Sonntag, 27. Dezember 2015

Drama, baby!

Ich geb’s zu: Ich seh mir gerne Casting-Shows an. Und nicht nur, weil die da alle so toll singen, tanzen oder modeln, sondern auch, weil man über das Gezicke und Getue einfach immer so herrlich schön bei einer Tüte Chips ablästern kann. Wenn ich allerdings geahnt hätte, dass das große Umstyling bei „Germany’s Next Top Model“ auf der Dramaskala klar unter einem durchschnittlichen Tag mit einem 1 ½-Jährigen liegt, hätte ich mir wohl ein bisschen genauer angeschaut, wie Heidi Klum den Mädchen beibringt, dass das ganze Rumgeheule hier nichts bringt und eine blonde Stoppelglatze jetzt leider einfach sein muss.

Versteht mich nicht falsch, an manchen Tagen ist mein Kind ein kleiner Engel (meistens an den Tagen, an denen er bei Oma ist..), aber an anderen erreicht er bereits vor 08.00 Uhr morgens einen Drama Queen-Status, der die Teilnehmer des Dschungelcamps daneben wie Lämmchen aussehen lässt. Überblicksmäßig sind unsere Tageshighlights dann in etwa wie folgt:

06.00 Uhr: Noah plärrt hysterisch durchs Babyphone und ich breche mir beim panischen Halbschlaf-Lauf ins Kinderzimmer beinahe ein Bein, weil ich über die pädagogische wertvolle Werkbank stolpere. Als ich mich besorgt übers Gitterbett beuge, verstummt das Geheule, Noah lacht, zeigt in mein Gesicht und schreit fröhlich „Nase!“. Als ich ihm erkläre, dass es zwar durchaus richtig ist, dass ich eine Nase habe, das aber kein ausreichender Grund ist, jetzt bereits aufzustehen, bricht er wieder in hysterisches Geplärre aus.

06.15 Uhr: Der erste Kampf ist gewonnen und Noah steht triumphierend im Bad. Sein stolzes Siegerlächeln weicht Indianergeheul, als er merkt, dass er sich auch heute nicht mit der Klobürste sondern mit seiner Captain Sharky -Zahnbürste die Zähne putzen darf.

06.15 – 06.45 Uhr:
Intermittierende Heulkrämpfe, weil wir heute nicht das T-Shirt mit dem Traktor anziehen, weil ich das Frühstück nicht schnell genug zubereite, weil das Frühstück nicht aus Pudding besteht, weil ich das Müsli nicht 40 sondern nur 30 Mal kühl geblasen habe.

07.15 Uhr: Noah will Haube und Gummistiefel anziehen. Ihm das bei 22°C Raumtemperatur auszureden, habe ich mir bereits abgewöhnt. Das Wutgeschrei bleibt trotzdem nicht aus, als er merkt, dass er sich beides nicht alleine anziehen kann. Als ich ihm anbiete, ihm dabei zu helfen, eskaliert die Situation. „Neeeeeein!!! Hauwe, Hauwe!“ – gibt es eigentlich so etwas wie einen Baby-Mediator?

08.00 Uhr: Ich sehe keine andere Möglichkeit als die Flucht nach draußen. Noah zeigt sich begeistert von der Aussicht, auf den Spielplatz gehen zu dürfen, bricht jedoch in Tränen aus, als ich ihm eröffne, dass wir dazu eine Jacke anziehen müssen.

08.30 Uhr: Sturz vom Rand der Sandkiste – Drama. Gescheiterter Plan, die Leiter zur Rutsche ohne Hände hochzusteigen – Drama. Erkenntnis, dass Mama sich leider nicht in die Kinderschaukel mit Bügel setzen kann, weil ihr Hintern dazu zu fett ist – Drama (auf beiden Seiten).

11.30 Uhr: „Essen! Essen!“ – „Ja sicher, mein Schatz, gehen wir heim und machen uns Nudeln!“ – „Neeeeeeeeein!!! Wuhaaaaaa!“. Unter den schockierten Blicken der gesamten Nachbarschaft schleife ich das Kind nach Hause und hoffe, dass niemand die Polizei ruft, weil er fälschlicherweise denkt, ich würde gerade ein wildfremdes Kind entführen, anstatt mein eigenes zu seinem Lieblingsessen zu bringen. Als ich endlich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse und die Nachbarn wieder hinter den Gardinen verschwinden, setzt sich des Dramas 500. Akt im Vorzimmer fort. Noah schreit und stampft wie Rumpelstilzchen, weil er die Jacke ausziehen soll, die er vorher partout nicht anziehen wollte.

12.00 Uhr: Irgendwie habe ich es geschafft, eine Portion Spaghetti Bolognese auf den Tisch und den widerporstigen Purschen in seinen Hochstuhl zu bekommen. Geheul, weil das Mittagessen nicht aus Pudding besteht, wird gefolgt von Geheul, weil offenbar die falsche Anzahl Nudeln auf dem Teller liegt, wiederum gefolgt von Geheul, weil Noah zwar unbedingt mit seinem eigenen Löffel essen möchte, die Hälfte des Essens jedoch auf halbem Weg zum Mund abstürzt und zielsicher neben dem Lätzchen auf der frisch gewaschenen Hose landet. Der krönende Abschluss des Mittagsessens ist der Nachtisch – Geheul, weil er aus Pudding besteht, Noah jetzt aber doch viel lieber „Trauben! Traaaaauben!“ wollte…

12.30 Uhr: Mit letzten Kräften verfrachte ich das Kind für seinen Mittagsschlaf ins Gitterbett, lese ihm eine Geschichte vor, drücke ihm einen Kuss auf die Wange und verlasse fluchtartig den Raum. Jetzt hätte ich gern einen Schnaps. Stattdessen lasse ich mich im Wohnzimmer auf die Couch fallen und höre Noah die nächste halbe Stunde übers Babyphone dabei zu, wie er singt, plappert, turnt, seine Kuscheltiere gegen die Wand pfeffert, mit dem Bett durchs Zimmer fährt (Glaubst du nicht? Mein Kind kann das!) und sonst noch allerhand Schlafvermeidungsstrategien ausprobiert, bis ihn nach gefühlten Ewigkeiten endlich das Sandmännchen erwischt. Ich atme tief ein und aus, genieße diese unglaublich schöne Stille und überlege kurz, ob ich vielleicht einfach schnell zum Flughafen fahren soll. Ein Blick auf die Bügelwäsche, die Stapel an schmutzigem Geschirr und herumliegendem Spielzeug machen mir aber schnell klar, dass ich die nächste Stunde anders verbringen werde.

14.00 Uhr: Gerade habe ich die letzte Wäsche zusammengefaltet und möchte mir eine Tasse Kaffee holen, als das Babyphone wieder zum Leben erwacht. Kurz schöpfe ich Hoffnung, dass der Mittagsschlaf Noahs Laune etwas gebessert hat, meine naive Vorstellung wird jedoch sofort zerschlagen, als ich Noah aus seinem Bettchen hole und er feststellt, dass ich nur die fade Mama und nicht der lustige Opa bin. Wie bei „Täglich grüßt das Murmeltier“ läuft der restliche Tag dann mit kleinen Variationen (jetzt sind es die Badeschlapfen und nicht mehr die Gummistiefel) gleich ab wie der Vormittag: Noah bricht gefühlt im Sekundentakt in ein neues Drama aus und ich tröste, schlichte, schimpfe, locke, resigniere und google (Sind es die Zähne? Der Bauch? Ein Schub??) vor mich hin, bis wir abends beide erschöpft ins Bett fallen. Bevor ich in einen komatösen Schlaf sinke, denke ich noch bei mir: Morgen wird alles anders. Und wenn nicht, dann ruf ich Heidi Klum an...

Die Qual der Wahl

Das Privatkrankenhaus, in dem ich niederkommen durfte, hatte ich schon lange ausgesucht, bevor meine Tochter überhaupt nur ein Gedanke bei sachdienlichen zwischenmenschlichen Aktivitäten war. Neben der „Wellness-Hotel-Atmosphäre“ warb das besagte Etablissement nämlich unter anderem auch mit der Möglichkeit, sich seine „persönliche“ Hebamme bei einem „informellen Kennenlern-Abend“ aussuchen zu dürfen. Ich würde mir übrigens noch wünschen, der Abend wäre etwas formeller verlaufen, aber dazu später mehr…

Zu dem Kugelbauch-Event waren natürlich auch die angehenden Papis geladen. Zu meiner Belustigung waren die meisten von ihnen sowas von co-schwanger, dass sie neben ihren unförmigen Partnerinnen gar nicht weiter auffielen. Manche von ihnen rutschten unbehaglich auf den harten Plastikstühlen herum (so viel zur Wellness-Hotel-Atmosphäre!), andere schauten nur verlegen durch die Gegend oder unter vorgehaltener Hand Laola.tv auf dem Handy. Ganz findige Exemplare (ein paar Streber gibt es immer) stellten natürlich artig Fragen, die die sechs Hebammen mit Engelsgeduld – oder besser gut getarnter Genervtheit – beantworteten.

Mein Mann kam erst mal eine halbe Stunde zu spät. Für mich war das völlig ok, ich war froh, dass wir es überhaupt gemeinsam geschafft hatten, bei dem Arbeitspensum, das wir beide zu der Zeit hatten. Von der Eventleiterin wurde er aber natürlich mit hochgezogenen Augenbrauen bedacht – und ich mit den mitleidigen Blicken der brütenden Mitstreiterinnen.

Leider fand in den ersten 30 Minuten nur eine allgemeine Vorstellungsrunde der Hebammen statt, sodass mein Mann die Chance verpasste, dem nachfolgenden Highlight des Happenings zu entkommen: dem Wunder Geburt in Bewegtbild, in schön ausgeleuchteter Panoramaansicht mit exzellent authentischer Tonübertragung. Letztere war noch dazu quasi im asynchronen Echo zu hören, da im Kreißsaal nebenan gerade das Real-Life-Szenario im Gange war und die Wände offensichtlich dünn wie Papier (diesmal war der Hotelcharakter durchaus authentisch).

Während die meisten Frauen die Vorführung mit stoischer Ruhe an sich vorbeiziehen ließen, wären die Männer allesamt – und zwar auch die Streber – wohl am liebsten geschrumpft und gasförmig durch den Türspalt entwichen, da bin ich mir ganz sicher. Nach einer kurzen allgemeinen Schockstarre stellten sich die „persönlichen Begleiterinnen“ dann dem Face-to-Face-Gespräch. Wer noch nicht komplett fertig war, durfte sogar mit der Dame seiner Wahl noch den Kreißsaal besichtigen und einen Termin für den persönlichen Geburtsvorbereitungskurs vereinbaren.

Im Nachhinein glaube ich, dass man den Kreißsaal wirklich nicht vorher sehen muss. Denn eigentlich reicht vollkommen, was man bereits aus dem Fernsehen kennt – das Bild jenes Stuhls, der neben dem elektrischen wohl als einer der unbehaglichsten seiner Klasse gilt. Die kleine Badewanne, für die ich mir extra einen schicken Bikini besorgt hatte, dient meines Erachtens ohnehin nur zur Dekoration. Keine Frau, die noch ganz bei Trost ist, setzt sich wenn es hart auf hart kommt da hinein! Die Lust aufs Plantschen ist zumindest mir in der Sekunde vergangen, als mir eröffnet wurde, dass ein Einlauf durchaus zum Standardprogramm einer Privatklinik mit Wellness-Hotel-Atmosphäre gehört.

Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass persönliche Geburtsvorbereitungskurse total überbewertet werden. Nachdem ich meine persönliche Hebammen-Favoritin auserwählt hatte, dachte ich, ebendiese würde sich geehrt fühlen, sich eingehend mit mir und meinen Wehwehchen beschäftigen zu dürfen. In meiner Vorstellung würde sie mir voller Stolz quasi die Hand halten, bis ich selbst als frischgebackene, talentierte Wundermutti das Ruder übernehmen und mich mit meinem kleinen, strahlenden Bündel den Herausforderungen und Freuden des Elterndaseins hingeben würde. Wehmütig würde sie uns noch einmal zuwinken, während sie sich insgeheim dachte, dass ich wohl die beste und tapferste Schwangere war, die sie je „persönlich begleiten“ durfte.

In Wahrheit gab mir die liebe Frau jedoch erst mal ihre alte Handynummer, sodass ich regelrecht in Atemnot geriet, als wenige Tage später tatsächlich eine Blutung auftrat und ich schnell Hilfe und Beruhigung am Telefon benötigt hätte. Stattdessen verkündete mir eine Computerstimme relativ unpersönlich, dass unter diesem Anschluss leider niemand zu erreichen sei. Im Hinblick auf das, was noch kommen sollte, versprühte die Telefonansage aber noch einfühlsamen Charme. Als ich nämlich endlich über mein Wahlkrankenhaus die richtige Nummer herausgefunden hatte und mir mitgeteilt wurde, dass ein Wechsel zu einer anderen Hebamme aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr möglich sei, bat ich meine ursprünglich Auserwählte zähneknirschend um einen „persönlichen Geburtsvorbereitungskurs“.

Mit einem milden Lächeln tat diese dann noch meine Blutungen ab, bevor sie mir einen Termin gab, der just mitten in ihrem Urlaub lag, was ich aber erst wieder über das Krankenhaus herausfinden musste, nachdem sie nicht aufgetaucht war. Bei dem nächsten vereinbarten Termin kam ihr eine Geburt dazwischen, was zugegebenermaßen noch gerade so als Entschuldigung durchging. Und nachdem ich tagelang wieder vergeblich versucht hatte, sie zu erreichen, kam meine Kleine – drei Wochen zu früh und „begleitet“ von einer mir vollkommen fremden, dafür aber sehr sehr lieben Hebamme auf die Welt. Ganz ohne Vorbereitung, einfach so.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Das Fenster zum Hof

Eine raschelnde Plastiktüte, eine Klospülung, ein simples Niesen kann in dem Moment, in dem man ein Kind endlich, endlich zum Einschlafen gebracht hat, der Sargnagel für eine gefestigte, liebevolle Beziehungen sein, um nicht zu sagen ein Scheidungsgrund. Das klingt übertrieben? Ich kenne Paare, die tagelang nicht miteinander gesprochen haben, weil er sich just in dem Moment, als das kleine Schreihälschen sich nach einem wahrlich harten Tag endlich in den Schlaf geheult hatte, tatsächlich traute, zur Haustür hereinzukommen und der kleine Dauerbrüller davon wieder wach wurde.

Überhaupt sind Väter bzw. arbeitende Partner, die nach einem harten Arbeitstag nach Hause kommen, wahrlich nicht zu beneiden, wenn sie dort ihre bessere Hälfte unisono mit dem Kind gemeinsam heulend vorfinden. Statt endlich die Latschen von den Hufen zu streifen und sich gemütlich auf dem Sofa auszustrecken, müssen sie dann erst mal den Partner wieder auf Vordermann bringen, nur um danach den kleinen Schreihals mit Dauerfliegergriff durch die Wohnung zu hieven, und das bis Mitternacht oder gern auch mal länger.

Diese Reihenfolge ist übrigens penibel genau einzuhalten, denn sollte man sich erdreisten, zuerst das nicht zu beruhigende Kind tatsächlich zu beruhigen (etwas, das der heulenden Hälfte den ganzen Tag über nicht gelungen ist), fühlt sich Letztere nämlich wie ein Vollversager und wird bis zum Morgengrauen im Tal der Tränen einchecken. Dasselbe Spiel geht dann am nächsten Tag wieder von vorne los: noch so ein schöner Tag, und noch einer – bis die Kleinen zwischendurch dann auch mal krank werden und nachts nicht mehr als ein paar Minuten am Stück schlafen. Dann wird es noch lustiger.

Eine liebe Freundin hatte so die schlimmste Nacht ihres Lebens einem profanen Magen-Darm-Virus zu verdanken. Zuerst reiherte ihre Dreijährige das gesamte Gitterbettchen voll. Inklusive Matratze natürlich, damit es so richtig weh tut und der teuflische Geruch auch nach Behandlung mit Chemie-Keule oder Weihwasser nicht mehr weg geht. Von diesem Unterfangen wurde der liebevoll Kind und Bett putzenden Mama dann so schlecht, dass sie ohne Umschweife selbst ins Wohnzimmer spie, den 5 Monate alten Sohn dabei gekonnt nebenbei im Arm schaukelnd. An sich schon eine eher unangenehme Geschichte, wurde ebendiese noch viel lustiger, als der rücksichtsvolle Papa in der Nacht von einem Gewitter im Darm geweckt wurde.

Als er seinen die Speiseröhre schnellstens rückwärts verlassen wollenden Mageninhalt herannahen spürte, war er netterweise darauf bedacht, nicht auch noch das eheliche Bett – quasi die letzte geruchsfreie Zufluchtsstätte der gesamten Familie – einzusauen und öffnete deshalb kurzerhand das Fenster, um sich lautstark dort hinaus zu übergeben. Das Ganze wäre vielleicht weniger tragisch gewesen, hätte es sich dabei nicht just um „das Fenster zum Hof“ gehandelt. Die Anspielung auf Gruselmeister Hitchcock ist hier nämlich durchaus angebracht, denn die junge, von Koliken gebeutelte Mutter sah sich daraufhin bemüßigt, den für alle Bewohner der schicken Wohnanlage zugänglichen Hof noch vor Morgengrauen mit Eimer, Schwamm und Still-BH bewaffnet vom Corpus Delicti zu befreien. Natürlich nicht, ohne sich dabei auch noch eine handfeste Erkältung einzufangen – aber das passierte Gott sei Dank ja dann erst in den darauf folgenden Tagen...

Ja, wenn die Jungfamilie krank ist – einer ist da selten allein – kann es also zu so manch grenzrealer Situation kommen. Mit Schrecken erinnere ich mich zum Beispiel noch an einen Tag im Dezember, an dem die Grippe beinhart ihre Tentakel nach uns dreien ausgestreckt hatte. Während ich mit 39,8°C Fieber verzweifelt versuchte, meiner ebenfalls fiebernden Tochter ein Zäpfchen in die richtige Öffnung zu schießen, bettelte mein Mann am Boden liegend seinerseits um den Gnadenschuss.

Beim Versuch mich zu entlasten – er hatte schließlich nur 38,6°C am Buckel – war er nämlich im Wick Medinight-Delirium ins Kinderzimmer gewankt, wo unsere Tochter vor Unwohlsein nur so wimmerte, und dabei über das strategisch ungünstig platzierte Schaukelpferd gestolpert. Hurra, genau das braucht man! Gut, es war nur Nasenbluten, aber ausgesehen hat es viel, viel schlimmer. Beim Zurückdenken ist es eigentlich fast schon wieder witzig. Aber nur fast.

Montag, 14. Dezember 2015

Kampf der Supermütter

Eines vorneweg: Aus mir spricht der reine Neid. Tief in meinem Herzen wäre ich nämlich gern selbst eine Supermutter mit drei Blinkesternchen. Eine, die ihrem Kind vor Morgengrauen bereits einen voll biologischen Hirsebrei aus eigenem Anbau kocht, ihren Nachwuchs anstatt mit düdelndem Plastikspielzeug mit pädagogisch wertvollen Fingerspielen unterhält und immer am letzten Stand ist, wenn es darum geht, welcher Sitzkissenbezug für Reisekinderstühle gerade bei Stiftung Warentest am besten abgeschnitten hat. Leider werde ich dieses Level des Supermutterdaseins aber wohl nie erreichen.

Vielmehr bin ich bereits an meinen ersten Gehversuchen gescheitert, genauer gesagt als mein Kind noch nicht mal auf der Welt war. Als hochmotivierte Schwangere besuchte ich vor der Geburt zahlreiche Kurse, um mich darüber schlau zu machen, was da so auf mich zukommen würde. Und ganz offensichtlich war das auch bitter nötig. Denn egal in welchem Kurs, bereits nach Minuten stellte sich meist unweigerlich heraus, dass ich offenbar die einzige ohne Plan und Ahnung war.

Dass ich im Babypflegekurs für Anfänger die einzige war, die tatsächlich noch nie ein Baby gewickelt hatte, schockierte mich noch weniger. Als jedoch alle anderen um mich herum ein Fachwissen an den Tag legten, als hätten sie gerade eine 400-seitige Abhandlung zum Thema Tragetuch geschrieben, ließ mich das doch beschämt zu Boden blicken. Anhock-Spreizhaltung, Saugverwirrung und Kiss-Syndrom – Hilfe, wovon redeten die da alle?!

Nicht nur dass ich von all den furchtbar wichtigen Dingen, die man als Mutter eines Neugeborenen offenbar UNBEDINGT wissen musste, noch nie etwas gehört hatte, zeigte ich offensichtlich auch viel zu wenig Ehrgeiz, was das „Projekt Baby“ betraf. Während in fröhlicher Runde diskutiert wurde, mit welchen Stoffwindeln man sein Baby am besten wickelte oder welches Babybadewannengestell nun wirklich das allerallersicherste sei, dachte ich peinlich berührt an den Berg Pampers und das selbst gebastelte Holzbrett für die Badewanne, das schon bei mir zu Hause auf den neuen Erdling wartete.

Hätten die versammelten Damen (und ich selbst!) damals schon gewusst, dass ich noch dazu nicht mal stillen würde, hätten sie mich wahrscheinlich sofort mit einem großen „Durchgefallen!“-Stempel auf der Stirn des Raumes verwiesen. Neben all den Supermüttern kam ich mir jetzt schon wie ein Vollversager vor – wie sollte das erst werden, wenn mein Baby da war?? So versuchte ich also, mich so weit wie möglich unsichtbar zu machen und traute mich nicht mal mehr, irgendwelche Fragen zu stellen, weil sie mir neben denen der anderen schlicht und einfach dumm vorkamen. Wie konnte ich jetzt einfach nur wissen wollen, was man so einem Baby eigentlich in der Nacht anzog, während die Schwangere neben mir sich gerade über die effektivste Prävention von SIDS erkundigte?

Auch bei einem Vortrag zum Thema Beikost war ich schon zwei Minuten nach Beginn der Veranstaltung unten durch, als die Vortragende wissen wollte, wer von den anwesenden Mamas denn vorhabe, die Beikost nicht selbst zu kochen, sondern Gläschen zu geben. Obwohl ich genau das geplant hatte, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich meine halb ausgestreckte Hand blitzschnell wieder sinken ließ und so tat, als hätte ich mich nur am Kopf gekratzt, als ein Blick in die Runde mir verriet, dass keine einzige Mama außer mir aufzeigte. Als die eifrigen Köchinnen dann auch noch fragten, ob man das Getreide für den Babybrei denn auch selber mahlen könnte und was sie dabei beachten sollten, wenn sie das Gemüse im eigenen Garten anpflanzten, bekam ich Schnappatmung: Ich war umzingelt von Supermüttern!

Bereits in diesem Moment begann ich, für diese Frauen eine leidenschaftliche Art von Hass-Liebe zu entwickeln. Einerseits war ich von so viel Perfektheit einfach nur ehrfurchtsvoll fasziniert und wollte nichts lieber, als auch in den Kreis der 5-Sterne-Deluxe-Mamis aufgenommen zu werden. Andererseits hasste ich diese blöden Kühe einfach alle tief und innig. Schauten diese perfekten Frauen wirklich nachts um drei noch schnell im Garten nach den Frühkarotten?? Brachten sie mit ihren selbst gedichteten Wiegenliedern ihre Kinder tatsächlich bereits im Alter von drei Tagen zum Durchschlafen?? Und vor allem: Wie konnten sie bloß mit so einer scheinbaren Leichtigkeit frisch gestylt und mit Baby Superbrav am Arm durchs Mamadasein tanzen, während ich mit Augenringen und fettigen Haaren alle fünf Minuten versuchte, mein brüllendes Kind davon abzuhalten, sich auf die eine oder andere Art umzubringen?! Irgendetwas lief hier schief, aber ganz gewaltig!

Obwohl mich die Supermütter also wie ein strahlendes Einhorn im Mamadschungel faszinierten, lernte ich bald, mich von ihnen fern zu halten. Zu oft frustrierten mich ihre mitleidigen Blicke, wenn ich wieder mal mit brüllendem Baby/dem bei Stiftung Warentest durchgefallenen Winterfellsack/einem Gläschen Hipp ankam und auch ihre lieb gemeinten Tipps brachten mich nur regelmäßig auf die Palme: „Vielleicht solltest du einfach mal versuchen, Noah alleine einschlafen zu lassen! Also bei meiner Maus funktioniert das toll!“ „Ach, er fängt im Kinderwagen immer zu schreien an? Na vielleicht singst du ihm was vor?“…. Ganz offensichtlich lebten diese Frauen in einem vollkommen anderen Universum als ich und ich hatte keine Lust darauf, der schief beäugte Alien in ihrer Runde zu sein. Deswegen brach ich nach und nach den Kontakt zu allen Supermüttern ab und umgab mich nur noch mit meinesgleichen: mit ganz normalen Müttern, bei denen nicht immer alles babyrosa war und die vielleicht wie ich auch mal vergaßen, dem Kind ein drittes Wechsel-Outfit einzupacken.

Bis heute bin ich dem Geheimnis der Supermütter leider nicht auf die Schliche gekommen. Ich beobachte sie jedoch noch immer neidvoll aus der Ferne und versuche, von ihnen zu lernen. Wie man es schafft, immer drei verschiedene Sorten Feuchttücher parat zu haben, wenn das Kind wieder mal beschließt, im Zoo mit den Kackekötteln der Streichelziegen Plastilin zu spielen. Oder wie man seinen Nachwuchs ordnungsgemäß in den Kindersitz schnallt, ohne ihn dabei jedes Mal (nur ganz leicht!) mit dem Kopf gegen das Autodach zu ditschen.

Gerade kürzlich musste ich mir jedoch wieder eingestehen, wie wenig ich durch meine Beobachtungen bis jetzt gelernt habe: Während die anderen Mütter auf dem Spielplatz fünf verschiedene Tupperdosen mit biologischen Snacks aus der Krokoleder-Wickeltasche zauberten, mussten mein Mann und ich dem naheliegenden Würstelstand einen Besuch abstatten, weil wir vergessen hatten, etwas zu Essen mitzunehmen. Aber glauben Sie mir, die Blicke der Supermütter, als wir mitten am Spielzeugzug unsere Frankfurter mit Senf auspackten, waren es wert!

Freitag, 20. November 2015

Oh du Fröhliche…

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch eine der nervlich und organisatorisch herausforderndsten Zeiten im Jahr. Spätestens wenn in den Geschäften die ersten Familienpackungen Lebkuchen auftauchen (also im August), beschleicht mich ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Bisher konnte ich dieses erfolgreich bis zum letzten Drücker verdrängen, aber als Mama muss man ja spätestens am 1. Dezember gestiefelt und geschnürt sein, um dem Kind das perfekte Rundum-Weihnachts-Erlebnis zu bieten.

Bestand in der Vergangenheit die Weihnachtsdekoration etwa maximal aus zwei vergammelnden Mandarinen in der Obstschale, ist mit Kind plötzlich das ganze Haus mit Adventkranz, Adventkalender & Co. vollgepackt und die Weihnachts-CD läuft schon Wochen vor dem Fest auf Dauerschleife. Dass das liebe Kind dabei allsonntäglich versucht, sich mit dem Adventkranz in Brand zu setzen und jeden Tag aufs Neue in hysterische Weinkrämpfe ausbricht, wenn es am Adventkalender wieder nur ein Türchen öffnen darf, tut dabei nichts zur Sache – die Weihnachtsstimmung wird generalstabsmäßig hoch gehalten.

Besonders schlimm ist dabei das erste Weihnachten mit Kind. Man malt sich aus, wie man zum ersten Mal selig mit Baby vor dem Christbaum steht, das Kind verzückt von all den Lichtern, man selbst trunken vor Familien-Idylle. Das erste Fest soll das Sahnehäubchen auf dem neuen Familienglück werden und man ist überzeugt, dass Weihnachten mit Kind automatisch besser und schöner wird. Auch wenn man im tiefsten Inneren weiß, dass auch dieses Jahr die CD mit „Stille Nacht“ wieder hängenbleiben wird, dass die Würstel wieder aufplatzen werden und kurz vor der Bescherung noch ein Familienzwist darüber ausbricht, wer diesmal vergessen hat, die Sternspritzer zu besorgen, verdrängt man all das und ist überzeugt, dass diesmal alles wie aus dem Bilderbuch wird.

Erste kleine Risse bekommt die Heile-Welt-Stimmung allerdings bereits, wenn es um die organisatorischen Details des großen Tages geht. Oft führt bereits die simple Frage, wo gefeiert werden soll, zu einer mittelschweren Existenzkrise des erweiterten Verwandtschaftskreises. Bevor Noah geboren wurde, feierten mein Mann und ich immer getrennt voneinander, jeder bei seiner Familie. Mit Kind ging das ja nun schlecht, also: wo feiern?

Man möchte meinen, dass das eine einfache Entscheidung ist, aber glauben Sie mir – das ist es nicht. Kaum hat man ein Kind, wird einem scheinbar automatisch damit die Präsentationspflicht desselbigen zu jedem Feiertag übertragen. Selbst Tante Hildetrud aus Hintertupfing erwartet zu Weihnachten plötzlich, dass sie das holde Kindlein unter dem Christbaum bewundern darf. Im Prinzip hat man also nur drei Möglichkeiten: Man feiert nur bei einer Partei und beleidigt alle anderen damit tödlich, man klappert wie auf einer Welt-Tournee der Stones am Heiligabend halb Österreich ab oder man bleibt zu Hause und feiert allein (die restliche Verwandtschaft auch einzuladen, sprengt meist den Wohnflächen-Rahmen all derer, die nicht im Buckingham Palast wohnen). Variante 3 klang für uns zwar am Verlockendsten, nur leider auch irgendwie am Deprimierendsten. Alleine ohne Familie, war das überhaupt noch Weihnachten? Würden wir nicht mit dem brüllenden Noah bereits um 20.15 Uhr ganz unfeierlich die Treppen auf und ab laufen bzw. wechselweise vor dem Fernseher „Stirb langsam Teil 42“ schauen? Also entschieden wir uns für die Tournee-Variante und bepackten unser Auto am 24. Dezember mit einer LKW-Ladung voller Geschenke.

Die exorbitante Anzahl der Päckchen, die wir in die Familienkutsche quetschten, stand dabei übrigens in keinem Verhältnis zur Anzahl der besuchten Verwandten – sie waren alle für Noah. So wie jeder Verwandte das Kind am Heiligen Abend gern sehen wollte, sollte es dabei schließlich auch sein Geschenk auspacken und am Schönsten und Tollsten von allen finden. Die Telefone liefen deshalb schon ab Mitte November heiß: „Was braucht denn Noah?“, „Was, nur einen Skianzug? Na das is aber schon zu wenig!“. Obwohl ich mich sehr darüber freute, dass alle unser Kind so reich beschenken wollten, wurde das Thema bei mir bald zum roten Tuch. Wieso mussten sich alle gegenseitig übertrumpfen? Konnte ich es verantworten, dass Noah von Tante Hildetrud einen lebengroßen Traktor mit Anhänger bekam, während ihm seine eigenen Eltern nur eine Doppelpackung Langarm-Pyjamas schenkten?! Hätte ich doch schon zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass der 100-Euro-Spieletisch ohnehin unbeachtet in der Ecke stehen bleiben würde, während Noah sich juchzend ins Geschenkpapier einwickelte…

Auch sonst hatte Tag X letzten Endes wenig mit der seligen Christbaum-Fantasie zu tun, die ich im Kopf gehabt hatte. Abgesehen davon, dass ich in meinem Kopf-Bild weder Augenringe bis zum Knie gehabt hatte, weil das Kind gerade zahnte, noch vorausgesehen hatte, dass Noah bereits bei der zweiten Strophe von „Stille Nacht“ gleichzeitig versuchen würde, den Christbaum abzukränzen und einen Strang Lametta zu inhalieren, war es auch sonst das ganz normale, chaotische Familienfest, das Weihnachten bei uns nun mal ist. Und nachdem das Kind endlich ins Keks-induzierte Schlafkoma gefallen und alle Geschenkkartons zum Altpapier-Container gebracht waren (weil morgen ist er voll!), machte mich diese Erkenntnis fast ein bisschen glücklich. Mit Kind ändert sich genug, da ist es ganz gut, dass manches immer gleich bleibt. Und Gott sei Dank ist Weihnachten ja nur ein Mal im Jahr...

Mittwoch, 11. November 2015

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Früher war mein Hirn echt top. Ein richtig schönes, fettes Gehirn hatte ich da. Ich konnte mich an Dinge erinnern, die länger als fünf Minuten zurücklagen, musste mir nicht fürs Müll Rausbringen eine Handy-Erinnerung setzen und wusste bei Betreten eines Raumes (meistens) noch, mit welcher Absicht ich hineingegangen war. Und dann wurde ich schwanger.

In meinen schlauen Büchern hatte ich ja schon mit wachsender Angst gelesen, dass während der Schwangerschaft das Gehirn schrumpft. Angeblich soll sich das nach der Geburt zwar wieder von selbst geben, aber in meinem Fall sieht das eher nicht so aus. Seit Noah auf der Welt ist, bin ich komplett hirnlos. Noch bevor ein Satz zu Ende ist, vergesse ich, was mir gerade erzählt wurde, ich verlasse dauernd ohne Schlüssel, Handy oder Geldtasche das Haus und habe in den letzten Monaten so viele Dinge verloren wie nie zuvor.

Letztens erlebte ich jedoch drei Episoden, die mich endgültig daran zweifeln ließen, ob ich mir nicht die Sache mit den Knoblauchkapseln überlegen sollte.

1.) Als ich beim Vereinbaren eines Werkstatt-Termins am Telefon um mein Kennzeichen gefragt wurde, wusste ich es nicht mehr. Gar nicht mehr. Nicht eine Zahl. Mir blieb also nichts anderes übrig, als irgendeine peinliche Ausrede daher zu stammeln, vonwegen dass mir bei meinen 100 Autos leider gerade das EINE Kennzeichen just nicht einfiel...

2.) Als mich ein Freund, der bei uns auf Besuch war, um einen Bieröffner bat, brachte ich ihm einen Karottenschäler.

3.) Mitten im Kaffeehaus griff ich anstatt zu meinem Cafe Latte vor den Augen aller anderen Gäste zu Noahs Fläschchen mit Pre-Milch.

Während ich das tippe, schäme ich mich zwar ein bisschen, bin aber auch stolz, dass ich mir alle drei Geschichten länger als einen Tag gemerkt habe! Leider kann ich nicht mal sagen, was mein Hirn so rapide schrumpfen lässt. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass, nachdem ich mein Kind gewickelt, angezogen, gefüttert, in drei Schichten Winterklamotten verpackt und seine Windeln, Fläschchen, Schnuller, Decken, Feuchttücher, Rasseln, Kekse, Spuckwindeln und sonstige Kleinigkeiten für eine schnelle Fahrt um den Block verstaut habe, einfach keine Hirnkapazität mehr für mich selbst übrig ist. Schade eigentlich. Denn irgendwann wird mir wahrscheinlich ohne Hose echt kalt, wenn ich mit Noah spazieren gehe...

Montag, 26. Oktober 2015

Sind wir alle Rabenmütter? Mama-Ausstellung im Linzer Lentos

Als vor ein paar Wochen die Einladung zur Mütter-Ausstellung des Kunstmuseums Lentos ins Haus flatterte, fühlte ich mich erst mal geehrt. Wow, ein wirkliches, echtes Museum fand, dass unser Blog gut zum Thema „Mütterbilder von 1900 bis heute“ passen würde – hieß das nicht irgendwie, dass wir schon fast als Expertinnen in Sachen Mamasein galten? Als ich den Titel der Ausstellung sah, relativierte sich meine Euphorie jedoch relativ schnell: „Rabenmütter“.

Na bravo! Sofort zog ich beleidigt eine Schnute: Wie kamen die beim Thema Rabenmütter ausgerechnet auf uns? Wir waren doch bitteschön alles andere als Rabenmütter?! Die erste Empörung wich jedoch bald dem Zweifel: Was, wenn ich wirklich eine Rabenmutter war? Was, wenn die Ausstellung schwarz auf weiß belegen konnte, dass mich im historischen Kontext selbst Andy Warhol und Keith Haring als miserables Muttertier abstempeln würden? Mein Interesse war also geweckt: Obwohl mein Verständnis von Kunst zwar so ungefähr in der Bilderrahmen-Abteilung von Ikea aufhört, wollte ich mir ansehen, wie sich andere im Laufe der Zeit mit dem Thema Mamasein auseinandergesetzt hatten. Die Ausstellung versprach Werke von Künstlern aus aller Welt und das anschließende Symposium Fachleute aus Kunst und Historik – und außerdem würde es ein Tag sein, an dem ich mal ohne quengelndes Kleinkind am Rockzipfel ein Gratis-Buffet plündern konnte.

Eines sei allerdings bereits vorweggenommen: Das Buffet war an dem Tag definitiv nicht das Interessanteste! Aber fangen wir am Anfang an, nämlich vor der Tür des ersten Ausstellungsraumes. Gespannt und mit gezücktem Stift wartete ich auf den Beginn der Führung und schaute mich in der Runde um: Oje, nur ein vereinzelter Mann und sonst lauter Frauen – das löste in mir bereits die ersten Zweifel aus. Passte ich in diese Runde überhaupt hinein? Wurde das jetzt so ein Feminismus-Ding, in dem wir uns alle gegenseitig versicherten, wie stark wir als Frauen und Mütter waren? Bereits bei den ersten Bildern der Ausstellung verpuffte jedoch mein Bedenken: Hier war ich offensichtlich verdammt richtig. Bilder von genervten Mamas, die ihre Kinder hinter sich herzogen, Bilder von Babys, die sich der ewigen Schmuserei der Mutter entzogen, Bilder von schwabbeligen Kaiserschnitt-Bäuchen und Hängebusen – das kam mir alles nur zu bekannt vor!

Ausstellung "Rabenmütter" im Linzer Lentos

Allein über diesen Raum der Ausstellung hätte ich wahrscheinlich schon 10 Seiten schreiben können, in den anderen Räumen wurde ich aber mit noch so viel mehr Themen überschüttet, dass mir bald der Kopf rauchte: Mutterliebe, Mutterkörper, Mutterkonflikt, Mutterleid, Meine Mutter, Mutterstolz, Mutterleben, Muttersünden – jeder Abschnitt der Ausstellung für sich war ein absolutes Killerthema, das mich meine eigene Rolle als Mama an jeder Ecke hinterfragen ließ. Als alter Kunstbanause konnte ich zwar bei Weitem nicht mit jedem Bild etwas anfangen und musste bei manchen schon ganz genau hinschauen, um überhaupt zu erkennen, wo da eine Mutter oder ein Kind zu sehen sein sollten – aber auf emotionaler Ebene kam bei allen von ihnen eine klare Botschaft bei mir an: Mama zu sein ist eine Büchse der Pandora. Es bringt so viele Veränderungen, Emotionen, Überlegungen und Überstürzungen mit sich, dass man offensichtlich gar nicht anders kann, als erst einmal überfordert zu sein. Sofort tauchte bei mir die Frage auf: Wenn zumindest Künstler sich mit diesem Thema schon seit 1900 auseinandersetzen und es seit Anbeginn der Zeiten klar zu sein schien, dass das Thema Mutterschaft nicht nur eitel Sonnenschein ist – wie hatte ich selbst das vor meiner eigenen Schwangerschaft nicht mitkriegen können? Wieso hatte ich mir diese ganzen Ängste, Sorgen und schwer zu kontrollierenden Gefühle, die da mit absoluter Sicherheit auf mich zukommen würden, nicht mal ansatzweise vorstellen können??


Judith Samen: Brotschneiden

Auch auf diese Frage gaben mir die Bilder der Ausstellung und die darauf folgenden Vorträge zumindest eine annähernde Antwort: Weil Mutterschaft nicht nur das größte Mysterium, sondern offensichtlich auch nach wie vor das größte Tabu unserer Zeit ist. Dem sinngemäßen Zitat, dass man in einer Runde von acht Leuten im Restaurant noch eher zugibt, zum Therapeuten zu gehen, als sich als Mutter überfordert zu fühlen, konnte ich nur voll zustimmen – offensichtlich ist es salonfähiger, verrückt zu sein, als sich als schlechte Mutter zu outen. Über die Schattenseiten des Mamadaseins zu sprechen erschreckt, schockt und eckt an. Schließlich sollten wir doch alle mit einem Schlag vollkommen von unübertrefflichem Glück überrollt werden und jegliche eigenen Bedürfnisse automatisch vergessen, wenn wir erst mal Mama sind!

Wenn das nicht eintritt, wenn man trotz überwältigender Liebe zu seinem Kind auch manchmal einfach nur müde, genervt oder überfordert ist, wenn man trotz Freude am Mamasein manchmal auch noch etwas für sich selbst möchte, dann steht man da und fragt sich: Bin ich deswegen jetzt eine Rabenmutter? Und das will natürlich keiner von sich behaupten, das würde einen so tief im Inneren kränken, dass man es lieber gar nicht erst anspricht. Und hier beginnt der mütterliche Teufelskreis: Keine mag darüber reden und jede fühlt sich schlecht, weil sie deswegen denkt, sie wäre die einzige, die das Ideal der Bio-Brei kochenden, Kinderlieder singenden, frühfördernden Superwuzzimegamama nicht mit links erfüllt. Vielleicht mag es Mamas geben, die seit Geburt ihres Kindes noch keinen Tag an sich gezweifelt haben und für die freue ich mich wirklich von ganzem Herzen, aber für alle anderen sind Auseinandersetzungen mit dem Thema Mamasein wie sie in der Ausstellung des Lentos stattfinden, ein wichtiger Schritt zu mehr Gelassenheit und Mamastolz.

„Rabenmütter“ bietet 1000 gute Denkanstöße, um sich mit seiner eigenen Rolle als Mutter, Tochter oder Oma auseinanderzusetzen – aber am Ende des Tages muss man vielleicht auch gar nicht immer alles krampfhaft zu Tode analysieren, sondern einfach mal machen, komplett aus dem Bauch heraus (wo ja sinnigerweise auch die kleinen Racker herkommen). Ich zumindest habe durch den Tag in Linz herausgefunden, dass ich dem ursprünglichsten Mutterbild der Madonna wunderbar entspreche. Nur eben nicht der Madonna mit dem selig schlafenden Jesukindlein im Arm, sondern der Madonna, die sich im Video zu „Hung up“ im rosa Presswurst-Anzug komplett zum Affen macht. Und wenn mich das zur Rabenmutter macht, dann bin ich es mit Stolz!

Alles Infos zu “Rabenmütter“ und der sicher lustigen Rabenbaby-Tour durch die Ausstellung gibt’s hier: http://www.lentos.at/html/de/3312.aspx


Elinor Carucci: Dragging


Mittwoch, 21. Oktober 2015

Der sechste Sinn

Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder einen sechsten Sinn haben. Durch feinste, übernatürliche Antennen können sie jede Situation in Sekundenschnelle, oft sogar im Schlaf, ausloten und blitzschnell so darauf reagieren, dass für die armen Eltern der größtmögliche Nachteil entsteht.

Ich unterstelle den kleinen Zwergen dabei (meistens) keine böse Absicht, wahrscheinlich sind sie nur einfach biologisch darauf gepeilt, zu jedem Zeitpunkt die absolute, ungeteilte, 150%ige Aufmerksamkeit ihrer Eltern für sich zu beanspruchen. Sehen sie diese auch nur für einen Sekundenbruchteil von ihnen abwandern, reagieren die kleinen Sonnenkönige einfach prompt und stellen so die natürliche Ordnung ihrer kleinen Welt wieder her. Wo hier die Musik spielt, sagen schließlich immer noch sie, das wär ja noch schöner!

Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Noah von Anfang an ein Meister im schlechten Timing war. „Schlecht“ bezieht sich in diesem Fall natürlich nur auf meine Sicht der Dinge, für ihn war das Timing wohl immer mehr als perfekt.

Anfangs fiel mir Noahs Talent zur Situationstorpedierung nur schleichend auf. Erst als sich am Esstisch, auf der Küchenanrichte, am Couchtisch, am Terrassentisch, am Fernsehbord, am Bücherregal, kurz gesagt so ziemlich auf jeder Abstellfläche im ganzen Haus, die Kaffeetassen stapelten, wurde mir klar, dass Noah gerade seinen eigenen Running Gag mit mir orchestrierte. Gerade in den ersten Monaten, als ich mir vor lauter Schlafmangel den Kaffee am liebsten intravenös gespritzt hätte, fing er ausnahmslos jedes Mal, wenn ich mir gerade eine frische, dampfende, duftende Tasse gemacht hatte, zu brüllen an.

Statt des ersten kostbaren Schusses Koffein also: Tasse auf der nächstbesten Ablagefläche abgestellt, zum Kind geeilt, Kaffee erst Stunden später kalt und schlierig wahlweise auf der Stereoanlage, am Nachttisch oder am Drucker wiedergefunden.

Kaum hatte Noah sein Talent erkannt, begann er sofort, es auf Profi-Niveau auszubauen. Sobald ich auch nur ansatzweise versuchte, mir statt der zerdrückten Schachtel Schokokekse zur Abwechslung mal die erste Gabel eines warmes Mittagessens in den Mund zu schieben, für drei Sekunden unter die Dusche zu hüpfen oder – Gott bewahre – kurz ein paar Minuten von „Germany’s Next Top Model“ zu erhaschen, erinnerte er mich lautstark daran, dass ich doch bitteschön meine Prioritäten schnellstens überdenken möge.

Also wieder: Mit eingeseiftem Kopf und Keks in der Hand Heidi Klum links liegen gelassen und zum Herrn des Hauses gesprintet. Ja, ich höre sie schon, die „Ein Kind muss man auch mal kurz schreien lassen!“-Zeigefingerschwinger.

Aber ganz ehrlich: Hattest du in den ersten Wochen diese Gelassenheit? Ich zumindest war weit davon entfernt, mir noch genüsslich ein Schaumbad einzulassen, während mein Sohn vor lauter Protest gerade mit seinem Gebrüll die Schallmauer durchbrach.

Außerdem hatte Noah ja nicht nur sein Lungenvolumen in der großen Baby-Trickkiste, sondern arbeitete zusätzlich mit vielen weiteren kleinen, perfiden Situationsbomben. So konnte ich zum Beispiel jedes Geld der Welt darauf verwetten, dass Noah an den zugegeben wenigen Tagen, die man in der Karenz wirklich pünktlich irgendwo sein musste, alles dafür tun würde, uns mit mindestens 10 Minuten Verspätung aus dem Haus zu bringen.

Für mich war das insofern eine völlig neue Erfahrung, da ich vor der Geburt meines Kindes ein krankhaft pünktlicher Mensch war. Ich weiß, ziemlich uncool, aber was will man machen! Mit Noah hatte ich jedoch plötzlich überhaupt kein Problem mehr damit, der letzte Stargast auf einer Party zu sein (dieses Beispiel ist rein theoretisch, für Partys war ich natürlich viel zu müde) oder mir wieder mal den letzten Parkplatz beim Kinderarzt wegschnappen zu lassen.

Kaum hatte ich nämlich Noahs sieben(hundert) Sachen verstaut, es geschafft, mich zumindest vollständig, wenn auch nicht fleckenfrei, zu bekleiden und den Autoschlüssel im Sandeimerchen zu finden, stieg mir wie das Amen im Gebet auf den letzten Metern zur Autotür ein untrüglicher Geruch in die Nase – wie sollte es auch anders sein, Noah hatte völlig unbeeindruckt von Mamas Stress, noch rechtzeitig zum Impftermin zu kommen, gepflegt einen in die Windel gesetzt… Also alles wieder rückwärts, Kind frisch gewickelt, neu angezogen und unter den bösen Blicken der Sprechstundenhilfe wieder mal zu spät beim Onkel Doktor eingelaufen.

Ebenfalls sehr beliebt war auch Noahs Kunststück „Schlaflos in PuchUrstein“, bei dem er ausnahmslos immer die Nacht zum Tag machte, wenn es für uns am Blödesten war. Der kleine Knilch konnte die gesamte Woche selig durchschlummern, doch kaum bekam er durch seine übersinnlichen Baby-Antennen Wind davon, dass Mama und Papa morgen mal zur Abwechslung beide arbeiten gehen mussten, schaltete er auf Party-Nacht-Programm. Da halfen keine Gute-Nacht-Gebete und kein hingebungsvoller Regentanz zum großen Baby-Gott: Kaum hatte man den Gedanken „Hoffentlich schläft er heute halbwegs, morgen hab ich doch gleich um 08.00 Uhr diesen unglaublich wichtigen Termin!“ auch nur halb durch seine Gehirnwindungen gelassen, saß man auch schon stündlich mit drei Schnullern bewaffnet an Juniors Gitterbett und versuchte ihn vergeblich davon zu überzeugen, dass jetzt sicher nicht die beste Zeit war, mit dem gelben Kipplaster zu spielen.

Während man selbst dann um 08.00 Uhr (bzw. 08.20 Uhr, vergessen wir nicht die vollgekackte Windel!) also mit Augenringen wie ein Gothic-Zombie seine Geschäftskollegen erschreckte und sich nur fragte, wie man den Tag überstehen sollte, ohne komatös mit dem Kopf voran in den Kopierer zu kippen, schlief Noah zu Hause bei Oma den ganzen Vormittag selig vor sich hin, damit er nachts auch wieder richtig schön fit für Mama und Papa war.

Mittlerweile habe ich mehr oder weniger aufgehört, mir überhaupt zu wünschen, dass Noah eine bestimmte Sache jetzt doch bitte unbedingt/auf keinen Fall machen soll. Denn sobald ich auch nur denke „Hoffentlich kotzt er jetzt nicht, ich bin doch schon fürs Vorstellungsgespräch angezogen“ oder mir wünsche, dass er sich doch nicht gerade jetzt auf der Stiege umdrehen möge, weil mein Go-Go-Gadgeto-Arm ihn leider unmöglich erreichen kann, bevor sein kleiner Sturkopf mit dem Wohnzimmerboden kollidiert, ist genau das auch schon passiert. Wir müssen es einfach einsehen: Mit ihrem sechsten Babysinn sind uns die kleinen Diktatoren einfach haushoch überlegen. Das ist, als müsste man einem Schachcomputer die Windeln wechseln. Oder so.

Dienstag, 20. Oktober 2015

Spielen bis der Arzt kommt

Wenn meine Tochter ankommt und mich mit großen Augen fragt „Mamaaa, spielst du mit mir?“, dann hat das ungefähr dieselbe Wirkung auf mich wie die Frage meines Frauenarztes, ob er noch schnell einen Abstrich machen soll. Oder die des Reisebüros, ob ich zur völlig überteuerten Buchung nicht auch noch eine saftige Stornoversicherung nehmen möchte. Eigentlich will man unbedingt entschieden „Nein!!“ rufen, traut sich aber aus Pflichtgefühl oder schlechtem Gewissen dann doch nicht, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Das arme Kind! Da ist es ja ohnehin schon bis 15.00 Uhr im Kindergarten und wenn wir endlich gemeinsam heimkommen, will die Mama nix lieber als die Latschen von den Hufen streifen, selbige hochlegen und endlich mal in Ruhe einen Tee und den neuesten Klatsch auf woman.at genießen – sowas von egoistisch aber auch!

Kaum hat man aber die Einkaufstasche, die Handtasche, den Laptop, den Kindergarten-Rucksack samt 12 obligatorischen täglichen Bastelergüssen (bzw. Fehlversuchen), die Post, den Schlüssel, die Skihose und acht Lieblingskuscheltiere in den Hauseingang verfrachtet, die dringenden Wünsche nach einem oder mehreren Stücken „Kuhschokolade“ und „Safti“ befriedigt, das Frühstücksgeschirr in den Geschirrspüler geworfen (wörtlich) und, ach ja, die eigene Jacke ausgezogen, nachdem man die im ganzen Haus verstreuten Strumpfhosen, Prinzessinnenkronen und und und an ihren ihnen ursprünglichen Platz befördert hat, kommt unweigerlich eingangs erwähnte, durch professionellen Bambi-Blick unterstrichene Frage.

Während ich noch den matten Versuch starte, mit „Wollen wir was malen?“ das Ruder herumzureißen (meist merkt sie erst nach 10 Minuten, dass ich ein wenig zu lange die vielen Farben bewundere, während ich mit einer Tasse Tee in der Hand verstohlen auf meinen Laptopbildschirm luge, ohne einen Strich zu zeichnen), schafft sie schon die gefürchteten Hürden heran. Es ist wieder mal Zeit Pferd zu spielen – da hilft alles nix, da muss ich durch.

Seit sich meine Tochter auf zwei Beinen halten kann, laufen mein Mann und ich auf vier, als Pferd nämlich. Wir stehen im Stall, bekommen vorgekaute Karotten und Apfelstückchen serviert, werden mit der Wurzelbürste traktiert, galoppieren (mittlerweile mit Knieschützern) durchs Haus, springen über Hürden und manchmal auch gern aus dem Fenster. Alle Versuche, meine Tochter auf Lego, Barbie & Co umzuprogrammieren, hatten nur mäßigen, eher kurzfristigen Erfolg. Am Ende stehen wir doch wieder abwechselnd, manchmal auch gemeinsam, im Stall der „bösen“ Bäuerin oder der Peitsche schwingenden Prinzessin. Unser einziger Ausweg bietet sich uns, wenn die von unserer rabiaten Pferdeflüsterin noch nicht vollends eingeschüchterten Nachbarskinder vorsichtig vorbeischauen und prompt an unserer Stelle beim nächsten Reitturnier starten oder als Pegasus über die Hecke hüpfen müssen, alles unter Androhung von Hieben, natürlich.

Manchmal frage ich mich, ob unsere Eltern auch so mit uns gespielt haben. Ich kann mich sehr gut an meine Kindheit erinnern und wenn Papa mal das Pferd war, dann höchstens für gefühlte fünf Minuten und das nur wenn er mal richtig gut drauf war. Mama wäre nie am Boden herumgeturnt, da bin ich sicher! Wir spielten in meiner Erinnerung entweder draußen oder mit unseren Geschwistern. Dass mal jemand einen verfärben Mehlklumpen auf den Tisch warf und behauptete, es wäre Plastilin oder ein stumpfes Messer zum Schnitzen entbehrte, war eher die Ausnahme. Warum um alles in der Welt bin ich dann immer das Pferd??! Wo genau habe ich den falschen Weg in Sachen elternverträglicher Spielpädagogik eingeschlagen?

Generell bin ich viel zu anfällig für spielwütige Kinder und deren Attacken. Befinde ich mich zum Bespiel gemeinsam mit anderen Müttern an (für mich eher: in) der Sandkiste im Spielplatz, bin sicher ich diejenige, die sich inmitten einer zehnköpfigen Horde Dreijähriger wiederfindet und in lautstarker Teamarbeit einen Kuchen backen lässt, während sie im Akkord „Mehl, Milch, Eier, Butter,..“ kommandiert bis die Nachtigall singt.
Es ist auch schon vorgekommen, dass ich als Hexe verkleidet zwanzig Minuten unterm staubigen Bett ausharrte, weil ich vom bösen Krokodil und der bezaubernden Prinzessin einfach vergessen wurde, die sich stattdessen einfach vor den Fernseher gesetzt hatten.

Eine Geschichte setzt dem Ganzen aber die Krone auf: Nie werde ich das Gesicht unserer Vermieterin (Gott habe den Drachen selig!) vergessen, die wie so oft unangekündigt durch unsere im Sommer unerträglich heiße Wohnung marschierte und dort meinen Mann und mich mit angelegtem Zaumzeug unter dem Tisch grasend vorfand – und das wegen der Hitze zu allem Überfluss auch noch spärlich bekleidet...

Sonntag, 11. Oktober 2015

Karussell

Jeder Tag ein neuer Schritt, ein neuer Blick
Jede Stunde ein neuer Schmerz, ein neues Glück

Mal denk ich, ich kenn dich und hab dich durchschaut
Dann drehst du dich um und nichts ist vertraut
Hast tausend Gesichter und findest erst deins
Oft gibt’s tausend Worte, doch keines ist meins

Dich kennen zu lernen, ein grelles Karussell
Mal aussichtslos langsam, mal gnadenlos schnell
So viele Leute, geliebt und vermisst
Doch keiner war spannend wie du es jetzt bist


Montag, 21. September 2015

Darf's ein bisschen mehr sein?

Man kann nicht einfach nur EIN Kind haben. Kaum ist der kleine Pupser aus der Bäuerchen-Phase raus, geht‘s los mit der Fragerei nach dem zweiten. Und ich kann nur sagen: Als es ganz am Anfang mit unserem Herzchen endlich subtil bergauf ging (das heißt, sie auch mal 10 Minuten lang einfach nur daliegen konnte, ohne dabei gewippt zu werden oder sich die Seele aus dem Leib zu brüllen), hätte ich mich eher dem Teufel verschrieben als an Reproduktion Nummer 2 zu denken. Fragen nach dem zweiten Kind lehnte ich damals also einfach dankend ab.

Je mehr Zeit aber vergeht, desto mehr komme ich in Erklärungsnot. Das geht so weit, dass ich mir aus reinem Selbsterhaltungstrieb ein paar Standardfloskeln zurechtgelegt hab, die ich bei jeder dahingehenden Frage aus der Hüfte schieße: „Wir haben jetzt genug mit dem Hausbau um die Ohren…“, „Finanziell wäre das jetzt der Supergau!“, „Wir sind total happy, so wie‘s ist und wollen nix dran ändern“.

Aber so richtig wollen diese ausgeklügelten Argumente bei meinem Gegenüber – egal ob Freundin oder entfernter Bekannter – nicht fruchten. Da kommt dann sowas zurück wie: „Aber hast du nicht auch zwei Schwestern, was würdest du denn ohne die beiden tun?“ (absolutes Killerargument) oder, fast noch schlimmer: „Naja, es soll ja auch Einzelkinder geben, die glücklich werden…“

Was also sagen, wenn man zwar fast jeden Tag darüber nachdenkt, ob man ein zweites Kind möchte, aber jedes Mal aufs Neue zu dem Schluss kommt, dass dem einfach nicht so ist? Irgendwie scheint keine Erklärung auf Verständnis zu stoßen, auf wahres echtes Verständnis, das nicht im Prinzip eigentlich sagen wollte „Na, das wird schon noch kommen!“

Aber es ist nun mal so, dass ich wirklich keine Ahnung habe, wie ich meine Karriere (wenn man sie überhaupt noch so nennen kann) wieder in den Griff bekommen soll, wenn ich jetzt schon wieder eine businesstechnische Vollbremsung einlege. Dass ich meinen Lebensstandard tatsächlich erheblich herunterschrauben müsste für einen zweiten Blut- äh, pardon Milchsauger. Dass ich jetzt schon oft kaum mehr weiß, wo mir der Kopf steht.

Und ja, ich kann mir im Moment nicht vorstellen, das alles noch einmal durchzumachen, noch dazu mit der Verantwortung, dass es da jetzt ja auch noch gleichzeitig Nachfolger Nummer 1 gibt, der seine Ansprüche geltend macht. Ich kann mir nicht vorstellen, nachts wieder alle 10 Minuten geweckt zu werden und zu Gott zu beten, er möge diesen Kelch an mir vorüber gehen lassen.

Ich kann mir nicht vorstellen, nochmal mit starken Blutungen geschlagene zwei Stunden im Krankenhaus auf eine Untersuchung zu warten, bei der mir gesagt wird, dass es eventuell nix wird. Ich kann mir nicht vorstellen, eventuell ein Kind zu verlieren. Ich kann mir so vieles nicht vorstellen!

Natürlich wäre es nett, am Ende meiner Tage zwei Kinder an meinem Sterbebett wachen zu sehen, aber wie mein Mann so treffend meinte: „Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Geschwister untereinander oder mit dir ein Leben lang vertragen.“

Was soll ich also sagen: Mein Kind, mein über alles geliebtes Kind, komplettiert uns. Es ist das größte Geschenk – daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich noch ein Geschenk bekommen würde. Es ist schon gut, so wie es ist. Es ist schon groß, Freude, Liebe, eine Naturgewalt. Muss ich alles noch größer, besser, lieber machen, nur weil ich es kann?

Freitag, 11. September 2015

Cranio was?!

Als mir meine Stillberaterin im Krankenhaus riet, mit meiner Tochter zur Cranio-Sacral zu gehen, dachte ich zunächst: Jetzt schlägt‘s aber dreizehn! Nicht genug damit, dass ich mich auf ihren nicht allzu sanften Druck hin unfreiwillig der internationalen Stillliga angeschlossen hatte, für die das Stillen sozusagen der „heilige Gral“ unser aller Existenzen ist, jetzt wollte sie auch noch mein kleines, süßes, zugegebenermaßen etwas zum Drama neigende Baby einer Sekte zuführen?!

Nachdem ich allerdings kurz Wikipedia befragt hatte, mir gegen das Perma-Schreien meiner Zuckermaus auch nichts Besseres einfiel und es vor allem nach der Geburt ohnehin so viel Wachzeit wie möglich totzuschlagen galt, vereinbarte ich einen Termin bei einer Expertin für diese... nennen wir es mal einfachheitshalber „Berührungstherapie“. So manches Kind soll ja durch dieses Handauflegen wie durch ein Wunder schon von allerlei Leiden, Pest und Krätze befreit worden sein. All jenen sei gesagt, dass mich das ehrlich freut! Bei meiner ersten und letzten derartigen Sitzung (oder sagt man Séance?) dagegen kam ich mir eher vor wie im falschen Film.

Es begann schon damit, dass im Wartebereich ein Bub mit hässlichen, eitrigen Pusteln im Gesicht mit Genuss wirklich jedes vorhandene Spielzeug abschleckte, das sich in der ramponierten Kiste entdecken ließ. Gott sei Dank war meine Tochter noch nicht in einem Alter, in dem sie das unbedingt nachmachen wollte. Wir wurden also aufgerufen und die Begrüßung fiel noch nett aus. Als mein Baby aber auf das lieb gemeinte „Gutzi, gutzi, gutzi!“ der Expertin nicht aufhören wollte zu flennen, meinte diese entschieden: „Naja, so kann ich aber nicht arbeiten!"

Ich entgegnete darauf fast schon entschuldigend: „Naja, wegen dem dauernden Jammern bin ich ja hier?!“ Irgendwie schien die gute Frau es dann doch nicht übers Herz zu bringen, uns auf direktem Wege wieder rauszuwerfen und zitierte uns stattdessen zu einer Liege, auf die ich die Kleine legen sollte.

Erst mal aus der Tragetasche genommen und meinem permanenten Wippen entzogen, begann aber ihr Heulkrampf natürlich erst recht. Mit einem tiefen Seufzer, der wohl die irrsinnige Zumutung dieser Aktion zum Ausdruck bringen sollte, machte sich die Expertin dennoch tapfer ans Werk und legte meiner Tochter die Hand auf die Brust. Wer in dem Moment gebannt auf ein Wunder gehofft hatte (also ich), wurde leider enttäuscht.

Mein Kind so laut brüllen zu hören, war selbst für mein bereits mit Hornhaut überzogenes Trommelfell ein Grenzgang. Noch lauter wollte allerdings ich schreien, als Madame Cranio sich anschickte, eine gerade frisch mit Pustel-Bub-Spucke lackierte Rassel aus dem Wartebereich in den Mund meines Kindes zu befördern, was immer sie damit auch bezwecken wollte. Dank guter Kinderstube hielt ich mich jedoch gerade noch zurück.

„Können Sie Ihr Kind denn nicht beruhigen?“ kam darauf noch ein Versuch der Frau Diplom-Cranio. Ich, nun schon etwas trotzig: „Wenn das so einfach wäre, würde ich Ihre werte Geduld heute nicht so überstrapazieren!“. „Sie muss ruhig liegen“, meinte mein Gegenüber. Ich: „Ruhig ist sie nur, wenn sie schläft oder an meiner Brust nuckelt“. Sie: „Ich nehme an, wir bringen das Kind jetzt nicht zum Schlafen!“

Ich genervt: „Das sehen Sie richtig!“ Sie, etwas lauter als nötig: „Um Gottes Willen, dann stillen Sie!“ Da ich im Begriff war, der guten Frau (man könnte auch sagen: dem Drachen) 120 Euro in den Rachen zu schieben, ließ ich es auf diesen letzten Versuch ankommen, obwohl mir schlagartig klar wurde, warum mir die fanatische Stillberaterin ausgerechnet diese Cranio-Expertin empfohlen hatte.

Während meine Tochter also sicher schon zum zehnten Mal an diesem Tag die Molkerei bemühte, fummelte die Expertin am Köpfchen meines Babys und an meinem Busen herum. Nach etwa fünf Minuten war der ganze Spuk vorbei und damit auch meine letzte Hoffnung auf eine Heilung à la „Das Wunder von Lourdes“ gestorben. Das dürfte ich mir auch nicht erwarten, meinte die gute Frau, denn dazu müsste ich noch etwa fünf bis sechs Mal wiederkommen.

„Bestimmt!“ dachte ich bei mir und erklärte auf ihre tatsächlich ernst gemeinte Frage nach dem nächsten Termin nur noch mit einem gequälten Zwinkern: „Wissen Sie was, wir rufen Sie an! Kann sein, dass nicht nur mein Baby, sondern auch mein Bedarf schon gestillt ist!“.

Beinahe hätte ich durch dieses Erlebnis den Glauben an die Alternativmedizin im Allgemeinen verloren, hätte nicht ein paar Monate später unser Kinderarzt durch ein paar gezielte osteopathische Handgriffe eine Haltungsanomalie meiner Tochter quasi im Vorbeigehen geheilt. Scheint wohl wie überall ein paar schwarze Schafe/böse Drachen zu geben. Hilft‘s nix, schad‘s nix, würd meine Oma sagen, vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld für sowas.

Dienstag, 1. September 2015

Willkommen im Mütter-Bootcamp

Meine ersten Tage als frisch gebackene Mutter hatte ich mir sicher nicht vorgestellt wie eine Woche Wellness-Urlaub. Mir war durchaus bewusst, dass so ein öffentliches Krankenhaus nun mal nicht das Ritz ist und die Geburtenstation nicht das Fun Camp Babyhausen. Aber dass ich die ersten Tage nach der Geburt so dermaßen schrecklich finden würde, hätte ich mir vorher echt nicht träumen lassen!

Dass die Geburt selbst kein grenzenloser Partyspaß werden würde, war mir klar. Aber die Fotos, die ich von frisch gebackenen Mamas aus Film und Fernsehen kannte, stimmten mich doch durchaus zuversichtlich. Verschwitzt und ein kleines bisschen müde, so als hätten sie gerade aber wirklich ganz, ganz knapp noch den Bus erwischt, lagen die frisch gebackenen Mamis da milde lächelnd im Kreißsaal, den Freudentränen vergießenden Vater neben sich, das zuckersüße, schlafende Kind auf der prall gefüllten Brust und waren vor allem eines: rosig und glücklich.

Als ich nach meinem ungeplanten Kaiserschnitt aus der Vollnarkose erwachte, sah ich leider etwas anders aus: Mit Stützstrümpfen und Netzunterhose, durch einen Blasenkatheter ans Bett gefesselt und mit einem Teint, der jede Hausmauer neben mir frisch und munter aussehen ließ – ja, ich fühlte mich so richtig sexy. Abgesehen davon, dass Heidi Klum wohl in den ersten Tagen eher leider kein Foto für mich gehabt hätte, machten mir andere Dinge viel größere Sorgen. Wo blieb verdammt noch mal die große Baby-Euphorie, die man mir versprochen hatte?! Vonwegen „Ist der Kleine erst mal da, wirst du alles sofort vergessen haben!“

Wenn ich ehrlich zu mir war, ging es mir stattdessen von der Narkose einfach nur beschissen. Mein Bauch tat weh, der Kopf dröhnte, die Infusionsnadel brannte und ich wollte einfach nur eines: schlafen, am liebsten drei Tage am Stück. Allerdings war da ja plötzlich noch ein kleiner jemand, der seine Mama voll funktionstüchtig bestellt hatte: Das klitzekleine Baby, von dem man mir glaubhaft versicherte, dass es meines sei (nach so einer Vollnarkose könnten sie einem ja rein theoretisch alles unterjubeln). Also hieß es wohl Augen zu und durch – oder in meinem Fall eher: Augen auf und durch, alles andere wär ja viel zu schön gewesen!

Abgesehen davon, dass ich zugegebenermaßen ein wehleidiger Jammerlappen bin, waren die Rahmenbedingungen für einen energiegeladenen Start ins Supermami-Leben aber auch wirklich nicht gerade die motivierendsten. Der ganz normale Krankenhaus-Wahnsinn startete jeden Tag um 06.00 Uhr mit der ersten Visite – oder halt, das stimmt so eigentlich nicht. Im Prinzip startete der Tag um 22.10 Uhr des Vortages, als das erste Baby in meinem multikulturellen Dreibettzimmer lautstark nach seinem vorgezogenen Mitternachtssnack verlangte. Der weitere grobe Zeitplan, bis die Sonne wieder dämmrig am Horizont erschien, sah dann in etwa so aus: 22.45 Uhr: Baby 1 ist fertig gestillt und endlich eingeschlafen, Baby 2 nimmt das zum Anlass, jetzt ebenfalls Hunger zu bekommen und das nicht gerade leise kundzutun. 22.50 Uhr: Alle drei Babys schreien, weil sie bei dem Lärm nicht schlafen können. 23.30 Uhr: Alle Babys werden power-gestillt, herumgetragen oder mit der Flasche abgefüllt, um endlich einen Grad allgemeiner Zufriedenheit zu erreichen. 00.00 Uhr: Baby 2 hat lautstark in die Windel gepfeffert, seine Mama benötigt 30 Minuten, um ihm bei voller Discobeleuchtung das Meconium aus dem Genick zu kratzen. 00.40 Uhr: Ein Wunder, alle Kinder schlafen! Auftritt Nachtkrankenschwester: „Frau Holzer, bitte wachen Sie kurz auf, wir haben vergessen, Ihnen gestern noch Ihr Abführmittel zu geben, das muss nach so einer Operation wirklich sein!“. 01.15 Uhr: Aus dem Nebenbett klingen aus vollem Halse bosnische Wiegenlieder zu mir herüber. 02.05 Uhr: Mutter 3 telefoniert gaaaanz leise mit ihrem Mann, der zu Hause gerade auf Wikipedia die besten Still-Tipps recherchiert hat. 02.50 Uhr: Allgemeiner Weltschmerz bei allen Babys. Stillen, herumtragen, Haare raufen. 03.30 Uhr: Das Abführmittel zeigt Wirkung. 04.05 Uhr: Mama 1 fängt so laut zu schnarchen an, dass Baby 3 aufwacht. 04.50 Uhr: Mama 2 klingelt nach der Schwester, weil das Baby nur bei einer Brust trinken will. 05.20 Uhr: Bei Mama 3 fließen zum ersten Mal die Tränen und sie schwört, dass Baby 3 garantiert ein Einzelkind bleibt. 06.00 Uhr: Guten Morgen, liebe Mamas, hier kommt die Morgenvisite!

Ehrlich gesagt wundert es mich, dass die Delegationsabgesandten der Morgenvisite nicht regelmäßig mit faulen Eiern bzw. vollen Windeln beworfen wurden, wenn sie gefühlte 5 Minuten, nachdem endlich wie durch ein Wunder alle Kinder und Mütter eingeschlafen waren, gut gelaunt und mit einem Liedchen auf den Lippen (kein Wunder, sie hatten ja bestimmt die ganze Nacht lang herrlich geschlafen…!) flott die Vorhänge auf und jeder Mama reihum die Netzunterhose herunterrissen, um sich über den neuesten Stand von Dammrissen, Kaiserschnittnarben und Mamis Cellulite zu informieren. Frisch und fröhlich inspizierte da das versammelte Ärzteteam, wie viel Blut genau sich da in deiner Surfbrett-Binde angesammelt hatte, obwohl sie das genauso gut an der Tatsache ablesen hätten können, dass dein Bett an dem Tag schon drei Mal frisch überzogen werden musste. Wie glamourös kann ein Tag überhaupt beginnen?!

Nachdem alle Mütter, Kinder und wichtigen Anliegen („Frau Holzer, waren Sie schon groß am Klo?“) erledigt waren, ging’s heiter weiter in den Frühstücksraum. Neidisch schielte ich auf meine Zimmerkolleginnen ohne Kaiserschnitt, die im Vergleich zu mir scheinbar wie ein junges Reh aus dem Bett hüpften, während ich beide Hände fest gegen meine Narbe pressen und mir gleichzeitig höllisch auf die Lippen beißen musste, um nicht laut loszufluchen. Verdammt noch mal, tat das weh! Hieß es nicht immer, dass man sich mit einem Kaiserschnitt alle Schmerzen ersparte?!

Der Fairness halber muss man meinen Zimmerkolleginnen zugestehen, dass sie in Wirklichkeit wahrscheinlich genauso wenig Spaß an der Sache verspürten wie ich. Aus gesicherter Quelle habe ich mir berichten lassen, dass man auch nach einer normalen Geburt (wenn man in diesem Zusammenhang wirklich jemals von „normal“ sprechen kann…!) nicht schallend darüber lachen kann, tagelang Eis-Akkus zwischen den Beinen zu haben, weil alles so geschwollen ist, dass es aussieht, als hätte man Hoden (die natürlich auch vor versammelten Zimmerkollegen samt erweiterter Verwandtschaft gern vom Ärzteteam diskutiert werden).
Nichtsdestotrotz sahen die Nicht-Kaiserschnittler in ihren Jogginghosen und Stilltops für mich in dem Moment beneidenswert fit aus, während ich im Krankenhausnachthemd und Bademantel wie eine 80-Jährige nach draußen schlurfte, nur gestützt durch die orange Plastikschale auf Rädern, mit der ich Noah durch die Gegend schieben konnte. Nach gefühlten Stunden endlich im Frühstücksraum angekommen, wartete dort bereits die nächste Challenge auf mich.

Wie bei IKEA waren die Tabletts mit dem jeweiligen Frühstück auf Rollwägen gestapelt, jeweils mit einem Namensschildchen versehen. Glaubt mir, ich habe wirklich gebetet, dass mein Name ganz weit oben zu lesen sein möge, aber nein, da stand er groß am alleruntersten Tablett. Und jetzt probier mal, mit einer frischen Kaiserschnittnarbe ganz tief in die Knie zu gehen – da vergeht dir schnell der Appetit aufs Krankenhaus-Butterbrot!

Die Kniebeugen beim Frühstück waren aber nur die Spitze des Eisbergs meiner allgemeinen Überforderung. Katastrophenhumor schön und gut, aber nach drei Tagen absolutem Schlafentzug und dem Gefühl völliger Neo-Mami-Hilflosigkeit (Hatten nicht alle gesagt, ich würde sofort instinktiv wissen, was zu tun sei, wenn das Baby erst mal da war?? Warum brüllte es dann bei mir wie am Spieß, während es sofort selig einschlummerte, sobald es die Schwester auf den Arm nahm??) konnte ich das alles nicht mehr lustig finden.
Ich wollte nach Hause, ich wollte mein Bett, ich wollte meine Ruhe, meinen Mann, meine Schokolade, meinen Fernseher, mein altes Leben zurück. Stattdessen war ich scheinbar auf ewig in diesem schrecklichen Mütter-Bootcamp gefangen!

Viele der Schwestern waren wirklich unglaublich lieb, einige kamen mir aber eher vor wie Oberfeldwebel Schreimichan, der mir im Befehlston entgegenbrüllte, dass ich mich gefälligst ein wenig mehr zusammenreißen sollte. Sicher, ich stellte immer wieder die gleichen Fragen, ja, ich erdreistete mich, um Hilfe beim Anziehen des Stützstrumpfs zu bitten und ich fragte auch noch am dritten Tag, ob sie mir Noahs Fläschchen nachts bitte ins Zimmer bringen könnten – aber ganz ehrlich, um 03.00 Uhr früh mit einem Säugling im Arm den Gang bis zur Milchküche entlangzuschlurfen kam mir die ersten Nächte vor wie ein unüberwindbarer, unendlich langer Stützstrumpf-Marathon. Davon wollte meine Lieblingsschwester allerdings nichts wissen: „Was glaubens denn? Das macht ja Zuhause dann auch keiner für Sie! Wenn Sie sich nicht ein bissl mehr zamreissen, könnens sicher nicht nach einer Woche heimgehen! Und jetzt machens gfälligst 500 Liegestütz!“ (Ok, das letzte habe ich mir vielleicht nur situationsbedingt dazu gedacht…) Und auch wenn ich die Frau in dem Moment dafür hasste, im Prinzip hatte sie mir mit ihrem Zusammenschiss die gerade die größtmögliche Motivation geliefert: Ich sollte nicht nach Hause dürfen?!! Aber hallo!

Also schaltete ich kurzerhand auf volles Schauspielprogramm: Kaum war eine Schwester in der Nähe, setzte ich ein seliges Grinsen auf, ging etwas schneller über den Flur, erzählte jedem, der es hören wollte, wie prima alles lief. Dass mir in Wahrheit jeder Knochen im Leib wehtat und ich mich am liebsten heulend im Klo eingesperrt hätte, versuchte ich nach außen hin gekonnt zu überspielen. Und als endlich, endlich der Tag gekommen war, an dem ich mein kleines Baby stolz im Maxi Cosi aus dem Krankenhaus tragen durfte, wusste ich zumindest eines mit Sicherheit: Sollte ich irgendwann ins Abnehm-Bootcamp müssen, weil ich die Schwangerschaftspfunde nicht mehr loswurde, würde das ein Klacks für mich werden!

Mittwoch, 29. Juli 2015

Warum niemand gern mit Müttern essen geht

Wenn man den größten Teil des Tages allein mit einem Baby verbringt, wird man gelinde gesagt etwas wunderlich. Im Prinzip ist es nicht viel anders als bei Tom Hanks und seinem Volleyball in „Castaway“, nur dass der Volleyball im Gegensatz zu einem Kleinkind angenehm unmobil und brüllarm war.

So lange man mit den lieben Kleinen alleine ist, ist das noch nicht weiter schlimm, schließlich wissen die Zwerge ja noch nicht, dass es nicht sozial akzeptiert ist, den ganzen Tag laut Selbstgespräche zu führen und zwischendurch immer mal wieder wie ein Tourette-Kranker „Guckuck, ja guckuck, Schatzi!“ in den Raum zu rufen. Bedenklich wird es erst, wenn man sich ausnahmsweise mal ohne Kind unter erwachsene Menschen mischt, sich aber trotzdem weiter so benimmt, als wäre der kleine Fratz dabei.

Das geschulte Auge erkennt solche Mamis-Allein-im-Restaurant bereits daran, dass sie ihr Essen trotz abwesendem Kind innerhalb von fünf Sekunden in sich hineinschaufeln oder aus der Handtasche statt der Geldbörse eine rote Rassel ziehen. Unangenehmer wird es schon, wenn man bei solchen Ausflügen in die wirkliche Welt aus lauter Gewohnheit zum Beispiel vergisst, im Restaurant die Klotür nicht wie zu Hause weit offen stehen zu lassen. Das deutlichste Anzeichen für hochgradigen Babywahnsinn sind jedoch leider die vollkommen stumpfsinnigen Dinge, die man ungewollt die ganze Zeit von sich gibt.

Fällt jemandem am Tisch etwas hinunter, ruft man laut „Bummstinazl!“, muss jemand niesen oder husten, gurrt man reflexartig „Hatschi, hatschi!“ oder „Kutz, kutz, kutz!“. Leider beschränken sich die geistigen Ausfälle aber nicht nur auf kurze Zwischenrufe, sondern dehnen sich oft auf ganze Gesprächspassagen aus. So tendiert man als frisch gebackene Mama gern dazu, generell in seltsam süßlich-hoher Stimme zu sprechen, alles zu wiederholen und jeden Satz mit der Frage „Gell? Sollen wir das machen?“ zu beenden.

Sollten Sie mich also irgendwann im Restaurant dabei beobachten, wie ich mich hinsetze, mir oder jemand anderem am Tisch eine Spuckwindel umbinde und dann zur Kellnerin sage „Guckuck, ja bringst du mir ein Schnitzi, bitte? Neinnein, niiiicht das vom Schweindi, oinkoink, das vom Pipihenderl, gell? Sollen wir das machen?!“, dann rufen Sie doch einfach ganz still und leise für mich die Herren mit der weißen Jacke. Danke.

Donnerstag, 9. Juli 2015

It's Super Mom!

Könnt ihr euch noch an unseren Artikel zum Super Mom Moment erinnern? Die wunderbare Julia Gebhardt hat sich davon zu dieser superheldastischen Illu inspirieren lassen - speziell für alle Super Moms da draußen!


Mittwoch, 1. Juli 2015

Streng hygienisch

Ich möchte hier mal ein Plädoyer für die Hygiene halten. Ich mag Hygiene. Oder etwas moderner: Hygiene, I like! Ich habe zwar gelernt, dass das ständige Desinfizieren der Hände zur Folge hat, dass die natürliche Schutzschicht der Haut verloren geht, dennoch finde ich es durchaus angebracht und keineswegs übertrieben, die Türklinke unseres Unisex-Büroklos nur mit einem Papiertuch anzufassen. Besonders wenn ich höre, dass aus der anderen Kabine jemand kommt, der aus akuter Eile oder Gewohnheit nicht den Wasserhahn betätigt, obwohl er nach einer offensichtlich längeren Sitzung (ich muss es wissen, da ich ja selbst gerade im Kopf eine 34-seitige Präsentation auf der mit drei Lagen Klopapier ausgelegten Klobrille rezitiere) auf gut Deutsch gerade „einen abgeseilt“ hat.

Umso erstaunlicher ist es, dass ich quasi mit Geburt meiner Tochter alle international anerkannten Regeln und guten Vorsätze der Hygiene über Bord warf – wie so viele andere Mütter auch. Ein Beispiel: Bevor ich mit meiner Tochter niederkam, war ich fest entschlossen, ihren Schnuller jedes Mal, wenn er auf den Boden fiel oder sie ihn wie so oft zum Spaß durch die Gegend spuckte, in den Vaporisator zu stecken. Trotz einer ansehnlichen Batterie an Ersatz-Schnullern in der Wickeltasche, Hosentasche, Manteltasche und quasi jeder noch so kleinen Öffnung meines Outfits (plus unter den Achseln), gelang es mir allerdings nicht, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Zunächst suchte ich noch nach dem nächsten Wasserhahn, nach ein paar Wochen aber gab ich endgültig auf und infizierte meine Tochter aus reinem Selbstschutz mit dem Karies der eigenen Spucke, indem ich das grausige Ding einfach selbst abschleckte.

Gott sei Dank habe ich übrigens erst nach der Schwangerschaft erfahren, dass Karies durch Spucke übertragen wird. Das Wissen über die genaue Herkunft der fiesen Bakterien-Monster aus der Colgate-Werbung hat mir nämlich das Küssen mit meinem Mann irgendwie ein für allemal auch in den leidenschaftlichsten Momenten versaut! Ich überlege insgeheim immer noch, deswegen Klage einzureichen. Wenn Karies nämlich wirklich vor allem durch Speichel übertragen wird, sollte das ganz oben im Lehrplan im Biologieunterricht stehen! Dann hätte ich nämlich in meiner Jugend bestimmt nicht mit so vielen Typen arglos nur zum Spaß geknutscht! Mein Zahnarzt könnte sich dann vielleicht heute auch nicht dank mir und meiner Keramik-Füllungen ausgedehnte Ferien auf den Bahamas leisten, hrmpf!

Anderes Beispiel: Hatten wir uns nicht alle geschworen, nicht so zu werden wie unsere Mütter, die sich einfach den Daumen abschleckten, um uns die Schoki von der Backe zu kratzen? Na, haben Sie‘s geschafft?? Eben!

Oder: Was genau tun Sie, wenn Sie mit ihrer Tochter bei Schneesturm mit dem Auto unterwegs sind und sie just in dem Moment, als Frau Holle den sechsten Gang einlegt, dringend das Bedürfnis äußert, ihre Notdurft zu verrichten? Ich für meinen Teil fahre dann irgendwo ran, ziehe der Kleinen mit geübtem Griff die Hose runter und kommandiere: „Los, jetzt oder nie!“. So weit, so gut, es hätte auch schlimmer, sprich „groß“, kommen können. Blöd nur, wenn die kleine Prinzessin dann unter Tränen bettelt „Aber Mama bitte nicht Hosi nass machen!“ und natürlich die Taschentücher (falls überhaupt vorhanden) ganz weit hinten im Handschuhfach (das noch dazu beizeiten klemmt) liegen. Ja, ich gestehe, ich versuche dann – wenn  auch unter innerem Protest meines früheren Ichs – die  unvermeidlichen Resttropfen mit einer schnellen Handbewegung zu entfernen. Und jajaja, ich greife dann anschließend brav in den frischen Pulverschnee, um mich notdürftig zu säubern, aber wenn zuhause dann der Postbote vor der Tür steht und mir partout per Handschlag ein frohes neues Jahr wünschen möchte, sag ich auch nicht nein!

Mathematisch betrachtet steigt der Sauberkeitsverlust anscheinend direkt proportional zu der Anzahl der Kinder wie mir eine befreundete Dreifach-Mutter einst am Spielplatz verriet: Beim ersten Kind wischt man dem Kind noch die Hand ab, wenn es im Sandkasten das dreckige Fäustchen in den Mund steckt. Bei zweiten schaut man einfach weg, als wär nix. Beim dritten fragt man sich insgeheim, ob man am Abend überhaupt noch kochen soll.

Scheinbar geht einem als Mutter im Laufe der Kindererziehung aber nicht nur jegliches Gefühl für Hygiene verloren, sondern auch jedwedes Schamgefühl. Ich sage nur: offene Klotür! Am Anfang kann man sich ja noch damit rechtfertigen, dass man bei geschlossenem Lokus überhören könnte, wenn das Kind schreit (als wäre das bei der Dezibelstärke – des Kindes meine ich! – überhaupt möglich…), aber spätestens wenn einem das eigene Kind eifrig zuruft „Weiterdrücken, Mama, ich seh‘s schon kommen, braaavvvve Mammmmaaa!“, weiß man, dass man auch sein letztes, heiliges bisschen Intimität verloren hat.

Wir stellen also einen absoluten Verlust von Hygiene, Schamgefühl und Intimität fest. Was als nächstes kommt, fragen Sie? Zu guter Letzt folgt die Würde. Wie sonst ist es erklärbar, dass ein Dutzend moderner, aufgeklärter Frauen in einem knöcheltiefen, reichlich eingepissten Wasserbecken beim Babyschwimmen fröhlich „Tsu Tsu Tsu, der Zug ist da, wir fahren nach Amerika“ trällern und sich dabei einreden, die kleinen Kackbällchen, die gefährlich nah an einem vorbeituckern, wären Teilchen eines Filzballes, den die Kursleiterin beim letzten Mal benutzt hat, obwohl der Bademeister schon nervös mit Kescher und Probebecher am Beckenrand hantiert?!

Montag, 15. Juni 2015

Das muss ich alles haben!

Kurz nachdem Noah auf die Welt kam, saß ich mit folgenden Dingen zu Hause: einem Babyskianzug, drei verschiedenen Babytragen und einer sündteuren elektrischen Milchpumpe. Klingt so weit vielleicht noch ganz vernünftig. Nur dass es draußen milde 20°C hatte, ich Noah aufgrund meiner Kaiserschnittnarbe gar nicht tragen konnte und ich auch nicht stillte. Man sagt uns Frauen ja generell einen Hang zur Konsumsucht nach, aber diese Ansammlung sinnloser Gegenstände war sogar für mich ein neuer Rekord. Sicher, ich hatte weder den Kaiserschnitt voraussehen können, noch hatte ich geahnt, dass das bei mir mit dem Stillen nicht klappen würde, aber wie hatte ich während der Schwangerschaft nur so unendlich viel sinnlosen Baby-Müll um mich auftürmen können, den ich im Endeffekt kein einziges Mal brauchen sollte?

Nach reiflicher Analyse meines geschrumpften Kontos glaube ich, für diese Misere zwei Hauptgründe herausgefiltert zu haben. Klar, viele Käufe waren einfach notwendig, weil man ein Baby erwartete, andere waren einfach notwendig, weil man an dem Regal mit zuckersüßen Koalabär-Jäckchen mit Flauschi-Ohren unmöglich vorbeigehen konnte. Aber die meisten sinnlosen Käufe gingen damals auf das Konto der zwei Todfeinde einer jeden Schwangeren: Kontrolle und Erpressung.

Ich gebe es zu: Ich bin gern vorbereitet. Ich mag es, Dinge im Voraus zu wissen, und mich darauf einstellen zu können. Kurz gesagt: Ich habe gern die Kontrolle über mein Leben. Leider lässt sich dieser Wunsch nach Kontrolle ganz schlecht mit dem Wunsch nach einem Baby vereinbaren, aber das wusste ich damals mit meinem naiven Kugelbauch-Blick ja noch nicht. Vielmehr dachte ich: Wenn ich auf alle Eventualitäten vorbereitet bin, kann mir auch nichts passieren und ich habe ALLES UNTER KONTROLLE. Deshalb kaufte ich Sommer-Bodies, Winterhosen, Planschbecken und Fellsack, ich shoppte Babyklamotten in jeglicher Größe vom Frühchen bis zum Mutantenkind, im Prinzip deckte ich mich mit sämtlichen Utensilien ein, die mir im Babygeschäft unter die Finger kamen, auch wenn ich bei der Hälfte davon noch nicht mal so genau wusste, was man damit eigentlich macht. Aber wenn die 400. Baby-Shopping-Liste im Internet sagte, ich bräuchte „Spieler“, „Vaporisator“ und „Moltonunterlage“, dann würden sie damit wohl bitteschön auch recht haben!

Einen ersten Dämpfer versetzte mir in meinem Kaufrausch gleich mal meine Mutter, als ich ihr stolz meine ersten Besorgungen präsentierte. Mit geschultem Babykrankenschwester-Blick sortierte sie 90% davon mit den Worten „Zu klein!“, „Zu eng!“, „Zu synthetisch!“, „Zu wenig warm!“, „Zu unpraktisch!“ oder sonst irgendwelchen „Zus“ aus. Stattdessen packte sie mich ins Auto, fuhr mit mir zum nächsten Maximarkt und kaufte dort die gesamte Batterie an Stramplern, Jäckchen und Mützchen leer.

Was meine Mutter jedoch mit sinnvollen Dingen (ja, ich geb’s zähneknirschend zu, dass ihre Sachen praktischer waren als meine Koala-Flauschi-Ohren) mühsam aufzubauen versuchte, wurde von den eifrigen Verkäuferinnen sämtlicher Salzburger Babygeschäfte sogleich wieder zunichte gemacht, womit wir auf Punkt 2 zurückkommen: Erpressung. Ich kann nur jeder Schwangeren empfehlen, sich vorher genau zu informieren, was sie wirklich haben will. Geht man nämlich so ahnungslos wie ich ins Rennen, hat man bereits verloren. Wer nichts weiß, muss ja bekanntlich alles glauben – und das machen sich die Fachverkäuferinnen von heute mit ihrer perfiden Strategie der unterschwelligen Drohung gnadenlos zunutze. Es ist ja nicht so, dass sie einem befehlen würden, das jeweils teuerste Stück im Laden zu kaufen, nein, sie versuchen es über die Hintertür des schlechten Gewissens! Kaum schiebt man einen Kinderwagen im mittleren Preissegment durch die Gänge, rauscht die eifrige Frau vom Fach heran und flötet etwas von Kurvenstabilität und Luftzufuhr, sieht man einen preiswerteren Autositz auch nur von der Seite an, werden die fatalen Crash-Test-Statistiken hervorgekramt und erlaubt man sich, die Babymatratze im Preisbereich „Monatslohn“ nicht gleich in den ohnehin schon bis obenhin vollgestopfte Einkaufswagen zu befördern, folgt das Killerargument: „Ja, natürlich können Sie auch die Billigere nehmen! Aber ich sage nur: Plötzlicher Kindstod!“ Und dann seien Sie mal so selbstbewusst und gehen trotzdem mit der Billigsdorfer-Matratze zur Kasse, begleitet von den tadelnden Blicken der gesamten Verkäuferschaft, von der sie nicht ganz zu unrecht vermuten, dass das Lehrmädchen im Hintergrund bereits das Jugendamt kontaktiert…!

Man möchte meinen, dass man diesem Teufelskreis endlich entkommt, wenn das Kind auf der Welt ist und man am eigenen Leib erfahren musste, was man alles für Blödsinn gekauft hat. Aber nein, der sinnlose Konsumrausch nimmt auch mit Kind weiterhin seinen traurigen Lauf. Dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist, wissen nämlich leider auch schon die Kleinsten und als Mama fällt man wirklich jedes Mal darauf herein. Ist man nämlich bei anderen Mamas eingeladen, spielt sich das eigene Kind dort einfach herzzerreißend brav mit einem fremden Spielzeug, trinkt plötzlich literweise das sonst verhasste Wasser aus dem fremden Trinkbecher oder hört im fremden Tragetuch urplötzlich mit dem Dauergebrüll auf. Also fährt man als motivierte Mutter noch am Nachhauseweg zum nächsten Babyladen, kauft Spielzeug, Trinkbecher und Tragetuch nach und freut sich wie ein Schnitzel, dass damit auch zu Hause die Welt in Butter sein wird. Ich brauche Ihnen jetzt wohl nicht wirklich zu sagen, dass der kleine Terrorist daheim das neue Spielzeug natürlich keines Blickes mehr würdigen wird und einen Tobsuchtanfall ungeahnter Dimensionen erreichen wird, wenn man das nagelneue Tragetuch auch nur aus der Verpackung pult...

Die einzige Ausnahme stellte hier die Diskonter-Strandmuschel dar, die wir nach unserem letzten Ausflug zum See natürlich auch unbedingt haben mussten. Nein, Noah hat sich nicht brav hineingesetzt und dort wie ein Engel mit seinem neuen Spielzeug gespielt. Aber immerhin saß er – für diese Zeit ein wahrer Rekord – für  bestimmt eine ganze Stunde lang grinsend zufrieden und brüllfrei in seiner Wippe, während er seinen studierten Akademiker-Eltern hämisch dabei zusah, wie sie verzweifelt die testweise im Wohnzimmer aufgebaute Strandmuschel nur mehr mithilfe von drei Youtube-Tutorials wieder zusammenlegen konnten.

Dienstag, 9. Juni 2015

Der Super-Mom-Moment

Eines der obersten Gesetze des Mütterdaseins müsste lauten: Immer wenn du denkst, jetzt hast du's raus, ist es Zeit für die nächste Katastrophe. Gemeinerweise hat man diese „Heureka, ich bin Super Mom“-Momente ja ohnehin selten genug, aber wenn man mal so dreist sein sollte, sich einen zu gönnen, weil man es gerade geschafft hat, neben seinem wachen Kind einen Kuchen zu backen/ohne Babykotze-Flecken am Shirt das Haus zu verlassen/nicht vor 07.00 Uhr aufzustehen, kann man sich sicher sein, dass die Strafe auf dem Fuß folgt.

Bei mir stellte sich diese Erkenntnis ein, als ich Noah mit etwa fünf Wochen zum ersten Mal zum großen Präsentier-Termin in die Agentur brachte. Unsere ersten Wochen waren reichlich holprig verlaufen und wie Super Mom hatte ich mich noch nicht mal im Traum gefühlt. Dass ich mich überhaupt traute, mit Noah allein das Haus zu verlassen, an den 45 Minuten entfernten Arbeitsort zu fahren und zu riskieren, dass er dort das gesamte Agenturgebäude in Grund und Boden brüllte, war auch eher aus Notwendigkeit denn aus Übermut entsprungen: Mein Mann rotierte von einer Magendarmgrippe wirklich schwerstens gebeutelt quasi nonstop zwischen Toilette und Bett und ich wollte ihm den Luxus einiger Stunden ohne Babygeheul bescheren.

Ich packte also Noah ins Auto, fuhr mit ihm auf die Autobahn auf und stellte zufrieden fest, dass er bereits nach fünf Minuten tief und fest eingeschlafen war. Noch zufriedener war ich, als Noah auch noch den gesamten Agentur-Besuch verschlief. So konnte ich ungestört die Runde durchs Haus drehen und mich in den „Ooohs“ und „Aaaaahs“ der Kollegen sonnen, die meinten, dass Noah das bravste Kind der Welt wäre. Wäre Noah auch nur eine Sekunde wach geworden, wäre diese Illusion natürlich sofort wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, aber für wertvolle zwei Stunden konnte ich mal so tun, als wäre bei uns alles in Butter.

Nachdem ich mir von sämtlichen Kollegen im Haus versichern hatte lassen, wie süß mein Kind war und wie viele Haare es nicht hätte, verabschiedete ich mich wieder und beschloss, mit Noah noch einen kleinen Spaziergang zu machen. So schob ich also den Kinderwagen durch das kleine Dörfchen und setzte mich am See kurz auf eine Parkbank, um einen Müsliriegel zu essen. Und als ich da so saß, mir die Schokolade vom Mund wischte (Sie dachten doch nicht etwa, es wäre ein gesunder Müsliriegel gewesen?), vor mir die Enten am sonnenbeschienenen See, neben mir der Kinderwagen mit meinem wunderbaren, schlafenden Sohn, da dachte ich mir für einen kurzen Moment: „Eigentlich klappt das doch alles ganz prima!“

Und da war er, mein erster (und vermutlich letzter) Super Mom-Moment! Der Gedanke hatte noch nicht mal richtig meine letzte Gehirnwindung passiert, als er auch schon wieder zerstört wurde: Gedankenverloren hatte ich in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel geangelt, um mich mit Noah nach meinem erfolgreichen Ausflug wieder auf den Weg nach Hause zu machen. Seltsamerweise fand ich den Schlüssel nicht sofort. Beunruhigt schaute ich nochmal genauer nach. Kein Schlüssel. Schon in diesem Moment machte sich ein grummeliges Gefühl in meiner Magengegend breit (und nein, es war nicht die Magendarm-Grippe meines Mannes. Die erwischte mich erst drei Tage später, als wir zur Feier unseres Hochzeitstages fein essen gehen wollten und den Tag stattdessen damit ausklingen lassen mussten, dass mir Schatz beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht hielt...). Als absoluter Ordnungs-Monk verlor ich normalerweise nichts. Und nach 500-maligem Umdrehen der gesamten Wickeltasche bestätigte sich leider meine Vermutung: Ein Autoschlüssel war weit und breit nicht in Sicht. Auch ein Blick ins geparkte Auto brachte keine Erleuchtung: Ich hatte den Schlüssel auch nicht stecken lassen oder beim Auspacken auf den Boden gestreut. Fakt war: Ich stand mitten in der Pampa mit einem fünf Wochen alten Säugling und hatte uns beide aus dem Auto ausgesperrt.

Als ich mir so die gesamte Tragweite meines Dilemmas klar machte, wachte natürlich auf Kommando Noah auf und verfiel sogleich in eine Brüllattacke allererster Güte. Als einziges Hilfsmittel musste ich zur Flasche greifen (für Noah, nicht für mich – obwohl mir das auch nicht unrecht gewesen wäre!) und saß so also neben meinem versperrten Auto auf einer zugigen Parkbank, um dort zu versuchen, meinem brüllenden Kind seine Milch einzuflößen, während eine plötzlich aus dem Hinterhalt aufgetauchte Oma mir unablässig von der Seite zukeifte, dass ich dem Kind schon ein Hauberl aufsetzen müsse, im Schatten sei es nämlich kalt! Am liebsten hätte ich ihr das Kind mit oder ohne Haube in die Hand gedrückt und wäre ganz weit davongelaufen – von Super Mom war ich gerade so weit entfernt wie die Erde vom Mond.

Nachdem ich wirklich jeden erfolglos angerufen hatte, der mir sonst eingefallen wäre, um mir meinen Ersatzschlüssel zu bringen, gipfelte mein Super Loser-Moment darin, dass ich meinen Mann anrief. Dieser setzte sich mit einer Kotztüte ins Auto, fuhr 45 Minuten in die Pampa, überreichte mir meinen Ersatzschlüssel und setzte sich kreidebleich wieder ins Auto, um die 45 Minuten zurück zu seinem Bett zu kommen. Am liebsten hätte ich mir ein Loch im Boden geschaufelt und mich und mein Super Mom-Cape darin vergraben. Besonders als ich zu Hause Noahs Decke aus dem Kinderwagen hob und mir dabei mein Autoschlüssel entgegenfiel...

Samstag, 30. Mai 2015

Die Kraft der Visualisierung

Ich empfinde gleichermaßen Faszination und Ekel gegenüber Partnern, die mit Videocam oder Panorama-Shot-geeichtem Smartphone einfach draufhalten, wenn das Wunder Geburt seinen Lauf nimmt, nicht selten begleitet von euphorischem Anfeuerungsgejohle: „Du schaffst das! Du hältst dich toll, Schatzi! Ja, press! Ja, mach, jaaa, ich seh schon den Kopf...!“ Mich persönlich hätte so etwas ganz ernsthaft dazu veranlasst, jemandem einen Schuss ins Genick zu jagen und zwar aus nächster Nähe – das heißt, wenn ich zufällig in meiner Ernstfalltasche (dazu in einem anderen Kapitel mehr) zwischen all die rosa Strampler auch einen Revolver gepackt hätte.

Ich konnte es in der tatsächlichen Nahkampf- oder besser Nahtodes-Situation nicht einmal ertragen, als die Hebamme mit Engelsgeduld meinte, ich solle doch mal meine Schenkel mit den Händen umklammern. Statt ihrer Anweisung zu folgen, brüllte ich ihr mit Inbrunst (oder zumindest dem letzten Quäntchen Energie, das meinem Körper noch innewohnte) entgegen, dass sie doch wohl selber sehe, dass ich gelähmt sei – und das meinte ich todernst!

Allerdings habe ich besagten Bewegtbild-Sadisten tatsächlich irgendwie zu verdanken, dass ich das „Wunder Geburt“ halbwegs glimpflich überstanden habe. Wie das, fragen Sie? Nun ja, mein Mann arbeitet im Fußball. Und im Sport ist Visualisierung eine hilfreiche Methode, sich Spielabläufe einzuprägen. Das hat mich in der 36. Schwangerschaftswoche dazu veranlasst, meiner Angst vor dem bevorstehenden Großereignis den Kampf anzusagen und mich dem Thema Geburt auf Youtube zu stellen. Ziel war es, wenigstens ein Video zu finden, das mir würdig genug erschien, es zu visualisieren und bei meiner Niederkunft in die Tat umzusetzen.

Vorneweg muss man vielleicht sagen, dass ich mir die Geburt insgeheim ungefähr so vorgestellt hatte: Ein blütenweißes Tuch auf den Schenkeln und ein kompetenter Arzt (und, na gut, wenn es unbedingt sein musste auch noch eine Hebamme), der mir furchtbar dezent und professionell dort unten Unterstützung leistet. Kurzum: Ich wollte das Ganze so ästhetisch wie möglich gestalten („Arabische Geburt“ meinte meine Wunschhebamme dazu) – bei einer Privatversicherung, die einen an den Rand des finanziellen Ruins treibt, sollte das doch wohl kein unmögliches Unterfangen sein!

Natürlich versuchte ich auch, den ganzen Natürlichkeits-Klimbim zu verstehen. Blut und Käseschmiere (mein Mann hat sich allein bei dem Wort schon fast erbrochen) waren mir durchaus ein Begriff und ich ließ mir auch einreden, dass meine Kleine nicht vorher gewaschen wurde, bevor sie mir zum Kuscheln auf das blütenweiße Lieblingshemd gelegt wurde – so  verschroben war die Frau Akademikerin ja dann auch wieder nicht. Warum ich nicht gleich einen Kaiserschnitt gewählt habe? Glauben Sie mir, nach eingehender Youtube-Recherche mehrerer Kaiserschnitt-Videos konnte ich voller Überzeugung sagen, dass ich mir das nicht freiwillig antun wollte. Splitternackt aufgebahrt werden, sich überhaupt nicht bewegen zu können und dann auch noch aufgeschlitzt werden – ne du, das klang für mich ungefähr so glamourös wie eine Hämorrhoiden-Entfernung.

Aber zurück zu meinem Projekt „Visualisierung“: Bewaffnet mit einer Tasse Tee und ein paar Keksen machte ich es mir also vor dem Computer gemütlich und tippte hochmotiviert „Geburt“ in das Youtube-Suchfenster ein... und wurde mit dem puren Grauen konfrontiert.

Aus dem ersten Video lachte mir eine 08/15-Familie mit einem kleinen Buben und einem Mädchen von vielleicht zwei, drei Jahren entgegen. Zuerst dachte ich, mich versehentlich in deren private Urlaubsvideos geklickt zu haben, bis ich bemerkte, dass das Planschbecken, in dem die Kinder so süß herumtollten, mitten im Wohnzimmer stand und die Mama im Hintergrund nicht nur nackt war, sondern für ein durchschnittliches Urlaubsvideo auch ziemlich gequält stöhnte. Der werdende Papa/Kamerakünstler fummelte unterdessen immer wieder mit seinen Griffeln ins Bild und zwischen die Schenkel seiner Holden. Obwohl mir das Grauen schon ins Gesicht geschrieben stand, MUSSTE ich einfach weiter hinsehen. Und Gott sei Dank bescherte mir der talentierte Hobbyfilmer auch glatt einen Zoom direkt in das Zentrum des Tatorts. Oh... was machte der Typ da bitte? Wollte er etwa mit seinen Wurstfingern einhändig das dicht behaarte Köpfchen drehen oder dem Baby begleitet von viel Blut und sonstigem Allerlei zu seinem ersten Tauchgang verhelfen?!

Nein, nein und nochmal nein, das hatte ich gerade alles nicht gesehen! Während ich das Video schnell wegklickte, strampelte Leni wie zur Bestätigung kräftig in meinem Bauch. Weiter ging es also mit dem nächsten Suchergebnis, das immerhin an die 2 Millionen Views erzielt hatte: Ein dicker Teenager schrie sich die Seele aus dem Leib, während ihre unglückliche Mutter – selbst kaum älter als 20 – sehr hilfreich daneben meinte, sie hätte doch mal lieber verhütet. Ob sie damit sich oder ihre Tochter meinte, sei dahingestellt. Och, lieber umschalten, dachte ich, und entdecke ein Hebammen-Schulungsvideo einer japanischen Uniklinik. Fasziniert verharrte ich bei dem einzigen männlichen Teilnehmer, der gerade einer Säuglingspuppe beim Versuch, sie aus dem Plastikuterus zu ziehen, den Kopf abdrehte.

Vielleicht war das mit Youtube doch keine so gute Idee, alles Spinner, dachte ich bei mir – und dann entdecke ich es: das Video, das ich visualisieren würde. Eine junge, attraktive Amerikanerin presste tapfer ihr Kleines aus ... naja, wo das Ganze eben rauskommt, während ihr Partner sie anfeuerte und dabei mitfilmte. Gut, ihn hasste ich, aber sie, sie wurde zu meiner Heldin und ich danke den beiden noch heute für dieses Video. Denn genau so oder so ähnlich war es dann auch bei mir. Mission Visualisierung erfolgreich abgeschlossen, probieren auf eigene Gefahr!

Montag, 25. Mai 2015

Bestens vorbereitet

Bei der ersten Schwangerschaft macht man ja gern noch jeden Scheiß mit. Ob man sich das bei der zweiten nochmal alles antut, wage ich zu bezweifeln – in Anbetracht der Tatsache, wie viel Freizeit einem mit einem kleinen Kind bleibt, würde ich eher annehmen, dass man dazu schlicht und einfach keine Zeit mehr hat. Beim ersten Mal ist man aber noch so richtig schön Lifestyle-schwanger und rennt vom Schwangerschafts-Yoga zum Akupunktieren und vom Shiatsu zum Himbeerblättertee-Kauf. In den letzten Wochen war meine Schwangerschaft regelrecht zum Ganztagsjob mutiert: Wo sollte zwischen Heublumensitzbädern, Yogi-Tee und Babypflege-Workshops denn noch mein nächster Akupunktur-Termin reinpassen?

Zum Teil macht man diese ganzen Sachen aus einer einzigen Hoffnung heraus: Die Geburt möge möglichst kurz, schnell und schmerzlos verlaufen. Man studiert Internetseiten und befragt Ärzte, Hebammen und Freunde – und jede Möglichkeit, die „helfen" soll, wird unweigerlich ausprobiert. Dabei sind das bei Gott nicht alles schöne Freizeitbeschäftigungen. Nie werde ich das Gefühl vergessen, als ich meiner Familie zu Beginn die frohe Botschaft überbrachte und daraufhin von meiner Schwägerin in der 13. Schwangerschaftswoche eine Flasche Damm-Massage-Öl geschenkt bekam...

Besonders rückblickend bin ich natürlich froh, dass ich fleißig akupunktiert, massiert, geölt, gecremt, getrunken und was weiß ich noch alles habe – schließlich hat mir das alles beim Notkaiserschnitt sehr geholfen...! Aber man soll ja nicht zynisch sein – vielleicht HÄTTEN mir alle diese Sachen ja geholfen, wären die Dinge etwas anders gelaufen.

Was mir jedoch nicht wirklich weiterhalf, waren die vielen Kurse, die ich im exzessiven Schwangerschaftswahn einen nach dem anderen belegte. Beim Schwangerschafts-Ernährungs-Workshop wurde ich nicht von den Socken gehaut von der Erkenntnis, dass ich jetzt mehr Gemüse und weniger Schokolade essen sollte und beim Schwangerschafts-Yoga kamen mir ernste Zweifel, als mir beim Versuch, eine Kerze zu machen, mein Bauch ins Gesicht fiel. Als mir meine Ärztin in der 30. Schwangerschaftswoche eröffnete, dass ich lieber kein Yoga mehr machen sollte, war ich also nicht allzu traurig – alleine schon deswegen, weil ich jeden Kurs in der ständigen Angst durchlebte, dass dieses Mal ICH die Schwangere sein könnte, der beim „Herabschauenden Hund" ein lauter Furz entwich.

Nahtlos wechselte ich also vom Yoga-Kurs zum Geburtsvorbereitungskurs, der dem Ganzen in gewisser Weise die Krone aufsetzte. Ich hatte ja schon zahlreiche Schauergeschichten von Gruppen-Hecheln und frischen Plazentas gehört, die als Schauobjekt extra aus dem Kreißsaal herangebracht wurden, deshalb ging ich zum ersten Treffen gelinde gesagt mit gemischten Gefühlen.

Der Eindruck wurde nicht unbedingt besser, als ich gemeinsam mit 10 anderen Schwangeren in einem Keller ohne Sitzgelegenheiten (Schwangere müssen nicht sitzen, das wird überbewertet!) erst mal 20 Minuten auf die Kursleiterin warten musste. Als sie endlich herbeirauschte, nahm die weitere Desillusionierung ihren Lauf. Wir wurden in einen ostblockartigen, miefenden Gymnastikraum gescheucht, in den wir uns alle selber einen schweren Holzsessel tragen durften (Schwangere können ruhig schwer tragen, das wird überbewertet!) und bildeten dort einen Sesselkreis. Reihum stellten wir uns vor und jede erzählte ein wenig vom bisherigen Verlauf ihrer Schwangerschaft. Nachdem ich mit keinen besonderen Wehwehchen oder tollen Geschichten glänzen konnte, beschloss ich, mich auf andere Weise hervorzutun – das Mittel meiner Wahl war natürlich wie immer das nächstbeste Fettnäpfchen. Als die Schwangere neben mir also berichtete, dass es ihr eigentlich recht gut gehe und sie lediglich mit dem Pupp-Syndrom zu kämpfen habe, lachte ich laut los. Von der durchaus unangenehmen Hautkrankheit hatte ich noch nie etwas gehört und stattdessen „Pups-Syndrom“ verstanden – ich dachte einfach, dass sie ihre Schwangerschafts-Blähungen lustig umschrieben hätte...! Als die anderen im Raum alle betretene Gesichter machten, merkte ich zwar schnell, dass ich offensichtlich etwas falsch verstanden hatte und tarnte meinen Lachkrampf als Hustenanfall, aber am liebsten wäre ich in Wahrheit schon in diesem Moment schreiend aus dem Gebäude gelaufen.

In Anbetracht der Tatsache, welche Geschichten danach folgten, wäre das wohl auch die bessere Wahl gewesen – denn weder die 80er-Jahre Schautafeln über den Geburtsvorgang, die Berichte über Einläufe, Dammrisse und Saugglocken, noch das Plastik-Becken, durch das eine Babypuppe gepresst wurde oder die liebevoll aus Wolle gestrickte Plazenta nahmen mir die Angst vor der Geburt, im Gegenteil. Für meinen Geschmack war die leitende Hebamme einfach ein Stück zu ehrlich: Ich hätte mir gewünscht, dass sie uns liebevoll die Hand tätscheln und dabei versichern würde, dass wir das alles locker schaffen würden – stattdessen verkündete sie uns in ihren Glitzerstiefeln und engen Röhrenjeans (na warte, du wirst auch noch mal schwanger und fett!!), dass das schon alles ziemlich schlimm werden würde.

Auch die Besichtigung des Kreißsaals führte bei mir nicht zur Gewissensberuhigung, sondern zu mittelschweren Panikattacken. Während die anderen interessiert alle Geräte beäugten und schlaue Fragen stellten, wippte ich schweißgebadet auf meinem Petzi-Ball und versuchte, irgendwie auszublenden, dass im Kreißsaal nebenan gerade eine Frau schrie, als würde ihr bei lebendigem Leib ein Bein ausgerissen („Ah, die dürfte gerade in den Presswehen sein", klärte uns unsere Kursleiterin wissend auf). Egal wie bunt die Vorhänge, wie schön der Ausblick, wie liebevoll die Einrichtung war: Das nächste Mal, wenn ich diesen schrecklichen Raum von innen sehen würde, wäre ich diejenige, die um ihr Leben schrie – und das beruhigte mich in keinster Weise!

In gewissem Sinne war der Geburtsvorbereitungskurs für mich also komplett sinnlos: Während ich für den Kaiserschnitt in den OP geschoben wurde, brauchte ich weder an Presswehen noch an Dammrisse oder Atemtechniken zu denken, aber irgendwie war er trotzdem nicht komplett umsonst. Allein schon deswegen, weil er mein „Schwanger 2013 – I did it“-Paket auf wunderbar kuriose Art komplettiert hat...