Gerade eben habe ich noch das Planschbecken aus dem Keller geholt und – schwupps! – knappe 3.500 Mal Schwimmflügel aufblasen später ist er schon wieder vorbei, der Sommer.
Nix mehr Urlaub und Ausflug zum See, stattdessen back to reality. Und vor allem: Back to Kindergarten. Brotdose, Trinkflasche, Matschgewand, Rucksack, Gummistiefel, Kuscheleckenpolster und was so ein kleines Kind halt noch so alles braucht, wenn es zirka drei Stunden am Stück außer Haus ist, liegen schon im Vorraum bereit und ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder es mir grauen soll.
Auf der einen Seite ist es ja so, dass ich nicht gerade untröstlich bin, wenn mein geliebtes Kind und ich jetzt dann nicht mehr 24 Stunden am Tag zusammen verbringen müssen, äh dürfen. Ja ja, Mutterliebe, Trennungsschmerz, pipapo, aber jetzt mal ehrlich: Man kann auch nur so oft in den Zoo/ins Kindermuseum/ins Bällebad/auf den Spielplatz gehen, bevor man als Mama schlicht und einfach den Verstand verliert.
Drei Wochen Kinder-Vollbespaßungsprogramm ist für meinen Geschmack wirklich genug, danke, da dürfen ab jetzt dann gern wieder die Profis Pädagoginnen mitspielen und mit meinem Kind 500 Papier-Dinosaurier am Tag basteln.
Aber so sehr ich mich auch darauf freue, wieder mal einen halben Tag ohne Lego, Playdoh & Co. verbringen zu dürfen, sehe ich ihn unweigerlich bereits vor meinem inneren Auge: den Zettel. Und im Vergleich zum Zettel spiele ich lieber die nächsten sechs Monate in Endlosschleife Kinder-Uno.
Und sagt mir jetzt nicht, ihr kennt den Zettel nicht. Den Zettel gibt es nämlich meines Wissens nach in jedem Kindergarten zwischen hier und Bad Kleinkirchheim. Bereits von Weitem sieht man ihn spätestens zwei Wochen nach Kindergartenstart in der Garderobe hängen, getarnt in einer lustigen, kindgerechten Farbe, damit Mama nicht schon bei der Haustür wieder umdreht und wieder nach Hause fährt.
Nachdem es ja eh nichts nützt, nähere ich mich resigniert dem Zettel und schließe mit mir selbst eine Wette ab, was es diesmal ist. Sollte ich die Wette verlieren, muss ich mich heute endlich in die Buffet-Mitbring-Liste für das Laternenfest eintragen, für die mir nie etwas einfällt, das kindgerecht/gesund/stylish genug zur allgemeinen Präsentation wäre.
„Liebe Eltern! In unserer Gruppe ist ein Fall von XXX aufgetreten. Bitte achten Sie bei Ihrem Kind auf Anzeichen wie blablabla…“. Die XXX werden dann im Wochentakt bunt durchgewechselt. Mal steht da „Scharlach“, mal „Windpocken“, mal „Magen-Darm-Grippe“, mal „Hand-Mund-Fuß“ (im Ernst, hat irgendjemand von dieser Krankheit gehört, bevor er Kinder hatte?! Für mich klingt das heute noch wie Maul-und-Klauen-Seuche …) – und ganz besonders oft und beliebt: „Läuse“.
Mittlerweile bin ich dem Thema Läuse gegenüber aufgrund des inflationären Auftretens des dazugehörigen Zettels abgestumpft. Ob es beim Billa nun 25 Prozent auf Frischfleisch in Bedienung oder im Kindergarten Läuse gibt, ist für mich auch schon wurscht. Das erste Mal, als ich den Läuse-Zettel im Kindergarten sah, bekam ich aber auf der Stelle einen mittelschweren hysterischen Anfall und raste auf direktem Weg in die Apotheke, um mich dort mit einem Rundum-sorglos-Paket an Anti-Lausmitteln einzudecken. Sofort wurden beide Kinder präventiv mit Weidenrinden-Shampoo grundgereinigt und bei jedem Kratzen in Kopfnähe wurde der Lauskamm in Habtachtstellung gebracht.
Seltsamerweise sind wir (bis jetzt) von den ekligen Viechern verschont geblieben, und das wundert mich wirklich sehr. Denn wenn ich eines in den ersten Jahren als Mama eines Kindergartenkindes gelernt habe, dann, dass Kinder gnadenlose Bazillenschleudern sind.
Hat einer eine Erkältung, haben unweigerlich alle eine Erkältung. Den letzten Kindergeburtstag meines Großen verbrachte ich so zum Beispiel mit meinem ganz eigenen Partyspiel „Fang das Rotz“, bei dem es galt, sechs kleinen Jungen im Kreis die triefende Nase zu putzen. Fängt erst einer mit der ersten Schnupfennase an, ist das Rad ins Rollen gebracht – und lässt sich zumindest bei uns den ganzen Herbst und Winter nicht mehr stoppen. Schnupfen, Halsweh, Husten – ja, hier, wir machen mit!
Dass die eigene kleine Bazillenschleuder die schönsten Andenken aus dem Kindergarten natürlich auch noch nach Hause bringt, ist ein weiteres beliebtes Extra, damit auch Mama und Papa was davon haben. Im Prinzip kann ich jetzt meine nächsten Treffen mit irgendjemandem schon wieder erst für April 2020 ansetzen, denn davor wird unweigerlich immer einer von uns krank sein.
Im Ernst, so ein Kindergarten kommt mir oft schlimmer vor als die Seuchenstation eines Krankenhauses in Burundi. Wo haben die Kleinen diese ganzen Sachen nur her?? Sollten sie nicht eigentlich noch vor Gesundheit strotzen bei den ganzen sorgfältig ausgewählten Dinkelcrackern, selbst gezogenen Bio-Karotten und mühevoll noch vor der Arbeit gesteckten Obst-Spießchen, die man ihnen in die Feuerwehrmann-Sam-Jausenbox packt?!
Sei’s wie’s sei, immerhin weiß ich dieses Jahr schon, was auf mich zukommen wird. Ich weiß, dass ich keinen Winterurlaub mehr zu buchen brauche, weil sowieso mindestens einer von uns wegen eitriger Angina nicht fahren kann. Ich weiß, dass auch der bestellte Nikolaus in letzter Sekunde aus Krankheitsgründen wieder abgesagt werden muss. Ich kenne die Symptome jeglicher Kinderkrankheiten, weiß, wie lang die Inkubationszeit von Windpocken ist (Spoiler: genau so lange, bis man in der Früh aufsteht, um eigentlich in den Winterurlaub zu fahren) und kann eine Nureflex-Spritze mittlerweile blind mit der richtigen Füllmenge aufziehen. Also lieber Zettel, bring it on – mir jagst du so schnell keine Angst mehr ein!