Montag, 21. September 2015

Darf's ein bisschen mehr sein?

Man kann nicht einfach nur EIN Kind haben. Kaum ist der kleine Pupser aus der Bäuerchen-Phase raus, geht‘s los mit der Fragerei nach dem zweiten. Und ich kann nur sagen: Als es ganz am Anfang mit unserem Herzchen endlich subtil bergauf ging (das heißt, sie auch mal 10 Minuten lang einfach nur daliegen konnte, ohne dabei gewippt zu werden oder sich die Seele aus dem Leib zu brüllen), hätte ich mich eher dem Teufel verschrieben als an Reproduktion Nummer 2 zu denken. Fragen nach dem zweiten Kind lehnte ich damals also einfach dankend ab.

Je mehr Zeit aber vergeht, desto mehr komme ich in Erklärungsnot. Das geht so weit, dass ich mir aus reinem Selbsterhaltungstrieb ein paar Standardfloskeln zurechtgelegt hab, die ich bei jeder dahingehenden Frage aus der Hüfte schieße: „Wir haben jetzt genug mit dem Hausbau um die Ohren…“, „Finanziell wäre das jetzt der Supergau!“, „Wir sind total happy, so wie‘s ist und wollen nix dran ändern“.

Aber so richtig wollen diese ausgeklügelten Argumente bei meinem Gegenüber – egal ob Freundin oder entfernter Bekannter – nicht fruchten. Da kommt dann sowas zurück wie: „Aber hast du nicht auch zwei Schwestern, was würdest du denn ohne die beiden tun?“ (absolutes Killerargument) oder, fast noch schlimmer: „Naja, es soll ja auch Einzelkinder geben, die glücklich werden…“

Was also sagen, wenn man zwar fast jeden Tag darüber nachdenkt, ob man ein zweites Kind möchte, aber jedes Mal aufs Neue zu dem Schluss kommt, dass dem einfach nicht so ist? Irgendwie scheint keine Erklärung auf Verständnis zu stoßen, auf wahres echtes Verständnis, das nicht im Prinzip eigentlich sagen wollte „Na, das wird schon noch kommen!“

Aber es ist nun mal so, dass ich wirklich keine Ahnung habe, wie ich meine Karriere (wenn man sie überhaupt noch so nennen kann) wieder in den Griff bekommen soll, wenn ich jetzt schon wieder eine businesstechnische Vollbremsung einlege. Dass ich meinen Lebensstandard tatsächlich erheblich herunterschrauben müsste für einen zweiten Blut- äh, pardon Milchsauger. Dass ich jetzt schon oft kaum mehr weiß, wo mir der Kopf steht.

Und ja, ich kann mir im Moment nicht vorstellen, das alles noch einmal durchzumachen, noch dazu mit der Verantwortung, dass es da jetzt ja auch noch gleichzeitig Nachfolger Nummer 1 gibt, der seine Ansprüche geltend macht. Ich kann mir nicht vorstellen, nachts wieder alle 10 Minuten geweckt zu werden und zu Gott zu beten, er möge diesen Kelch an mir vorüber gehen lassen.

Ich kann mir nicht vorstellen, nochmal mit starken Blutungen geschlagene zwei Stunden im Krankenhaus auf eine Untersuchung zu warten, bei der mir gesagt wird, dass es eventuell nix wird. Ich kann mir nicht vorstellen, eventuell ein Kind zu verlieren. Ich kann mir so vieles nicht vorstellen!

Natürlich wäre es nett, am Ende meiner Tage zwei Kinder an meinem Sterbebett wachen zu sehen, aber wie mein Mann so treffend meinte: „Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Geschwister untereinander oder mit dir ein Leben lang vertragen.“

Was soll ich also sagen: Mein Kind, mein über alles geliebtes Kind, komplettiert uns. Es ist das größte Geschenk – daran würde sich auch nichts ändern, wenn ich noch ein Geschenk bekommen würde. Es ist schon gut, so wie es ist. Es ist schon groß, Freude, Liebe, eine Naturgewalt. Muss ich alles noch größer, besser, lieber machen, nur weil ich es kann?

Freitag, 11. September 2015

Cranio was?!

Als mir meine Stillberaterin im Krankenhaus riet, mit meiner Tochter zur Cranio-Sacral zu gehen, dachte ich zunächst: Jetzt schlägt‘s aber dreizehn! Nicht genug damit, dass ich mich auf ihren nicht allzu sanften Druck hin unfreiwillig der internationalen Stillliga angeschlossen hatte, für die das Stillen sozusagen der „heilige Gral“ unser aller Existenzen ist, jetzt wollte sie auch noch mein kleines, süßes, zugegebenermaßen etwas zum Drama neigende Baby einer Sekte zuführen?!

Nachdem ich allerdings kurz Wikipedia befragt hatte, mir gegen das Perma-Schreien meiner Zuckermaus auch nichts Besseres einfiel und es vor allem nach der Geburt ohnehin so viel Wachzeit wie möglich totzuschlagen galt, vereinbarte ich einen Termin bei einer Expertin für diese... nennen wir es mal einfachheitshalber „Berührungstherapie“. So manches Kind soll ja durch dieses Handauflegen wie durch ein Wunder schon von allerlei Leiden, Pest und Krätze befreit worden sein. All jenen sei gesagt, dass mich das ehrlich freut! Bei meiner ersten und letzten derartigen Sitzung (oder sagt man Séance?) dagegen kam ich mir eher vor wie im falschen Film.

Es begann schon damit, dass im Wartebereich ein Bub mit hässlichen, eitrigen Pusteln im Gesicht mit Genuss wirklich jedes vorhandene Spielzeug abschleckte, das sich in der ramponierten Kiste entdecken ließ. Gott sei Dank war meine Tochter noch nicht in einem Alter, in dem sie das unbedingt nachmachen wollte. Wir wurden also aufgerufen und die Begrüßung fiel noch nett aus. Als mein Baby aber auf das lieb gemeinte „Gutzi, gutzi, gutzi!“ der Expertin nicht aufhören wollte zu flennen, meinte diese entschieden: „Naja, so kann ich aber nicht arbeiten!"

Ich entgegnete darauf fast schon entschuldigend: „Naja, wegen dem dauernden Jammern bin ich ja hier?!“ Irgendwie schien die gute Frau es dann doch nicht übers Herz zu bringen, uns auf direktem Wege wieder rauszuwerfen und zitierte uns stattdessen zu einer Liege, auf die ich die Kleine legen sollte.

Erst mal aus der Tragetasche genommen und meinem permanenten Wippen entzogen, begann aber ihr Heulkrampf natürlich erst recht. Mit einem tiefen Seufzer, der wohl die irrsinnige Zumutung dieser Aktion zum Ausdruck bringen sollte, machte sich die Expertin dennoch tapfer ans Werk und legte meiner Tochter die Hand auf die Brust. Wer in dem Moment gebannt auf ein Wunder gehofft hatte (also ich), wurde leider enttäuscht.

Mein Kind so laut brüllen zu hören, war selbst für mein bereits mit Hornhaut überzogenes Trommelfell ein Grenzgang. Noch lauter wollte allerdings ich schreien, als Madame Cranio sich anschickte, eine gerade frisch mit Pustel-Bub-Spucke lackierte Rassel aus dem Wartebereich in den Mund meines Kindes zu befördern, was immer sie damit auch bezwecken wollte. Dank guter Kinderstube hielt ich mich jedoch gerade noch zurück.

„Können Sie Ihr Kind denn nicht beruhigen?“ kam darauf noch ein Versuch der Frau Diplom-Cranio. Ich, nun schon etwas trotzig: „Wenn das so einfach wäre, würde ich Ihre werte Geduld heute nicht so überstrapazieren!“. „Sie muss ruhig liegen“, meinte mein Gegenüber. Ich: „Ruhig ist sie nur, wenn sie schläft oder an meiner Brust nuckelt“. Sie: „Ich nehme an, wir bringen das Kind jetzt nicht zum Schlafen!“

Ich genervt: „Das sehen Sie richtig!“ Sie, etwas lauter als nötig: „Um Gottes Willen, dann stillen Sie!“ Da ich im Begriff war, der guten Frau (man könnte auch sagen: dem Drachen) 120 Euro in den Rachen zu schieben, ließ ich es auf diesen letzten Versuch ankommen, obwohl mir schlagartig klar wurde, warum mir die fanatische Stillberaterin ausgerechnet diese Cranio-Expertin empfohlen hatte.

Während meine Tochter also sicher schon zum zehnten Mal an diesem Tag die Molkerei bemühte, fummelte die Expertin am Köpfchen meines Babys und an meinem Busen herum. Nach etwa fünf Minuten war der ganze Spuk vorbei und damit auch meine letzte Hoffnung auf eine Heilung à la „Das Wunder von Lourdes“ gestorben. Das dürfte ich mir auch nicht erwarten, meinte die gute Frau, denn dazu müsste ich noch etwa fünf bis sechs Mal wiederkommen.

„Bestimmt!“ dachte ich bei mir und erklärte auf ihre tatsächlich ernst gemeinte Frage nach dem nächsten Termin nur noch mit einem gequälten Zwinkern: „Wissen Sie was, wir rufen Sie an! Kann sein, dass nicht nur mein Baby, sondern auch mein Bedarf schon gestillt ist!“.

Beinahe hätte ich durch dieses Erlebnis den Glauben an die Alternativmedizin im Allgemeinen verloren, hätte nicht ein paar Monate später unser Kinderarzt durch ein paar gezielte osteopathische Handgriffe eine Haltungsanomalie meiner Tochter quasi im Vorbeigehen geheilt. Scheint wohl wie überall ein paar schwarze Schafe/böse Drachen zu geben. Hilft‘s nix, schad‘s nix, würd meine Oma sagen, vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld für sowas.

Dienstag, 1. September 2015

Willkommen im Mütter-Bootcamp

Meine ersten Tage als frisch gebackene Mutter hatte ich mir sicher nicht vorgestellt wie eine Woche Wellness-Urlaub. Mir war durchaus bewusst, dass so ein öffentliches Krankenhaus nun mal nicht das Ritz ist und die Geburtenstation nicht das Fun Camp Babyhausen. Aber dass ich die ersten Tage nach der Geburt so dermaßen schrecklich finden würde, hätte ich mir vorher echt nicht träumen lassen!

Dass die Geburt selbst kein grenzenloser Partyspaß werden würde, war mir klar. Aber die Fotos, die ich von frisch gebackenen Mamas aus Film und Fernsehen kannte, stimmten mich doch durchaus zuversichtlich. Verschwitzt und ein kleines bisschen müde, so als hätten sie gerade aber wirklich ganz, ganz knapp noch den Bus erwischt, lagen die frisch gebackenen Mamis da milde lächelnd im Kreißsaal, den Freudentränen vergießenden Vater neben sich, das zuckersüße, schlafende Kind auf der prall gefüllten Brust und waren vor allem eines: rosig und glücklich.

Als ich nach meinem ungeplanten Kaiserschnitt aus der Vollnarkose erwachte, sah ich leider etwas anders aus: Mit Stützstrümpfen und Netzunterhose, durch einen Blasenkatheter ans Bett gefesselt und mit einem Teint, der jede Hausmauer neben mir frisch und munter aussehen ließ – ja, ich fühlte mich so richtig sexy. Abgesehen davon, dass Heidi Klum wohl in den ersten Tagen eher leider kein Foto für mich gehabt hätte, machten mir andere Dinge viel größere Sorgen. Wo blieb verdammt noch mal die große Baby-Euphorie, die man mir versprochen hatte?! Vonwegen „Ist der Kleine erst mal da, wirst du alles sofort vergessen haben!“

Wenn ich ehrlich zu mir war, ging es mir stattdessen von der Narkose einfach nur beschissen. Mein Bauch tat weh, der Kopf dröhnte, die Infusionsnadel brannte und ich wollte einfach nur eines: schlafen, am liebsten drei Tage am Stück. Allerdings war da ja plötzlich noch ein kleiner jemand, der seine Mama voll funktionstüchtig bestellt hatte: Das klitzekleine Baby, von dem man mir glaubhaft versicherte, dass es meines sei (nach so einer Vollnarkose könnten sie einem ja rein theoretisch alles unterjubeln). Also hieß es wohl Augen zu und durch – oder in meinem Fall eher: Augen auf und durch, alles andere wär ja viel zu schön gewesen!

Abgesehen davon, dass ich zugegebenermaßen ein wehleidiger Jammerlappen bin, waren die Rahmenbedingungen für einen energiegeladenen Start ins Supermami-Leben aber auch wirklich nicht gerade die motivierendsten. Der ganz normale Krankenhaus-Wahnsinn startete jeden Tag um 06.00 Uhr mit der ersten Visite – oder halt, das stimmt so eigentlich nicht. Im Prinzip startete der Tag um 22.10 Uhr des Vortages, als das erste Baby in meinem multikulturellen Dreibettzimmer lautstark nach seinem vorgezogenen Mitternachtssnack verlangte. Der weitere grobe Zeitplan, bis die Sonne wieder dämmrig am Horizont erschien, sah dann in etwa so aus: 22.45 Uhr: Baby 1 ist fertig gestillt und endlich eingeschlafen, Baby 2 nimmt das zum Anlass, jetzt ebenfalls Hunger zu bekommen und das nicht gerade leise kundzutun. 22.50 Uhr: Alle drei Babys schreien, weil sie bei dem Lärm nicht schlafen können. 23.30 Uhr: Alle Babys werden power-gestillt, herumgetragen oder mit der Flasche abgefüllt, um endlich einen Grad allgemeiner Zufriedenheit zu erreichen. 00.00 Uhr: Baby 2 hat lautstark in die Windel gepfeffert, seine Mama benötigt 30 Minuten, um ihm bei voller Discobeleuchtung das Meconium aus dem Genick zu kratzen. 00.40 Uhr: Ein Wunder, alle Kinder schlafen! Auftritt Nachtkrankenschwester: „Frau Holzer, bitte wachen Sie kurz auf, wir haben vergessen, Ihnen gestern noch Ihr Abführmittel zu geben, das muss nach so einer Operation wirklich sein!“. 01.15 Uhr: Aus dem Nebenbett klingen aus vollem Halse bosnische Wiegenlieder zu mir herüber. 02.05 Uhr: Mutter 3 telefoniert gaaaanz leise mit ihrem Mann, der zu Hause gerade auf Wikipedia die besten Still-Tipps recherchiert hat. 02.50 Uhr: Allgemeiner Weltschmerz bei allen Babys. Stillen, herumtragen, Haare raufen. 03.30 Uhr: Das Abführmittel zeigt Wirkung. 04.05 Uhr: Mama 1 fängt so laut zu schnarchen an, dass Baby 3 aufwacht. 04.50 Uhr: Mama 2 klingelt nach der Schwester, weil das Baby nur bei einer Brust trinken will. 05.20 Uhr: Bei Mama 3 fließen zum ersten Mal die Tränen und sie schwört, dass Baby 3 garantiert ein Einzelkind bleibt. 06.00 Uhr: Guten Morgen, liebe Mamas, hier kommt die Morgenvisite!

Ehrlich gesagt wundert es mich, dass die Delegationsabgesandten der Morgenvisite nicht regelmäßig mit faulen Eiern bzw. vollen Windeln beworfen wurden, wenn sie gefühlte 5 Minuten, nachdem endlich wie durch ein Wunder alle Kinder und Mütter eingeschlafen waren, gut gelaunt und mit einem Liedchen auf den Lippen (kein Wunder, sie hatten ja bestimmt die ganze Nacht lang herrlich geschlafen…!) flott die Vorhänge auf und jeder Mama reihum die Netzunterhose herunterrissen, um sich über den neuesten Stand von Dammrissen, Kaiserschnittnarben und Mamis Cellulite zu informieren. Frisch und fröhlich inspizierte da das versammelte Ärzteteam, wie viel Blut genau sich da in deiner Surfbrett-Binde angesammelt hatte, obwohl sie das genauso gut an der Tatsache ablesen hätten können, dass dein Bett an dem Tag schon drei Mal frisch überzogen werden musste. Wie glamourös kann ein Tag überhaupt beginnen?!

Nachdem alle Mütter, Kinder und wichtigen Anliegen („Frau Holzer, waren Sie schon groß am Klo?“) erledigt waren, ging’s heiter weiter in den Frühstücksraum. Neidisch schielte ich auf meine Zimmerkolleginnen ohne Kaiserschnitt, die im Vergleich zu mir scheinbar wie ein junges Reh aus dem Bett hüpften, während ich beide Hände fest gegen meine Narbe pressen und mir gleichzeitig höllisch auf die Lippen beißen musste, um nicht laut loszufluchen. Verdammt noch mal, tat das weh! Hieß es nicht immer, dass man sich mit einem Kaiserschnitt alle Schmerzen ersparte?!

Der Fairness halber muss man meinen Zimmerkolleginnen zugestehen, dass sie in Wirklichkeit wahrscheinlich genauso wenig Spaß an der Sache verspürten wie ich. Aus gesicherter Quelle habe ich mir berichten lassen, dass man auch nach einer normalen Geburt (wenn man in diesem Zusammenhang wirklich jemals von „normal“ sprechen kann…!) nicht schallend darüber lachen kann, tagelang Eis-Akkus zwischen den Beinen zu haben, weil alles so geschwollen ist, dass es aussieht, als hätte man Hoden (die natürlich auch vor versammelten Zimmerkollegen samt erweiterter Verwandtschaft gern vom Ärzteteam diskutiert werden).
Nichtsdestotrotz sahen die Nicht-Kaiserschnittler in ihren Jogginghosen und Stilltops für mich in dem Moment beneidenswert fit aus, während ich im Krankenhausnachthemd und Bademantel wie eine 80-Jährige nach draußen schlurfte, nur gestützt durch die orange Plastikschale auf Rädern, mit der ich Noah durch die Gegend schieben konnte. Nach gefühlten Stunden endlich im Frühstücksraum angekommen, wartete dort bereits die nächste Challenge auf mich.

Wie bei IKEA waren die Tabletts mit dem jeweiligen Frühstück auf Rollwägen gestapelt, jeweils mit einem Namensschildchen versehen. Glaubt mir, ich habe wirklich gebetet, dass mein Name ganz weit oben zu lesen sein möge, aber nein, da stand er groß am alleruntersten Tablett. Und jetzt probier mal, mit einer frischen Kaiserschnittnarbe ganz tief in die Knie zu gehen – da vergeht dir schnell der Appetit aufs Krankenhaus-Butterbrot!

Die Kniebeugen beim Frühstück waren aber nur die Spitze des Eisbergs meiner allgemeinen Überforderung. Katastrophenhumor schön und gut, aber nach drei Tagen absolutem Schlafentzug und dem Gefühl völliger Neo-Mami-Hilflosigkeit (Hatten nicht alle gesagt, ich würde sofort instinktiv wissen, was zu tun sei, wenn das Baby erst mal da war?? Warum brüllte es dann bei mir wie am Spieß, während es sofort selig einschlummerte, sobald es die Schwester auf den Arm nahm??) konnte ich das alles nicht mehr lustig finden.
Ich wollte nach Hause, ich wollte mein Bett, ich wollte meine Ruhe, meinen Mann, meine Schokolade, meinen Fernseher, mein altes Leben zurück. Stattdessen war ich scheinbar auf ewig in diesem schrecklichen Mütter-Bootcamp gefangen!

Viele der Schwestern waren wirklich unglaublich lieb, einige kamen mir aber eher vor wie Oberfeldwebel Schreimichan, der mir im Befehlston entgegenbrüllte, dass ich mich gefälligst ein wenig mehr zusammenreißen sollte. Sicher, ich stellte immer wieder die gleichen Fragen, ja, ich erdreistete mich, um Hilfe beim Anziehen des Stützstrumpfs zu bitten und ich fragte auch noch am dritten Tag, ob sie mir Noahs Fläschchen nachts bitte ins Zimmer bringen könnten – aber ganz ehrlich, um 03.00 Uhr früh mit einem Säugling im Arm den Gang bis zur Milchküche entlangzuschlurfen kam mir die ersten Nächte vor wie ein unüberwindbarer, unendlich langer Stützstrumpf-Marathon. Davon wollte meine Lieblingsschwester allerdings nichts wissen: „Was glaubens denn? Das macht ja Zuhause dann auch keiner für Sie! Wenn Sie sich nicht ein bissl mehr zamreissen, könnens sicher nicht nach einer Woche heimgehen! Und jetzt machens gfälligst 500 Liegestütz!“ (Ok, das letzte habe ich mir vielleicht nur situationsbedingt dazu gedacht…) Und auch wenn ich die Frau in dem Moment dafür hasste, im Prinzip hatte sie mir mit ihrem Zusammenschiss die gerade die größtmögliche Motivation geliefert: Ich sollte nicht nach Hause dürfen?!! Aber hallo!

Also schaltete ich kurzerhand auf volles Schauspielprogramm: Kaum war eine Schwester in der Nähe, setzte ich ein seliges Grinsen auf, ging etwas schneller über den Flur, erzählte jedem, der es hören wollte, wie prima alles lief. Dass mir in Wahrheit jeder Knochen im Leib wehtat und ich mich am liebsten heulend im Klo eingesperrt hätte, versuchte ich nach außen hin gekonnt zu überspielen. Und als endlich, endlich der Tag gekommen war, an dem ich mein kleines Baby stolz im Maxi Cosi aus dem Krankenhaus tragen durfte, wusste ich zumindest eines mit Sicherheit: Sollte ich irgendwann ins Abnehm-Bootcamp müssen, weil ich die Schwangerschaftspfunde nicht mehr loswurde, würde das ein Klacks für mich werden!