Montag, 16. September 2019

Der Zettel, vor dem alle Eltern sich fürchten

Gerade eben habe ich noch das Planschbecken aus dem Keller geholt und – schwupps! – knappe 3.500 Mal Schwimmflügel aufblasen später ist er schon wieder vorbei, der Sommer.

Nix mehr Urlaub und Ausflug zum See, stattdessen back to reality. Und vor allem: Back to Kindergarten. Brotdose, Trinkflasche, Matschgewand, Rucksack, Gummistiefel, Kuscheleckenpolster und was so ein kleines Kind halt noch so alles braucht, wenn es zirka drei Stunden am Stück außer Haus ist, liegen schon im Vorraum bereit und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder es mir grauen soll.

Auf der einen Seite ist es ja so, dass ich nicht gerade untröstlich bin, wenn mein geliebtes Kind und ich jetzt dann nicht mehr 24 Stunden am Tag zusammen verbringen müssen, äh dürfen. Ja ja, Mutterliebe, Trennungsschmerz, pipapo, aber jetzt mal ehrlich: Man kann auch nur so oft in den Zoo/ins Kindermuseum/ins Bällebad/auf den Spielplatz gehen, bevor man als Mama schlicht und einfach den Verstand verliert.

Drei Wochen Kinder-Vollbespaßungsprogramm ist für meinen Geschmack wirklich genug, danke, da dürfen ab jetzt dann gern wieder die Profis Pädagoginnen mitspielen und mit meinem Kind 500 Papier-Dinosaurier am Tag basteln.


Aber so sehr ich mich auch darauf freue, wieder mal einen halben Tag ohne Lego, Playdoh & Co. verbringen zu dürfen, sehe ich ihn unweigerlich bereits vor meinem inneren Auge: den Zettel. Und im Vergleich zum Zettel spiele ich lieber die nächsten sechs Monate in Endlosschleife Kinder-Uno.

Und sagt mir jetzt nicht, ihr kennt den Zettel nicht. Den Zettel gibt es nämlich meines Wissens nach in jedem Kindergarten zwischen hier und Bad Kleinkirchheim. Bereits von Weitem sieht man ihn spätestens zwei Wochen nach Kindergartenstart in der Garderobe hängen, getarnt in einer lustigen, kindgerechten Farbe, damit Mama nicht schon bei der Haustür wieder umdreht und wieder nach Hause fährt.

Nachdem es ja eh nichts nützt, nähere ich mich resigniert dem Zettel und schließe mit mir selbst eine Wette ab, was es diesmal ist. Sollte ich die Wette verlieren, muss ich mich heute endlich in die Buffet-Mitbring-Liste für das Laternenfest eintragen, für die mir nie etwas einfällt, das kindgerecht/gesund/stylish genug zur allgemeinen Präsentation wäre.

„Liebe Eltern! In unserer Gruppe ist ein Fall von XXX aufgetreten. Bitte achten Sie bei Ihrem Kind auf Anzeichen wie blablabla…“. Die XXX werden dann im Wochentakt bunt durchgewechselt. Mal steht da „Scharlach“, mal „Windpocken“, mal „Magen-Darm-Grippe“, mal „Hand-Mund-Fuß“ (im Ernst, hat irgendjemand von dieser Krankheit gehört, bevor er Kinder hatte?! Für mich klingt das heute noch wie Maul-und-Klauen-Seuche …) – und ganz besonders oft und beliebt: „Läuse“.

Mittlerweile bin ich dem Thema Läuse gegenüber aufgrund des inflationären Auftretens des dazugehörigen Zettels abgestumpft. Ob es beim Billa nun 25 Prozent auf Frischfleisch in Bedienung oder im Kindergarten Läuse gibt, ist für mich auch schon wurscht. Das erste Mal, als ich den Läuse-Zettel im Kindergarten sah, bekam ich aber auf der Stelle einen mittelschweren hysterischen Anfall und raste auf direktem Weg in die Apotheke, um mich dort mit einem Rundum-sorglos-Paket an Anti-Lausmitteln einzudecken. Sofort wurden beide Kinder präventiv mit Weidenrinden-Shampoo grundgereinigt und bei jedem Kratzen in Kopfnähe wurde der Lauskamm in Habtachtstellung gebracht.

Seltsamerweise sind wir (bis jetzt) von den ekligen Viechern verschont geblieben, und das wundert mich wirklich sehr. Denn wenn ich eines in den ersten Jahren als Mama eines Kindergartenkindes gelernt habe, dann, dass Kinder gnadenlose Bazillenschleudern sind.

Hat einer eine Erkältung, haben unweigerlich alle eine Erkältung. Den letzten Kindergeburtstag meines Großen verbrachte ich so zum Beispiel mit meinem ganz eigenen Partyspiel „Fang das Rotz“, bei dem es galt, sechs kleinen Jungen im Kreis die triefende Nase zu putzen. Fängt erst einer mit der ersten Schnupfennase an, ist das Rad ins Rollen gebracht – und lässt sich zumindest bei uns den ganzen Herbst und Winter nicht mehr stoppen. Schnupfen, Halsweh, Husten – ja, hier, wir machen mit!

Dass die eigene kleine Bazillenschleuder die schönsten Andenken aus dem Kindergarten natürlich auch noch nach Hause bringt, ist ein weiteres beliebtes Extra, damit auch Mama und Papa was davon haben. Im Prinzip kann ich jetzt meine nächsten Treffen mit irgendjemandem schon wieder erst für April 2020 ansetzen, denn davor wird unweigerlich immer einer von uns krank sein.

Im Ernst, so ein Kindergarten kommt mir oft schlimmer vor als die Seuchenstation eines Krankenhauses in Burundi. Wo haben die Kleinen diese ganzen Sachen nur her?? Sollten sie nicht eigentlich noch vor Gesundheit strotzen bei den ganzen sorgfältig ausgewählten Dinkelcrackern, selbst gezogenen Bio-Karotten und mühevoll noch vor der Arbeit gesteckten Obst-Spießchen, die man ihnen in die Feuerwehrmann-Sam-Jausenbox packt?!

Sei’s wie’s sei, immerhin weiß ich dieses Jahr schon, was auf mich zukommen wird. Ich weiß, dass ich keinen Winterurlaub mehr zu buchen brauche, weil sowieso mindestens einer von uns wegen eitriger Angina nicht fahren kann. Ich weiß, dass auch der bestellte Nikolaus in letzter Sekunde aus Krankheitsgründen wieder abgesagt werden muss. Ich kenne die Symptome jeglicher Kinderkrankheiten, weiß, wie lang die Inkubationszeit von Windpocken ist (Spoiler: genau so lange, bis man in der Früh aufsteht, um eigentlich in den Winterurlaub zu fahren) und kann eine Nureflex-Spritze mittlerweile blind mit der richtigen Füllmenge aufziehen. Also lieber Zettel, bring it on – mir jagst du so schnell keine Angst mehr ein! 

Montag, 9. September 2019

Bitte einmal Urlaub vom Urlaub - mit Kindern...

Flieg nach Mallorca, haben sie gesagt, das wird lustig, haben sie gesagt … Grundsätzlich bin ich ja ein großer Fan von Urlaub. Vielleicht ein etwas weniger großer Fan von Urlaub mit Kindern (worüber ich an anderer Stelle ja schon ausführlich berichtet habe), aber immer noch Fan. Doch dann erlebt man immer wieder mal diesen einen Urlaub, bei dem einfach alles schief geht. Bei dem man danach noch viel urlaubsreifer ist als man es davor war.


Und genau von dem erzähle ich euch jetzt. Einerseits zu Zwecken der Selbsttherapie – vor allem aber für alle Mamas, die dieses Jahr vielleicht auch einen Urlaub erlebt haben, in dem sie mehr an ihren grauen Haaren als an ihrer Urlaubsbräune gearbeitet haben.

Grundsätzlich dachte ich ja, dass wir urlaubsmäßig aus dem Gröbsten raus sind. Mit einem Fünf- und einem Dreijährigen sind zumindest Probleme wie „Wann/wie/wo soll das Kind nur seinen Mittagsschlaf machen?“ oder „Warum fliegt der Schnuller immer genau in den Sand?“ (obwohl, ersetze „Schnuller“ durch „Eiskugel“ und du hast dasselbe Drama) nicht mehr allzu relevant. Ich hatte jedoch nicht mit der neuen Art von Urlaubs-Challenges gerechnet, mit denen ich es diesmal zu tun haben sollte.

Vielleicht lag es auch daran, dass wir uns als Urlaubsziel das allseits beliebte Mallorca ausgesucht hatten. Ich konnte mir bis dato unter der Insel nicht viel anderes vorstellen als Sangria aus Kübeln und Jürgen Drews, aber genügend Freunde hatten mir glaubhaft versichert, dass es abseits vom Ballermann ein wunderschönes Fleckchen Erde sein sollte. Und ein kurzer Vergleich der Flugpreise machte es schnell klar: Dieses Jahr ging es – olé, olé – nach Malle.

Die ersten Wolken am Urlaubshimmel zogen jedoch bereits auf, bevor wir überhaupt auf der Insel eintreffen sollten. Pünktlich am Vorabend des Fluges wurde nämlich der liebe Göttergatte krank. Vollgepumpt mit der gesamten Palette an Aspirin-Produkten quälte dieser sich zwar trotzdem am nächsten Tag zum Flughafen, das Bespaßungsprogramm für die Jungs lag aber erst mal ganz und gar in meiner Hand.

Und ich könnte euch jetzt erzählen, wie es ist, zwei unter 6-Jährige mit einem Stapel Pixibüchern und einer Tüte Gummibärli bei Laune zu halten, wenn bereits angeschnallt im Flieger statt der Durchsage „Ready for take-off“ eine mindestens 30-minütige Verspätung verkündet wird. Oder welchen Spaß es macht, wenn dann am Zielort am Gepäckband, bei der Autovermietung und beim Hotel-Check-in alles schief geht. Stattdessen möchte ich euch stellvertretend von unserem ersten Tag auf Mallorca erzählen.

Während der Göttergatte nach dem mit zwei Kleinkindern natürlich unglaublich entspannten Buffet-Frühstück („Jetzt will ich Nutella! Jetzt mag ich Kuchen! Saft, ich will jetzt Apfelsaft!!“) wieder zurück ins Krankenbett wanderte, versuchte ich, die Urlaubslaune hoch zu halten. So ein Tag allein mit den Jungs am Pool, was sollte da schon groß dabei sein?

Dass die Sache nicht ganz so spaßig und relaxed werden würde, wie ich mir das in meinen „Mutti allein im Urlaub“-Plänen vorgestellt hatte, merkte ich allerdings schon auf dem Weg zum Pool. Kennt ihr das eigentlich, wenn ihr euch vollbepackt mit einer Badetasche so groß wie ein Kleinwagen und links und rechts ein Sortiment an Schwimmflügeln, aufblasbaren Gummikrokodilen und Jausenrucksäcken balancierend vorantastet, plötzlich partout auch noch beide Kinder (die das sonst wie die Pest hassen) „Haaand geben!“ wollen??!

In einer wackeligen Polonaise, halb Kind, halb Krokodil, halb Wasserball schafften wir es irgendwie trotzdem ans verlockende Nass. Nur um dort festzustellen, dass wir definitiv bereits vor 07.00 Uhr hätten aufstehen müssen, um dort noch eine Liege zu ergattern. So weit das Auge reichte, waren sämtliche Liegestätten mit Handtüchern, aufblasbaren Schwimminseln oder auch einfach nur einem Paar Flip-Flops reserviert – genau wie in meinen schlimmsten Malle-Albträumen. Nicht, dass ich nicht locker dasselbe hätte tun können, schließlich verstehen meine Kinder auch im Urlaub das Konzept des Ausschlafens nicht, aber ich werde VERDAMMT NOCH MAL NIEMALS SO TIEF SINKEN, MIR UM 05.30 UHR EINE POOL-LIEGE ZU RESERVIEREN!!!

Wie durch ein Wunder erspähte ich dann doch noch eine Liege, von der der Reservier-Schwimmreifen halb runtergerutscht war – für mich die perfekte Ausrede, sie mir knallhart anzueignen. Dass die Liege in der prallen Sonne lag und darauf eigentlich nur ein halber Kinderhintern Platz hatte, war mir in dem Moment denkbar wurscht. Mit letzter Kraft trötete ich die Schwimmflügel auf, quetschte sie an das nächstbeste Kinderkörperteil und warf mich und beide Jungs ins Wasser. Umgeben von 3.000 arschbombenden Kindern genoss ich so die absolute Urlaubsidylle – bis mein Großer verkündete, er müsse jetzt und sofort Lulu.

Da ich ihn ja unmöglich in den Pool pinkeln lassen wollte (Ok, ich geb’s zu! Ich hab gesagt, er soll einfach reinpieseln, aber es geht ja nicht in seinen Schädel, dass sich im Becken die Badehose runterzuziehen und sein bestes Stück rauszuholen, nicht das ist, was ich mit „unauffällig“ meine …), hieß es für die gesamte Mannschaft also raus aus dem Becken und im Dreiermarsch ab auf das wenig charmante öffentliche Klo.

Zurück von der Klo-Expedition versuchte ich, die Gunst der Stunde zu nützen, und die Jungs zumindest mal für 10 Minuten zu einer Schwimm-Pause zu überreden. Also quälte ich mich mit dem Großen durch ein Rätselheft, während ich den Kleinen mit einer Packung Butterkekse ruhigstellte.

Und ja, ich gebe zu, ich habe dabei möglicherweise nicht so ganz genau darauf geachtet, wie viele er davon in sich hineingeschaufelt hat, während ich diesen verdammten letzten Fehler im Bauernhof-Suchbild suchte. Definitiv dürfte es aber mindestens eines zu viel gewesen sein. Was ich leider erst bemerkte, als Nico beim nächsten Sprung in den Pool eine zielgerichtete Kotze-Fontäne aus Butterkeksbrei von sich gab.

Während ich die Speibe mit beiden Händen auffing (echt jetzt) und unauffällig versuchte, sie in der Zierpflanze am Poolrand zu entsorgen, damit den anderen Mamas die verdächtigen gelblichen Schlieren nicht auffielen, die von meinem Kind aus durchs Wasser zogen, zerstörte Noah natürlich meine Strategie mit einem sirenenmäßig lauten „Wääääh, Mama, der Nico speiiiiibt!!“.

Bereits jetzt war mein Stresslevel statt im Urlaubs-Relax-Bereich im Ich-geb-mir-gleich-die-Kugel-Bereich und ich verfluchte mich dafür, dass ich jemals die blöde Idee gehabt hatte, auf Urlaub zu fahren. Es hätte mich auch nicht überrascht, wenn mich in dem Moment jemand angesprochen hätte, ob ich nicht die Hauptrolle in der nächsten ATV-Doku über überforderte Mütter spielen wollte.

Selbst in der wäre allerdings vermutlich die Szene rausgeschnitten worden, als ich keine zehn Minuten später versuchte, ganz dezent ein braun triefendes Kind aus dem Pool zu ziehen. Ich sage nur: Schwimmwindel-Gack. Betroffene wissen, was das bedeutet. Und was soll ich sagen, auch jetzt handelte ich in meiner Solo-Mama-Verzweiflung äußerst ATV-mäßig. Ohne Wickeltisch erschien mir die Wahl zwischen „braunes Kind in der öffentlichen Dusche abspülen und mit der Sch… den Abfluss verstopfen“ und „im öffentlichen Klo am Boden das Kind wickeln“ wie die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Deshalb zog ich dem fröhlich stinkenden Kind heimlich im winzigen Schatten unserer Liege die besudelte Windel aus, wischte die bräunlichen Wasserpfützen notdürftig unter die Nachbarliege und warf das Kind mit einer neuen Schwimmwindel einfach wieder in den Pool.

Mir ist klar, dass jetzt wahrscheinlich nie wieder jemand mit mir auf Urlaub fahren will. Wahrscheinlich nicht einmal mein Mann, dem ich zurück im Hotelzimmer verkündete, dass die Jungs und ich einen ganz fantastischen, super relaxten Tag am Pool verbracht hatten …