel statt im Urlaubs-Relax-Bereich im Ich-geb-mir-gleich-die-Kugel-Bereich und ich verfluchte mich dafür, dass ich jemals die blöde Idee gehabt hatte, auf Urlaub zu fahren. Es hätte mich auch nicht überrascht, wenn mich in dem Moment jemand angesprochen hätte, ob ich nicht die Hauptrolle in der nächsten ATV-Doku über überforderte Mütter spielen wollte.

Selbst in der wäre allerdings vermutlich die Szene rausgeschnitten worden, als ich keine zehn Minuten später versuchte, ganz dezent ein braun triefendes Kind aus dem Pool zu ziehen. Ich sage nur: Schwimmwindel-Gack. Betroffene wissen, was das bedeutet. Und was soll ich sagen, auch jetzt handelte ich in meiner Solo-Mama-Verzweiflung äußerst ATV-mäßig. Ohne Wickeltisch erschien mir die Wahl zwischen „braunes Kind in der öffentlichen Dusche abspülen und mit der Sch… den Abfluss verstopfen“ und „im öffentlichen Klo am Boden das Kind wickeln“ wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Deshalb zog ich dem fröhlich stinkenden Kind heimlich im winzigen Schatten unserer Liege die besudelte Windel aus, wischte die bräunlichen Wasserpfützen notdürftig unter die Nachbarliege und warf das Kind mit einer neuen Schwimmwindel einfach wieder in den Pool.

Mir ist klar, dass jetzt wahrscheinlich nie wieder jemand mit mir auf Urlaub fahren will. Wahrscheinlich nicht einmal mein Mann, dem ich zurück im Hotelzimmer verkündete, dass die Jungs und ich einen ganz fantastischen, super relaxten Tag am Pool verbracht hatten …

Montag, 13. Mai 2019

Die Planung eines Kindergeburtstags? Der reinste Kindergeburtstag

Fünf Jahre lang habe ich es geschafft, mich vor einer klassischen Kindergeburtstagsparty zu drücken. Bis dahin war es den kleinen Herrschaften immer genug gewesen, wenn Oma und Opa, Cousin und Cousine, Torte und Geschenke zum großen Ereignis erschienen.

Doch als im Kindergarten eine Geburtstagseinladung nach der anderen ins Haus flatterte, war mir klar: Dieses Jahr musste ich dran glauben. Niemals im Leben würde Noah sich dieses Jahr damit zufriedengeben, mit Oma im Garten Schokokuchen zu essen, während seine Freunde an ihrem Ehrentag mit der Bällekanone im Indoor-Spielplatz (ein Ort des absoluten Grauens übrigens, falls euch das bis jetzt erspart geblieben sein sollte) herumballern durften.

Bereits beim Anblick der anderen Einladungen wurde mir klar, dass ich offenbar nicht für solche Dinge geschaffen bin. Während Noah gefühlt täglich Flaschenpost-, Piraten- und Dinosauriereinladungen nach Hause brachte, inklusive perfekt hineingephotoshopptem Bild des glücklichen Geburtstagskindes, dachte ich mir nur: Ich hasse es jetzt schon.

Sicher wollte ich, dass mein Kind auch einen schönen, lustigen, absolut wunderbaren Geburtstag erleben sollte, aber als absolut talentfreie Bastellegasthenikerin würde ich schon daran scheitern, bei der Einladung halbwegs mitzuhalten.

Auch eine halbherzige Pinterest-Recherche ergab nur, was ich bereits befürchtet hatte: Ohne Spezialausbildung an der Heißklebepistole blieb uns der Weg ins Kindergeburtstags-Nirvana wohl verwehrt. Beschämt klickte ich einen 8er-Pack Paw-Patrol-Fertigeinladungen in meinen Amazon-Einkaufskorb, bei denen man nur noch Uhrzeit, Ort und Name des Kindes selbst einfüllen musste. „Mom Of The Year“-Award, ich komme …

Bei der Location-Wahl für die große Sause stieß ich auf das nächste Problem. Zoo, Indoor-Spielplatz,…. Alles toll, toll, toll und wie gerne hätte ich darauf verzichtet, sechs brüllende halbstarke in meinem Schuhschachtel-Reihenhaus unter Kontrolle zu halten. Aber. Muss so eine Feier für einen 5-Jährigen wirklich schon so ein großes Happening sein? Hatte er nicht verdammt noch mal sogar das Recht auf eine richtige, echte Kindergeburtstagsparty, wie sie früher einmal war? Mit Topfklopfen, Schokoladeessen und Eierlauf, stinknormal zu Hause mit den besten Freunden?

Gänzlich old-school luden wir also fünf Kindergarten-Jungs in unsere eigenen vier Wände ein. Und ich konnte bei dem Gedanken daran, wie sie wie eine Horde wild gewordener Elefantenbullen unser Haus zertrampeln würden, für Wochen nicht mehr ruhig schlafen. Ich konnte ja meine eigenen zwei Jungs kaum in Zaum halten, wie sollte ich dann verhindern, dass fünf fremde Kinder mit meiner einzigen guten Salatschüssel Fußball spielten?!

Sicher wusste ich, dass das grundsätzlich alles liebe Jungs waren – ich wusste aber auch, auf welche Ideen meine eigenen grundsätzlich lieben Jungs oft so kamen. Und sind wir uns mal ehrlich, das Problem ist ja, dass man bei fremden Kindern weitaus größere Hemmungen hat, sie so … sagen wir mal „klar verständlich“ auf ihre Fehler hinzuweisen als bei den eigenen!

Mein Masterplan sah also so aus, dass ich einfach mit einem unfassbar lustigen Partyprogramm verhindern würde, dass eines der Kinder auch nur eine Minute Zeit hatte, sich Blödsinn auszudenken. Obwohl, sollte man die Kinder nicht lieber frei spielen lassen? Aber was war dann mit dem Topfklopfen??

Wieder einmal befragte ich meinen Freund Google – und musste feststellen, dass die Planung von Kindergeburtstagspartys wohl mittlerweile zur Wissenschaft geworden war. Anleitungen für ganze Mottopartys fand man da im Netz, penibel durchgeplant von der Piraten-Schnitzeljagd mit mehreren Aktivitäten-Stationen bis hin zum durchdesignten Mitbringsel-Sackerl für die Gäste. Und wieder dachte ich mir nur: Nein. Ich will nicht fünf Stunden darauf verwenden, eine Feuerspeiender-Drache-mit-Erdbeeraugen-Torte zu backen. Oder beim örtlichen Copyshop Riesenleinwände zum Dino-Dosenschießen auf A0 ausdrucken lassen.

Was ich wollte, war maximaler Kinderspaß mit minimalem Aufwand. Und eines kann ich euch gleich verraten: Letzten Endes bin ich dann doch die halbe Nacht vorm großen Event in der Küche gestanden, habe Dino-Salzteigeier zusammengematscht und Kuchen gebacken, das Wohnzimmer dekoriert und meine gute Salatschüssel in Sicherheit gebracht. Bevor die Feier überhaupt angefangen hatte, war ich fertig mit der Welt und freute mich nur noch auf den Moment, wo ich mir ein wohlverdientes Glas Hätten-wir-das-auch-geschafft-Sekt einschenken durfte.

Davor stand mir allerdings noch ein ganzer Nachmittag Wahnsinn ins Haus. Und ja, gewissermaßen war es genau so, wie ich es mir in meinen schlaflosen Nächten vorgestellt hatte. Es wurde gebrüllt und getrampelt, gezankt und gekleckert. Aber: Es wurde auch gelacht und gequietscht, laut und falsch „Happy birthday“ gesungen und Schwedenbomben um die Wette gegessen (übrigens mit 0,5 Sekunden Gesamtdauer das zeiteffizienteste Spiel der Welt) – genau so, wie es bei einem klassischen Kindergeburtstag sein sollte.

Insgeheim wünsche ich mir zwar trotzdem, dass Noah nächstes Jahr ganz unbedingt im Zoo feiern möchte, aber immerhin weiß ich jetzt: Kindergeburtstag, können wir! Und: Nächstes Mal kauf ich vorher Ohropax …