Andere Mütter zu kennen, deren Kinder im gleichen Alter wie das eigene sind, ist zugleich Fluch und Segen. Auf der einen Seite ist man so unendlich froh, wenn man mal hinter vorgehaltener Hand ein paar ehrliche Worte dazu hört, dass es anderen vielleicht gerade ähnlich geht.
Dass andere Babys auch seit drei Tagen nichts mehr geschlafen haben, den Brei nur noch durchs Zimmer pfeffern oder beim Anziehen in Terrorgeschrei ausbrechen, als würde man ihnen einen Fuß abhacken, anstatt nur zu versuchen, selbigen in eine bunte Bärchen-Strumpfhose zu quetschen. Man kann vielleicht Hoffnung schöpfen, wenn man von anderen hört: Das war bei uns letzte Woche auch so, aber jetzt ist es vorbei!
Andererseits bedeutet das natürlich leider auch das Gegenteil: Fängt eine andere Mama damit an, über ein neues Problem zu berichten, kann man sich leider meist schon die Uhr danach stellen, wann der eigene Zwerg denselben Spinner entwickelt.
Vor allem ist es dann gleich noch mal so schlimm, wenn man mit einem Problem plötzlich alleine dasteht. Was, eure wachen nachts nicht alle 20 Minuten auf? Noch immer nicht? Ist mein Kind vielleicht als einziges so komisch? Stimmt mit ihm vielleicht was nicht?
Ob man will oder nicht, lässt man sich so auf einen komplett sinnlosen Vergleichskampf ein, den man unmöglich gewinnen kann. Auch wenn man sich vorher noch 100 Mal geschworen hat, dass man sich nicht davon stressen lassen wird, was andere Kinder tun, ertappt man sich spätestens nach ein paar Monaten unweigerlich dabei, einen schiefen Blick in andere Kinderwägen zu werfen. Was, die Kleine dreht sich schon? Oha, der süße Wonneproppen zieht sich schon am Sessel hoch, krabbelt schon?!
In den ersten Monaten wurde ich von diesem Druck noch mehr oder weniger verschont, weil Noah bei den meisten Dingen beängstigend früh dran war. Die ersten Zähne mit vier Monaten, drehen in beide Richtungen, krabbeln, aufstehen – das alles erledigte der kleine Terrorist im Eiltempo. Die nächste große Aufgabe schien ihn allerdings – typisch Mann! – nicht besonders zu interessieren. Zuhören, verstehen, reden? Laaaangweilig!
Damals schickte mir eine Freundin ein süßes Video ihrer kleinen Tochter, die schon eifrig zu „Nein nein“ das Köpfchen schüttelt und bei „Wiiie groß ist…?“ die Ärmchen in den Himmel streckte. Ganz offensichtlich stellte dieses kleine Mädchen bereits eine gewisse Verbindung zwischen dem her, was man zu ihr sagte und dem, was sie selbst tat.
Fragend blickte ich vom Video auf und ließ meinen Blick zu Noah schweifen, der am Boden gerade versuchte, sich in ein Maximarkt-Prospekt einzuwickeln. „Wie groß ist der Noah?“ fragte ich enthusiastisch und warf dabei die Arme in die Luft. Noah sah mich verständnislos an und versuchte, sich die Seite mit den Tiefkühlpizzen als Ganzes in den Mund zu stecken.
Auch 10 Minuten später waren wir von Erfolg noch weit entfernt: Noah weinte inzwischen, weil ich ihm dauernd die Hände in die Höhe riss und ich überließ ihn resignierend wieder seiner Werbeliteratur.
Natürlich weiß ich, dass Kinder sich in extrem unterschiedlichem Tempo entwickeln. Selbstverständlich ist mir bekannt, dass bei verschiedenen Babys oft mehr als ein Jahr zwischen dem ersten Wort, dem ersten Schritt oder auch nur dem ersten Haar liegt. Aber insgeheim flüstert der kleine Teufel auf der Schulter dann eben doch manchmal: „Meinst du nicht, dass er das in seinem Alter auch schon können sollte?“
Gut, vielleicht war es ja sogar ein gutes Zeichen, dass das kleine Äffchen mit 10 Monaten lieber keine Kunststücke machen wollte, vielleicht zeugte das ja von besonderer Eigenständigkeit und Intelligenz??
Im Prinzip ist das natürlich auch vollkommen wurscht. Wenn Noah erst mit drei Jahren sein erstes Wort gesagt hätte oder sich noch die nächsten Jahre lieber in unsere Werbeprospekte einwickeln möchte als daraus ein pädagogisch wertvolles Kunstwerk zu basteln, ist das noch lange kein Grund, ihn zum Kinder-Chinesisch-Kurs anzumelden. Ich sage nur, dass man als Mutter offensichtlich nie so ganz vor ein bisschen Konkurrenzdruck gefeit ist.
Es gibt immer ein anderes Baby, das weniger schreit, mehr schläft, früher geht oder schöner spricht – davon soll man sich aber auf keinen Fall graue Haare wachsen lassen. Außer natürlich es gibt demnächst eine spezielle Casting-Talentshow für Babys, dann sieht Noah mit seinem Haufen zerrissener Papierschnipsel neben den anderen singenden Tanzbabys wahrscheinlich ganz schön alt aus…
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