Freitag, 23. Oktober 2020

Life with boys – Was du als Jungs-Mama wissen solltest

Man sagt ja, Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus. Wenn das so ist, dann sind kleine Jungs wohl vom Planeten Pampelplupp. Nach sechs Jahren mit zwei kleinen Burschen kann ich sagen: Sie sind mir nach wie vor ein Rätsel. Jeden Tag aufs Neue bringen sie mich zum Staunen. Zum Wundern. Zum Haareraufen. Zum Ausflippen. Und natürlich mehr als alles andere: zum Lachen. Denn bevor hier jemand weiterliest und die „Undankbare Mutter“-Keule schwingt: Ich liebe die beiden über alles. 


Und trotzdem – und ich sag’s ganz ehrlich: Manchmal treiben sie mich schlicht und einfach in den Wahnsinn. Wahrscheinlich ist es selektive Wahrnehmung, dass mir in solchen Phasen die Mädels meiner Freundinnen immer viel braver vorkommen. Ebendiese Freundinnen haben mir zwar glaubhaft versichert, dass dem nicht (immer) so ist, aber was ich dann sehe, ist Folgendes: Mädels, die stundenlang dasitzen und Glitzerpickerl kleben, während meine beiden mit Indianergebrüll um den Tisch galoppieren. Mädels, die hingebungsvoll ihre Puppen frisieren, während meine Jungs daneben Hauspatschen-Weitwerfen spielen.


Es gibt bestimmt auch Jungs, die ruhiger sind. Und Mädels, die wilder sind. Aber im vollkommen subjektiven, nicht wissenschaftlich gesicherten Auswahlverfahren möchte ich euch trotzdem meine „Top 10“ über das Leben mit kleinen Jungs präsentieren. Für alle Jungs-Mamas und solche, die es vielleicht bald sind oder noch werden wollen: Ich finde, ihr solltet Folgendes wissen.

1.    Für Jungs ist die ganze Welt ein Abenteuerspielplatz
Du siehst einen Vorhang? Deine Jungs sehen eine Liane! Du siehst einen Couchtisch? Deine Jungs sehen ein Sprungbrett! Das Lebensmotto von kleinen Jungs ist „Höher, schneller, weiter“, immer und in jeder Situation. Ganz gleich, ob sie sich gerade im Turnsaal oder in der Milchprodukte-Abteilung eures Supermarkts befinden.

Manchmal komme ich mir zu Hause wie in meiner eigenen Live-Version von „Takeshi’s Castle“ vor. Was manchmal ja ganz lustig ist, oft aber auch ganz schön nervenaufreibend. Denn obwohl Jungs im Geiste aller Superhelden sind, sind sie im Fleische dann leider doch nur kleine Menschlein, die der Schwerkraft unterliegen. Deshalb fallen Jungs. Vom Fahrrad. Vom Baum. Vom Sessel und vom Couchtisch. Du wirst bis zum sechsten Geburtstag deines Kleinen gefühlte 3.000 aufgeschlagene Knie, 2.629 blutende Ellenbogen und 1.562 Cuts auf der Stirn verarztet haben. Du wirst nicht mehr ohne Pflaster außer Haus gehen. Und mit den Rezeptionisten der Kinder-Unfallambulanz möglicherweise bald per Du sein.

2.    Jungs sind Jäger und Sammler
Vor allem Sammler. Du wirst keinen Spaziergang mehr machen, ohne dass dein Kind im Durchschnitt 5 Stecken und 23 Steine und Zapfen sammelt, die so schön sind, dass sie unbedingt mit nach Hause genommen werden müssen.

Mit den Stecken wird dein kleiner Bursche ziemlich sicher entweder sich selbst, seinem Bruder oder dir halb das Auge ausstechen. Er wird drüber stolpern und ihn in jedes noch so dreckige Kanalloch stecken wollen. Nach etwa der Hälfte des Weges leidet er dann an spontaner Erschöpfung, was bedeutet, dass du neben Jausenrucksack, Wickeltasche, Laufrad und was man als Mama eben noch so mithat, auch fünf sperrige Holzstecken mit dir herumtragen wirst.

Erfreulicherweise gilt das nicht für die gesammelten Steine. Die verteilt dein Kind nämlich in sämtlichen Hosen- und Jackentaschen und du findest sie wahlweise dort im nächsten Frühjahr oder in deiner kaputten Waschmaschine wieder.

3.    Jungs haben anatomisch einzigartige, Lanzen-förmige Knie.
Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich gefühlt jeden Tag Hosen flicke. Egal, wie teuer die Jeans, egal wie dick der Stoff: Meine Jungs kommen nach spätestens drei Tagen mit aufgerissenen Knien daher.

Mittlerweile besitzen sie jeweils nur noch eine Hose ohne bunte Knie-Flicken. Die wird dann nur zu Omas Geburtstag oder zur Hochzeit der Großtante hervorgeholt und zur Schau getragen. Vorzugsweise an solchen Tagen fallen sie damit bereits direkt bei Verlassen des Hauses Knie voran in die nächste Matschpfütze.

4.    Jungs müssen alles auseinandernehmen.
Sie meinen es nicht böse, aber kleine Burschen MÜSSEN einfach alles kaputt machen. Sie sind einfach nicht glücklich, so lange sie nicht wissen, wie genau es im Inneren ihres ferngesteuerten Autos aussieht. Oder unter den Tasten deines Laptops.

Dabei hinterlassen sie dir überall im Alltag kleine Überraschungen. Zum Beispiel, wenn du mit deinem guten Kuli das Bestellformular für die Schulmilch unterschreiben möchtest und er unter deinen Fingern in seine Einzelteile zerfällt. Oder wenn du bei Stromausfall wirklich gerne deine Taschenlampe anschalten würdest und statt einer funktionierenden Batterie darin die Feder des Kugelschreibers wiederfindest.

Damit Jungs auch gern mit Puppen spielen, müsste man ihnen wahrscheinlich nur diese zerlegbaren Modelle aus dem Anatomie-Unterricht geben, bei denen sie ihnen Milz und Leber entfernen könnten.


5.    Jungs werden magisch angezogen von Wasser, Matsch und Dreck.

Ich kann es immer kaum fassen, wenn ich Mädchen sehe, die voll angezogen an einem Bach spielen und sich dabei tatsächlich nur die Hände nass machen. Für meine Jungs gibt es nichts zwischen „10 Kilometer vom Wasser entfernt“ und „Juhu, Bauchfleck!“

Aus „mit Gummistiefeln in die Pfütze“ wird in Sekundenschnelle ein Vollbad. Selbiges gilt für Seen, Flüsse, Bäche, Matschgruben, Sandkisten und – ich sage es nicht gerne – Kuhfladen. Als Jungs-Mama hast du also immer mindestens ein Wechsel-Outfit mit. Und ein weiteres im Auto. Leider vergisst du dabei, auch etwas zum Wechseln für dich selbst einzupacken. Deswegen siehst du, nachdem du dein Kind aus der Ganzkörper-Matschtarnung befreit hast, leider selbst aus wie ein Erdferkel.

6.    Jungs haben ein eingebautes Zielrohr.
Das erfährst du als Jungs-Mama bereits in den ersten Tagen, wenn du vorsichtig die Windel deines Zuckerpüppchens öffnest und er dir zielgerichtet auf dein Lieblings-Shirt pinkelt.
Leider Gottes können kleine Jungs dieses Zielrohr nur für ausgewählte Zwecke verwenden. Dazu gehört es bedauerlicherweise nicht, in die Kloschüssel zu treffen. Das funktioniert nur, wenn du gerade einen sauteuren Klostein gekauft hast. In diesem Fall pinkeln sie nämlich zielgerichtet von oben genau in diesen hinein, bis er innerhalb von drei Tagen leer ist.

Du wirst so viel Klo putzen wie nie zuvor. Du wirst versuchen, ihnen beizubringen, im Sitzen zu pinkeln. Bis du realisierst, dass sie auch im Sitzen einfach waagrecht nach vorne unterm Klositz herauspinkeln können.

7.    Jungs müssen alles ausprobieren.

Und ich meine ALLES. Es reicht nicht, wenn du ihnen vorher sagst, was passieren wird, sie müssen es SELBST erleben. Was passiert, wenn ich mir mit der Bastelschere ein Dreieck in die Stirnfransen schneide? (Du wirst aussehen wie ein Vollidiot.) Was passiert, wenn ich mir ein Playmobil-Polizeiblaulicht in die Nase stecke? (Mama wird es – natürlich nicht, ähem! – mit dem Zahnstocher wieder rauspulen.) Was passiert, wenn ich ohne Schwimmflügerl einfach ins Wasser springe? (Blubb, blubb.)

8.    Jungs haben immer Hunger.

Immer. Auch wenn sie gerade Frühstück, Vormittagsjause 1, Vormittagsjause 2, Mittagessen und Nachspeise gegessen haben. Außer natürlich, es gibt Gemüse. Aber das traust du dich ohnehin schon nur mehr in aufwendig versteckter Form aufs Teller zu bringen.

Gleichzeitig mit einem Buben zieht ein neues Wort bei dir zu Hause ein: Jause. Du wirst sie immer bei dir haben, egal wohin du gehst. Denn auch 20 Minuten am Spielplatz sind für einen kleinen Jungen offenbar körperlich ohne mindestens einen Früchteriegel oder eine Mandarine nicht überlebbar. Das wird dazu führen, dass dir im Arbeits-Meeting leere Quetschi-Packungen und Mini-Gummibärli-Sackerl aus der Tasche fallen werden, aber daran werden sich deine Kollegen schnell gewöhnen.

Du solltest auch wissen, dass du nie wieder – und ich meine NIE wieder – das Keks, das man im Café manchmal zu seinem Kaffee bekommt, selbst essen dürfen wirst. Und dass mindestens die Hälfte des Brotes, das ihr zum Entenfüttern mitnehmt, im Mund deines Kindes landen wird. Selbiges gilt für sämtliche Brösel, die dein Kind unter dem Tisch (oder auch an der öffentlichen Bushaltestelle) findet.

9.    Jungs lieben alles, was eklig ist.

Egal ob Spinnen, Asseln, Nacktschnecken oder ihre eigenen Fürze. Mit Begeisterung sammeln sie mit ihrer Becherlupe Weberknechte, Ohrwürmer und Feuerwanzen. Ungefähr fünf Schritte, bevor sie dir diese stolz in der Küche präsentieren möchten, fällt ihnen unweigerlich die Becherlupe auf den Boden, springt auf und sämtliches Getier flitzt in alle Himmelsrichtungen davon.

10.    Jungs sind gnadenlos ehrlich.

Ich habe mal ein kleines Mädchen zu ihrer Mama sagen gehört: „Mama, du bist die schönste Mama auf der ganzen Welt!“. Meine Jungs sagen zu mir Dinge wie „Mama, warum hast du da so einen großen Pickel auf dem Kinn?“, „Mama, warum hast du eigentlich so viele graue Haare?“ oder „Mama, warum ist dein einer Busen länger als der andere?“.

In sechs Jahren habe ich mir jetzt schon so manche harte Wahrheit ins Gesicht sagen lassen müssen. Dafür geht nichts über den Moment, wenn dein kleiner Held zu dir sagt „Mama, du riechst so gut nach Kuchen“. Oder „Mama, ich hab dich so arg lieb.“ Weil dann weißt du ganz genau, dass sie es genauso ehrlich meinen wie die Sache mit dem Pickel …

Freitag, 27. März 2020

Die 3 größten Corona-Challenges für Eltern

Bisher dachte ich, das Krasseste, was einem in Sachen Heimquarantäne passieren kann, ist dass beide Kinder hintereinander die Windpocken bekommen. Dann kam Corona. Und plötzlich wünsche ich mir die Windpocken zurück.

Nicht, dass die lustig gewesen wären, aber was hatten wir da rückblickend für einen Luxus! Besuche von der Oma! Rausgehen mit dem jeweils gesunden Kind! Unsere größte Sorge war das schlechte Fernsehprogramm! Hätte mir damals jemand gesagt, was im Frühjahr 2020 auf uns zukommen sollte, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.

Und jetzt haben wir alle den Salat beziehungsweise den Virus. Von einen Tag auf den anderen hat sich die ganz normale Welt in einen Zombiefilm verwandelt, für den meine Kinder eigentlich noch viel zu klein sind, um ihn sich anschauen zu dürfen.

Oft genug kommt es mir so vor, als würde gleich jemand „Haha, versteckte Kamera!“ rufen – nur, dass das dann leider doch nie jemand tut und der Film unbeirrt weiterläuft.
It’s the end of the world as we know it – und das für uns alle. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese bekackte Katastrophe gerade an Menschen mit Kindern noch ein paar besondere Sahnehäubchen des Wahnsinns austeilt. Damit will ich bei Gott nicht die Probleme all jener schmälern, die sich gerade auch kinderlos vollkommen zurecht beschissen fühlen, ich will nur allen Eltern da draußen sagen: Ich weiß, warum ihr gerade euren Kopf gegen die Wand schlagt.

Vielleicht, weil ihr gerade seit gefühlten Ewigkeiten versucht, neben zwei brüllenden Fressmonstern im Home Office eine (nur EINE!) E-Mail zu beantworten. Vielleicht, weil ihr seit zwei Stunden aus Klopapierrollen eine Ritterburg baut. Vielleicht auch nur, weil ihr gerade bemerkt habt, dass ihr beim letzten Hamsterkauf zwei Flaschen Wein zu wenig mitgenommen habt … Ganz egal, warum: Ich verstehe euch. Denn die folgenden drei speziellen Corona-Challenges für Eltern bleiben gerade kaum jemand von uns erspart.


Corona-Challenge für Eltern #1: Du musst funktionieren – auch wenn gerade sonst nichts funktioniert

Keine Schule, kein Kindergarten, keine Betreuungsmöglichkeiten – was Corona uns da gerade beschert, trifft besonders alle extra hart, bei denen beide Elternteile berufstätig sind. Ohne Kindergartentanten, Tagesmütter und Großeltern klappt nämlich das mühsam aufgebaute Kartenhaus ganz schnell in sich zusammen.

So sitzt man plötzlich in den umgepusteten Ruinen da und fährt die größte One-Man/Woman-Show seines Lebens. Denn dass Kindergartentante, Lehrerin, Köchin, Putzfrau und Entertainerin in einem schlecht funktioniert, ist klar. Dass ihr das Ganze aber nicht nur „neben“, sondern gleichzeitig mit eurem normalen Job machen sollt, nahezu unmöglich.

Meine größte Bewunderung gilt allen, die momentan da draußen als ÄrztInnen, KassiererInnen oder PflegerInnen unser System am Laufen halten – daneben komme ich mir beinahe schlecht vor, mich über die Arbeit im Home Office zu beschweren. Aber wer jemals versucht hat, neben zwei Kleinkindern auch nur zehn Minuten produktiv am Computer zu arbeiten, weiß, wovon ich rede.

„Maaama! Mama, schau! Mama, ich hab Hunger! Mama, mir is fad! Mama, was machst du da? Mama, was passiert, wenn ich auf den Knopf da drücke? Mama, schau wie schön ich die Wand angemalt hab! Maaaaama, Maama, MAMA!!!“

Und du willst deine Kinder wirklich nicht anschreien, aber du würdest auch wirklich gern deinen Job behalten! Und auch wenn deine Chefin sehr verständnisvoll ist, wenn sich während des Video-Chats dein Kleiner im Hintergrund wie Tarzan am Vorhang durchs Zimmer schwingt, irgendwann reißt dir der Geduldsfaden und du phantasiert davon, wie du die lieben Kleinen mit extrastarkem Paketband an die Kinderzimmerwand pickst. Gleichzeitig tun sie dir auch schon wieder leid, weil sie natürlich nicht verstehen können, warum Mama nicht „da“ ist, obwohl sie doch da ist – und du fragst dich nur noch, ob man dir heute den Pokal für die schlechteste Mitarbeiterin oder doch lieber den für die schlechteste Mama verleihen sollte.

Zu Mittag geht’s statt bequem in die Kantine gestresst in die Küche, wo in der Arbeitspause schnell, schnell ein nahrhaftes Menü zubereitet werden will, das sowohl den Kindern als auch dem Mann mundet. Nicht zum ersten Mal stellst du dabei fest, dass ihr plötzlich das gefühlt Hundertfache an Essen verbraucht wie sonst und du dich beim letzten Notfalleinkauf um ca. 67 Paar Frankfurter und 8 Flaschen Ketchup verschätzt habt. Und danach zurück zur Arbeit – nein, halt! Noch schnell Geschirrspüler einräumen, Waschmaschine starten, den Kindern einen Bastelblock zuwerfen und Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen …


Corona-Challenge für Eltern #2: Du musst entertainen – auf einem völlig neuen Level

Durch Corona weiß ich jetzt, wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ als Horrorfilm ausgesehen hätte. „Mama, was machen wir heute?“ – „Nix!! So wie gestern und morgen und jeden verdammten Tag ab jetzt!!“ Nein, das sagst du natürlich nicht! Stattdessen sagst du Dinge, von denen du nie geträumt hättest, dass sie einmal deinen Mund verlassen würden. „Lass uns doch heute selber Knete machen!“ oder „Sollen wir aus Nudeln eine Feuerwehrstation basteln?“

Dank Corona bin ich gefangen in der Bastelhölle. Und alle, die mich kennen, wissen, was das für mich heißt. Doch was bleibt mir anderes übrig? Ich kann die Jungs schlecht 12 Stunden am Tag vor dem Fernseher parken und ich verstehe sie ja – ich dreh ja selbst am Rad! Mit drei und sechs Jahren will man sich keinen Baum durchs Fenster anschauen – man will schreiend drum herumlaufen, raufklettern, etwas aus seinen Ästen schnitzen …

Und ja, man „darf“ zwar noch spazieren gehen, aber nicht zu lang und nicht zu weit und überhaupt am allerliebsten allein. Traut man sich dann mal tatsächlich mit den Kindern hinaus zum nächsten Baum, fühlt man sich wie eine Widerstandskämpferin, die jeden Moment von der Polizei abgeführt werden könnte. Ganz nebenbei macht das viele Bogen-um-Leute-Laufen und „Nein, Schatzi, dableiben, nicht zu den Kindern hinlaufen!“-Brüllen müde und paranoid. Nach zehn Minuten auslüften scheuchst du die weinenden Kinder, die nicht verstehen, warum sie heute nicht auf den Spielplatz dürfen, also wieder nach Hause. Und bist dort wieder bis auf Weiteres „gefangen“.

Ja, gefangen mit Essen und Spielsachen und Bastelpapier – aber dennoch gefangen. Ich versuche mir einzureden, dass man sich an alles gewöhnt. Ich denke an lebenslänglich Inhaftierte. Und an Menschen ohne Fernseher. Und trotzdem bin ich deprimiert. Und wenn ich noch EIN Mal irgendwo lese, ich soll doch bitte genießen, dass ich endlich mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen kann …! Habt ihr eigentlich einen Dachschaden? Glaubt ihr, wir tanzen jetzt singend Hand in Hand als Familie um den Küchentisch, weil wir uns so darüber freuen, dass wir nicht mehr rausdürfen?!

Ich versuche mit allen Mitteln, meinen Kindern diese beschissene Zeit so schön wie möglich zu machen, aber das ist verdammt noch mal kein Partyspaß. Ich spiele 365 Runden Uno am Tag, ich bastle, ich male, ich baue Duploburgen und Polsterhöhlen – und dann ist es immer noch erst 10:00 Uhr vormittag!

Anfangs habe ich versucht, die Kinder ganz gefinkelt für Haushaltsaufgaben zu begeistern. „Kommt, jetzt räumen wir alle gemeinsam den Geschirrspüler aus!“ Die Kinder starrten mich daraufhin an, als hätte ich gerade vorgeschlagen, dass wir uns alle einen Finger abhacken. Also basteln wir. Und essen. Und basteln. Und essen. Wer hätte gedacht, dass ich mal vor dem Dilemma stehen würde, ob ich die Erdäpfel lieber hamstern oder für den Kartoffeldruck verwenden soll??


Corona-Challenge für Eltern #3: Du musst erwachsen sein – auch wenn du gerade selbst am liebsten heulend zu deiner Mama laufen würdest

Die wohl größte Herausforderung in dieser furchteinflößenden Zeit ist, dass du für dein Kind der Fels in der Brandung sein musst. Auch wenn dich dein Kleiner zum hundertsten Mal fragt, wann der blöde Coronavirus endlich wieder weg ist, musst du ihm glaubhaft versichern, dass alles wieder gut wird und zwar ganz bald.

Statt nach den Nachrichten in den Keller heulen zu gehen, holst du von dort nur eine neue Packung Play-Doh. Voller Überzeugung sagst du Sätze wie „Aber sicher können wir Oma und Opa ganz bald wieder besuchen!“ oder „Deinen Geburtstag feiern wir dafür doppelt so groß nach!“, während dir innerlich das Herz bricht.

Was antwortet man, wenn einen ein Sechsjähriger fragt, ob Corona weggeht, wenn er sich dafür gar nichts anderes vom Christkind wünscht? Wie reagiert man, wenn ein Dreijähriger wissen möchte, wie man betet, weil er dem lieben Gott gern sagen möchte, dass er Corona bitte wieder wegmachen soll? Ich stoße als Mama gerade jeden Tag so an meine Grenzen, wie ich es vorher nie für möglich gehalten hätte.

Einerseits bin ich unendlich froh, dass ich in dieser schrecklichen Situation wenigstens kleine Kinder habe, die mich mit ihrem Blödsinn ablenken und mich mit ihren verrückten Ideen trotz allem zum Lachen bringen. Auf der anderen Seite mache ich mir wegen den Kindern noch viel mehr Sorgen als sowieso schon. Was macht das mit meinen Jungs, wenn sie Wochen oder Monate lang zu Hause „gefangen“ sind, ohne ihre Freunde, ohne Spielplatz, ohne Oma und Opa und Kindergarten?

Wie wird es sie verändern, wenn sie trotz aller Bemühungen mit ihren feinen Antennen die Ängste und Sorgen von Mama und Papa jeden Tag ungefiltert mitbekommen? Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken und das Traumatischste, was die beiden aus dieser Zeit mitnehmen werden, ist, dass ich ihnen selbst die Stirnfransen schneiden musste – ich weiß es nicht.

Man sagt, ein Trauerprozess verläuft in fünf Stufen: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Bis auf Akzeptanz hab ich jetzt dann alles durch – die Dinge können also nur noch besser werden. Und ich habe das starke Gefühl, dass ich mir noch ein paar Tränen aufsparen sollte.

Die brauch ich nämlich dann, wenn meine Jungs das erste Mal wieder johlend in den Kindergarten laufen. Wenn ich meine Mama wieder umarmen kann. Wenn ich das erste Mal das Meer wiedersehe. Und wenn für uns alle die Freiheit wieder nur einen Schritt von der Haustür entfernt ist.