Freitag, 18. August 2017

Zen und die Kunst, ein Kind zu erziehen

Wer einem Kleinkind einmal dabei zugesehen hat, wie es einen Teller Spaghetti isst, weiß, dass Kindererziehung nichts für Ungeduldige ist. Selbst wenn Mama schon mit der Stoppuhr danebensteht, weil sie eigentlich schon vor 10min zum Kinderarzt losgefahren sein sollte, wird da jede Nudel einzeln beäugt, in die Hand genommen, zwischen den Fingern gerollt, in den Mund und wieder hinausgesaugt – Stress sieht anders aus.

Ich bemühe mich ganz ehrlich jeden Tag aufs Neue, dass ich geduldiger werde und nicht wegen Kleinigkeiten die Nerven verliere. Aber an manchen Tagen ist das verdammt noch mal echt leichter gesagt als getan. Manchmal würde ich am liebsten einfach das Handtuch werfen und laut schreien: „Ich bin (k)ein Star, holt mich hier raus!“

Den ersten dieser Momente habe ich oft schon morgens im Bad. Habe ich es endlich geschafft, beide Kinder dorthin zu bugsieren und ihnen die Zahnbürsten in die Hand zu drücken, ohne dass mindestens einer von uns drei brüllt, ist das schon ein erster Erfolg. Weil man ja ein gutes Vorbild sein möchte, nimmt man auch die eigene Zahnbürste zur Hand und möchte gleichzeitig mit den Kindern lustig Zähneputzen.

In der Realität sieht das dann so aus, dass mir die Zahnbürste samt Schaum schief aus dem Mund hängt, während ich gleichzeitig versuche, dem nonstop plappernden Noah die Zähne zu putzen und seinen randvollen Zahnputzbecher doch noch aufzufangen. Diesen Moment wählt Nico, um sich mit der Baby-Zahnbürste im Fäustchen an mir hochzuziehen und mir dabei die Jogginghose bis zu den Knöcheln runterzuziehen. Während ich so einen Blick im Spiegel auf mich erhasche, wie ich mit heruntergelassener Hose und einem T-Shirt voller Kinderzahnpasta dastehe, frage ich mich kurz, ob der Glamour-Faktor heute wohl noch steigen kann.

Und – wer hätte das gedacht – ja, er kann! Letzens war ich in einem Anflug von Übermut mit beiden Kindern auf einen Stadtbummel. Warum sollte man so etwas schließlich nicht allein mit zwei Kleinkindern machen können? Als „Trendy urban Mom“ mit Takeaway-Latte und Designer-Kinderwagen durch die Einkaufsstraße flanieren? Gut, es fing schon mal damit an, dass ich keinen Designer-Kinderwagen, sondern nur einen alten Buggy mit Geschwister-Board hatte, aber einen Becher Takeaway-Kaffee würde ich schon irgendwo auftreiben!

Bevor ich mir diesen genehmigte, wollte ich als gute Mutter aber zuerst meinen Kindern ein bisschen pädagogisch wertvolle Spielplatz-Zeit gönnen. Also beide Kinder raus aus dem Buggy und rein ins innerstädtische Spieleparadies! Schon bald musste ich jedoch feststellen, dass der Spielplatz vielleicht doch etwas zu „urban“ für meinen Geschmack war. Während ich mit der einen Hand versuchte, Noahs Sturz vom Klettergerüst zu dämpfen, pfriemelte ich Nico nämlich nach den ersten Minuten bereits drei Zigarettenstummel, ein benütztes Pflaster sowie den Verschluss einer Bierdose aus dem Mund.

Als das arme Kind nach einer Runde im Rindenmulch auch noch mit Schiefern übersät war und aussah, als wäre es gerade aus einer Kohlemine gekrochen, strich ich die Segel. Da ich das Wechselgewand klugerweise im Auto gelassen hatte (Anfängerfehler, ich weiß!), musste Nico eben jetzt nur in der Windel zurück in den Buggy – heiß genug war es ja Gott sei Dank.
Während ich noch versuchte, dem glamouröseren Teil meines City Trips etwas näher zu kommen, und motiviert das Kindergefährt durch die Einkaufsstraße schob, baute sich vor uns jedoch bereits der Anfang vom Ende in Form eines Springbrunnes auf. Habt ihr eurem Kind schon mal gesagt, es darf sich irgendwo NUR DIE FÜSSE nass machen? Ihr wisst schon, was jetzt kommt, oder…? Ich wusste es nicht.

Um Noah nicht den Spaß zu verderben, zog ich ihm die Schuhe aus und ließ ihn blauäugig in Richtung Springbrunnen hüpfen – wo ich ihm dann innerhalb 0,5 Sekunden dabei zusehen konnte, wie er sich als Ganzes komplett und absolut in den Brunnen setzte und als begossener Pudel wieder heulend zu mir zurücktrabte. Also goodbye Takeaway-Latte, goodbye Einkaufsbummel – hello Wechselgewand im Auto.

In Ermangelung einer besseren Lösung zog ich Noah bis auf die Unterhose (und die Gott sei Dank trockenen Schuhe!) aus und trabte mit zwei halbnackten Kindern unter den tadelnden Blicken zahlreicher Touristen durch die gesamte Innenstadt zurück zum Auto. Was habt ihr denn, seid ihr etwa noch nie mit zwei Kindern in Unterhose spazieren gegangen, ihre blöden Gaffer?!

Zurück in der Parkgarage entwertete ich resigniert das Ticket. Kaum kam dieses wieder aus dem Automaten (Experten wissen: Ausfahrt innerhalb von 10 Minuten!), verkündete Noah mir und allen anderen Anwesenden jedoch laut: „Muss gacka!“.

So bugsierte ich also mich, zwei halbnackte Kinder und einen Buggy in die Garagen-Toilette, in der es nicht nur laue 35°C, sondern auch ein Duft-Bouquet wie in einer Kloake in Kalkutta hatte. Bei diesem Unterfangen quetsche ich mir an der hygienisch schwer bedenklichen Klotür so den Fuß ein, dass ich die Hälfte des Toilettenpapiers, mit dem ich gerade fünflagig die Klobrille für Noah auslegte, gleich dazu benutzen konnte, mein Blut vom Boden aufzuwischen.

Während es sich Noah nun am Klo bequem machte und mir viele schöne Geschichten von Gott und der Welt erzählte, während er sich gemütlich auf sein Geschäft vorbereitete, schielte ich schön langsam nervös auf die Uhr. 10 Minuten – das würde knapp. Während mir Noah versicherte, dass „es bestimmt gleich kommt“ und er „nur noch ein bisschen probieren“ wolle, verstrichen die Minuten.
Nico brüllte inzwischen im Buggy zwischen mir und der Toilette eingekeilt wie am Spieß, während mein Schweiß und Blut sich in Tröpfchen einen Weg an mir hinunterbahnten und mein Stresspegel mit jeder Minute exponentiell anstieg.

Zuerst versuchte ich, Noah noch sanft zur Eile zu überreden, dann wurde ich insistenter und letzten Endes verlor ich dann doch die Nerven. Habt ihr euer Kind schon mal angeschrien, dass es jetzt verdammt noch mal ein bisschen schneller sch…. soll? Wahrlich keine meiner Sternstunden als Mama… Unverrichteter Dinge rannte ich schließlich mit zwei bitterlich weinenden (noch immer halbnackten) Kindern von der Garagentoilette zum Auto und schaffte es mit quietschenden Reifen gerade noch so durch den Ausfahrtsschranken. Das mit der Gelassenheit muss ich wohl noch ein bisschen üben…     

Sonntag, 9. Juli 2017

E-N-D-L-I-C-H!!!

Hand aufs Herz gibt's jetzt auch als Buch oder ebook und zwar zum Beispiel hier:

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 Für alle frisch gebackenen Mamas und solche, die's werden wollen. Mit allen bekannten und vielen neuen lustigen Geschichten rund ums Kinderkriegen und -haben. Wir freuen uns auf euer Feedback! Herzlichst, Susi und Sybille

Die gähnende Langeweile als Mutter

Zurzeit passiert es selten genug, dass ich mich mit erwachsenen Menschen an Orten treffe, die nicht der Spielplatz, der Zoo oder die Kinderecke von IKEA sind. Deswegen passiert es zurzeit auch noch viel seltener, dass ich mich mit Menschen treffe, die keine Kinder haben. Wenn es also dann doch mal geschieht, dass ich abends meinen Hintern von der Legostein-gespickten Couch hochbekomme, um mich mit Freunden aus meinem „alten Leben“ zu treffen, ist das immer ein kleines Highlight.


In letzter Zeit ist es aber immer öfter so, dass ich von solchen Highlights nicht über beide Ohren strahlend, sondern leicht grummelig nach Hause komme – und das aus einem ziemlich dämlichen Grund. Während die anderen von ihren Urlauben in Bali, ihren durchtanzten Nächten, den Grillfeiern, Konzerten und spontanen Städte-Trips erzählen, von all diesen Dingen, die ich in meinem alten Leben auch gemacht habe, komme ich mir daneben irgendwie langweilig vor. Soll ich jetzt etwa erzählen, dass mein Wochen-Highlight war, dass Noah heute ins Töpfchen gepinkelt hat? Oder dass es jetzt beim Hofer wieder günstige Kinderschuhe gibt?

Im Vergleich erscheint mir an solchen Abenden mein Leben einfach öd.


Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass meine kinderlosen Freunde mein Leben gar nicht wirklich öd finden, steigere ich mich innerlich trotzdem in höchste Empörung – mein Leben ist doch nicht langweilig, so eine Frechheit, was denken die überhaupt?! Nur weil ich jetzt Mama bin, kann ich doch wohl bitte noch immer ein voll geiles, spannendes, Instagram-würdiges Leben haben?! Die Antwort lautet natürlich ja.

Und ich lese beim Friseur auch wirklich besonders gern jene Klatschmagazin-Stories über Mütter, die mit ihren Babys auf Weltreise gehen oder zumindest drei Tage nach der Geburt mit ihnen im beschwingten Tragetüchlein auf den Mount Everest spazieren, aber jetzt sag ich’s mal ganz ehrlich: Ja, das Leben mit Kind IST an manchen Tagen auch einfach öde! Stinklangweilig sogar!

Oooh, ich sehe schon die kommentarwütigen Supermamis ihre Fingernägel wetzen – ich habe meine Kinder doch gar nicht verdient! Andere können überhaupt keine Babys haben und dann habe ich sogar zwei davon und wage es auch noch, mich darüber zu beschweren, dass mir langweilig ist! Meine Lieben, lasst den Zeigefinger bitte stecken – oder habt ihr euch wirklich, wirklich noch niiiie in eurem Leben über einen faden Tag in eurem Job beschwert? Den habt ihr euch nämlich auch selbst ausgesucht und das Glück hat auch nicht jeder – und trotzdem darf man am Abend auch mal bei einem Glas Wein so richtig drüber herziehen, oder?

Jedenfalls hat mich das Konzept „Langeweile“ im Zusammenhang mit Kindern echt überrascht. Als ich noch kinderlos war, dachte ich mir, dass mir auf jeden Fall eines nie mehr sein würde, wenn ich ein Baby hätte – fad. Und natürlich stimmt das auch irgendwie, denn an einem Tag mit meinen Jungs berührt mein Hintern wohl keine 10 Minuten am Stück einen Sessel und ich sitze sicher nicht Däumchen drehend in der Ecke und überlege mir, ob ich jetzt lieber „Shopping Queen“ anschalten oder ein Buch lesen soll.

Die Langeweile kommt eher durch die unglaubliche Vorhersehbarkeit gewisser Abläufe. Ich rede jetzt nicht von einem Tag, an dem wir in den Zoo fahren oder zum Spielplatz radeln (obwohl ich mir bei Gott auch etwas Spannenderes vorstellen kann, als zwei Stunden am Stück Sandkuchen zu backen), ich spreche von einem ganzen, langen, manchmal nicht enden wollendem Schlechtwettertag allein mit den beiden zu Hause.

Und ganz ehrlich – so ein Tag fühlt sich manchmal verdammt an, als wäre ich für alle Ewigkeit in „Täglich grüßt das Murmeltier“ gefangen. Manche Dialoge könnte ich wie in einem Lieblingsfilm auswendig vorhersagen und gewisse Details gleichen sich tagtäglich bis hin zum Silberfischchen ins Noahs Spielküche (Ich spüle es JEDEN Tag den Abfluss runter, wie schafft es dieser Zombie-Silberfisch da immer wieder raus??).

Viel zu früh aufstehen, neinichwillnichtZähneputzen, warumdauertdasFrühstücksolang, warumkannichkeineGummibärlihabenichwillaberjetztGummibärli haben….. Obwohl ich mittlerweile zur Spitzen-Animateurin geworden bin, ziehen sich solche Tage wie ein Strudelteig. Nachdem Noah jeden Programmpunkt unweigerlich nur 2 Sekunden interessant findet, weiß ich schon beim mühsamen Gefitzel mit dem Kartoffeldruck-Stempel (ich HASSE basteln!!!), dass ich genau sobald ich damit fertig bin, Malschürze, Pinsel, Wasserfarben, Zeitungspapier, Wasserglas, Block und Kartoffelschalen wieder wegräumen kann, weil der Herr dann lieber Verstecken spielen möchte.

Auch dieses Spiel ist jeden Tag wieder an Spannung nicht zu überbieten. Falls ihr noch nie mit einem 3-Jährigen Verstecken gespielt haben solltet: Er wird euch immer im Vorhinein sagen, wo er sich versteckt. So liegt er dann vor Freude quietschend mitten auf der Couch und schreit „Mama, I versteck mir jetzt auf die Couch!“, während ich mir größte Mühe gebe, ihn dort nicht zu finden. Auch dieses Spiel dauert selbstverständlich nur 5 Minuten und so ist es oft genug nach einer Runde Kartoffeldruck, Jausnen, Playmobil, Puzzeln, Jausnen, Autospielen, Verstecken, Malen, Jausnen und nochmal Jausnen erst 10.00 Uhr und ich überprüfe zum fünften Mal, ob bei meiner Armbanduhr schon wieder die Batterie leer ist.

Ich weiß, wenn man die 500 Mal Windeln wechseln dazuzählt, das schreiendes Kind trösten, Spielzeug wieder aufbauen, Anziehen, Ausziehen, Herumtragen, Sreithähne schlichten, verschüttetes Getränk aufwischen, komplett Umziehen, weil Nico jedes Mal genau dann in hohem Bogen auf mein frisches T-Shirt pinkelt, wenn ich seine Windel aufmache – dann kommt dabei alles andere als ein langweiliger Tag heraus. Im Gegenteil, oft bin ich nach solchen Tagen körperlich geschaffter als an anderen, aber trotzdem sind es gerade diese Tage, an denen ich mich oft dabei ertappe, wie ich mir einen ganz normalen 8h-Arbeitstag wünsche und davon fantasiere, mich (allein!) auf einem Sessel sitzend und mit einer Tasse Kaffee (die ich auch austrinken kann) mit einem erwachsenen, vernünftigen und realistischem Problem zu beschäftigen, das weder Gummibärli noch ständig runterfallende Playmobilhelm-Visiere beinhaltet.

Stattdessen sitzt man den Tag irgendwie ab, verkleidet sich als Pirat, baut ein Lego-Hotel nach dem anderen, liest 300 Mal „Leo Lausemaus“ und schielt dabei auf die Uhr, bis endlich „Tom und Jerry“ im Fernsehen läuft oder der Mann von der Arbeit heimkommt – der wahrscheinlich den ganzen Tag davon fantasiert hat, sich mit weniger erwachsenen, vernünftigen und realistischen Problemen zu beschäftigen.

Wie dem auch sei: Ich ziehe meinen Hut vor allen Mamas, die solche langen Tage zu Hause mit den Kleinen von A-Z nur genießen und denen beim Wasserfarbenmalen das Herz aufgeht. Ich für meinen Teil habe erkannt, dass wir spätestens zu Mittag raus aus dem Haus müssen. Und Gott sei Dank gibt’s da ja immer noch IKEA.

Sind wir nicht alle ein bisschen #TeamMom?

Sobald man ein Kind hat, kommt man unweigerlich auch mit anderen Mamas in Kontakt. Ob im Geburtsvorbereitungskurs, bei der Babymassage oder am Spielplatz – plötzlich sind da ein Haufen anderer Frauen, die in derselben Situation sind wie man selbst. Grundsätzlich ist das natürlich toll, schließlich ist man jetzt im selben Boot und kennt die Probleme der Mama genau, die sich gerade neben dir verstohlen die Babykotze aus dem Ausschnitt wischt.

Auf der anderen Seite ist das nur leider kein Garant dafür, jeder anderen Mama am Spielplatz sofort als BFF um den Hals zu fallen. Klar ist man irgendwie in derselben Situation – aber ist man das nicht auch, wenn gerade beide an der Wursttheke 15dag Extrawurst kaufen? Irgendwie logisch, dass man sich nicht allein aufgrund der Tatsache, dass beide ein Kind haben, supergut versteht – ich persönlich musste das allerdings in meiner Baby-Naivität erst auf die harte Tour lernen.

Als ich nach den ersten Wochen mit Noah endlich die Gelegenheit hatte, mich mit anderen Mamas auszutauschen, schüttete ich ihnen sofort mein Herz über alle meine Probleme und Sorgen aus – und wurde von vielen mit verständnislosen Blicken bedacht. „Ja dann muss er halt lernen, allein im Beistellbettchen einzuschlafen, das klappt bei meiner Maus ganz toll!“ „Wie, du wärst am liebsten mal eine Stunde ohne Kind? Das ist doch das Schönste auf Erden!“ „Ach, Fläschchen gibst du ihm? Nicht stillen?“

Plötzlich war ich mit einer Art von persönlicher Kritik konfrontiert, die ich so bisher nicht gekannt hatte. Ganz herablassend wurde da oft das Hipp-Gläschen beäugt, das ich nicht im Dampfgarer aus selbst angebauten Biokarotten gekocht hatte, und verständnislos der Kopf geschüttelt, wenn mein Kind zum ersten Geburtstag ein Stückchen nicht vegane, absolut nicht zuckerfreie Schokotorte essen durfte.

Oft hatte ich das Gefühl, dass in jedem noch so zuckersüß vorgetragenen Satz eine subtile Kritik versteckt war: „Ah, du hast noch den Fellsack! Ja, also meinem Schatz wäre das ja jetzt schon viiiiel zu heiß!“. Sicher interpretierte ich oft auch einen missbilligenden Ton in Aussagen hinein, die gar nicht so gemeint waren, aber sehr bald nervten mich diese ganzen selbsternannten Profi-Mamas mit ihren unumstößlichen Wahrheiten ganz kolossal. Die Lederpatschen falsch gegerbt, die Babyreiswaffeln zu viel Zucker, der Kinderwagengriff enthält Weichmacher – grundsätzlich war irgendwie alles, was ich tat, offenbar ganz, ganz schlecht für mein Kind. Was, und nach einem Jahr arbeiten gehst du auch schon wieder – na gute Nacht, da ist Noah ja sowieso schon ein Fall für den Baby-Psychologen!

Bis heute verstehe ich nicht, warum wir Mamas nicht ein bisschen mehr zusammenhalten. Gern beschweren wir uns, dass wir als Frauen benachteiligt werden, aber ganz ehrlich – oft genug machen wir uns untereinander das Leben viel schwerer! Die kränkendsten Kommentare und herablassendsten Blicke in puncto Kindererziehung habe ich nämlich niemals von Männern, sondern nur von anderen Mamas erlebt, die eigentlich genau wissen müssten, wie schwierig das alles einfach manchmal ist.

Der Vorteil an der Sache ist, dass die wahren Mama-Freundinnen, die man in den Geburtsvorbereitungskursen und Babyschwimmkursen dieser Welt findet, dazwischen wie ein wahres Goldstück hervorleuchten. Plötzlich hat man da jemand Verbündeten, der vielleicht auch einen harten Tag mit den Kleinen hatte und es versteht, wenn man sie heute Morgen am liebsten der Bäckereifachangestellten vererbt hätte. Eine wahre Freundin ist die, die nicht blöd redet, wenn das Kind mal statt dem Biobrei einen Fruchtzwerg bekommt, sondern für die Mamas gleich noch die Familienpackung Eis dazu aus dem Tiefkühler holt.

Wir Mamas sollten nicht ständig versuchen, uns zu übertrumpfen und anderen ein schlechtes Gewissen einreden, nur damit wir selber besser dastehen. Wir sollten zusammenhalten, Verständnis aufbringen, auch mal die eigene Meinung runterschlucken und stattdessen ein paar aufmunternde Worte oder auch nur kommentarlos eine Tasse starken Kaffee schenken – denn genau das würden wir uns selbst in manchen Situationen wünschen. Wir spielen alle im selben Team – vielleicht lasse ich einfach in naher Zukunft ein paar #TeamMom -T-Shirts dafür drucken!

Bussi, Baby, Bussi!

Bevor Noah zur Welt kam, hatte ich 1000 Bedenken. Ich hatte Schiss davor, dass ich das alles nicht können würde. Und mit „alles“ meine ich nicht nur Windeln wechseln, Fläschchen machen, Kinderwagen aufbauen – nein, mit alles meine ich wirklich alles. Würde ich das überhaupt können, ein Kind haben, Mutter sein?

Bei all meinen Sorgen war ich mir nur einer Sache sicher: Das einzige, was ich zu 100% können würde, war, dieses kleine Wesen lieb zu haben. Es zu drücken, zu knuddeln und mit ihm zu schmusen als gäbe es kein Morgen. Und schließlich hieß es doch, dass das das Wichtigste war, um ein fröhliches, glückliches Kind großzuziehen!

Als Noah dann da war, stellte sich nur leider ziemlich schnell heraus, dass er genau die eine Sache, die ich ihm mit voller Kompetenz hätte geben können, gar nicht haben wollte. Während andere Mütter mir erzählten, dass ihre Babys permanent getragen werden wollten, nur auf ihnen einschliefen und sich nur an Mama gekuschelt irgendwie beruhigen ließen, war Noah das genaue Gegenteil. Er wollte weder so richtig geknuddelt, noch abgeschmust oder dicht an mich gekuschelt werden. Und wenn er mal zu brüllen angefangen hatte, wollte er ganz sicher eines nicht: bei mir am Arm sein. Stattdessen beruhigte er sich am ehesten, wenn man ihn frei auf eine Decke legte und ihm seine heilige Ruhe ließ.

Auch wenn es sicher Vorteile hatte, dass ich das Haus auch mal ohne Tragetuch verlassen konnte, war die Schmuseverweigerung meines Kleinen ein riesengroßes Problem für mich. Wickeln, Fläschchen und Kinderwagen hatte ich bald raus – aber welche Mutter kommt sich nicht vollkommen überflüssig vor, wenn sie ihr weinendes Kind am besten dadurch tröstet, dass sie sich wenn möglich in Luft auflöst?!

Klar, so extrem war die Situation in Wirklichkeit nur in meinem Kopf, aber trotzdem fehlte mir ganz einfach der Körperkontakt, die Bindung, die absolute Enge zu meinem Sohn – und dabei hätten wir beide nach dem problematischen Kaiserschnitt wohl gerade das am Allernötigsten gehabt. So hatte ich in schlimmen Phasen aber oft regelrecht das Gefühl, dass Noah mich schlicht und einfach nicht besonders mochte. Kaum zog er vom Beistellbettchen in sein eigenes Zimmer um, schlief er plötzlich besser und wenn er mal einen Heulkrampf hatte, tröstete ihn auch sein Knisterbuch um einiges schneller als mein Arm.

Die meisten anderen Mamas konnten mein Problem absolut nicht verstehen – wie, ein Kind, das nicht am liebsten bei Mama am Arm ist? Gibt’s nicht! Gibt’s doch – und so richtig wurde mir das erst bewusst, als Noahs kleiner Bruder kam. Denn wo Noah die meiste Zeit seinen persönlichen Wohlfühlabstand brauchte und sich mehr amüsierte, wenn man neben ihm auf der Spieldecke lag als quasi auf ihm drauf, war Nico das genaue Gegenteil: Jede Sekunde des Tages (und der Nacht, nicht zu vergessen) hatte ich das Gefühl, dass er am liebsten wieder in mich hineinkriechen würde. Riss der Körperkontakt auch nur für eine Minute ab, begann er, bitterlich zu weinen und ich fand mich plötzlich in einer völlig neuen Situation wieder.

Anfangs genoss ich dieses für mich neue Gefühl einfach nur – ich knuddelte und schmuste, streichelte und kramte das unbenutzte Tragetuch aus Noahs Schrank hervor. Doch schnell dämmerte mir, dass dieses unbedingte Nähegefühl meines Sohnes auch ganz schön anstrengend war. Plötzlich verstand ich, worüber sich die Baby-nicht-wegleg-Mamas immer beklagt hatten: Denn auch die größte Schmusemama möchte/muss einmal ihr Kind weglegen – besonders wenn da auch noch ein älteres Geschwisterkind versorgt werden will.

Nur hatte Nico dafür leider so gar kein Verständnis. Sowohl tags als auch nachts schlief er nur auf mir und den Großteil des Tages verbrachte er im Tragetuch oder auf meinem Arm. Problematisch wurde das nicht nur, weil man ganz schwer einhändig ein Butterbrot für das ältere Kind schmieren oder mit Tragetuch duschen gehen kann, sondern auch, weil ich irgendwann einfach auch gern mal fünf Minuten haben wollte, in denen mich der kleine Wurm nicht vollkommen und komplett körperlich vereinnahmte. Natürlich wollte ich ihm all die Nähe geben, die er so dringend zu brauchen schien, aber wenn er gerade wegen Bauchweh, Müdigkeit oder allgemeiner Verstimmung stundenlang am Stück geschrien hatte, fiel es mir emotional oft schwer, ihn mir auch dann noch Stunde um Stunde so eng wie möglich umzuschnallen.

Jetzt, wo beide aus der Säuglingsphase raus sind, haben sich sowohl Noahs Kuschelverweigerung als auch Nicos Klammeräffchen-Dasein absolut relativiert. Während Nico in seinem Entdeckerdrang gerade nicht weit genug von mir wegrobben kann, um zu versuchen, ob diese tollen kleinen Kügelchen im Blumentopf nicht vielleicht doch essbar sind, fordert Noah meist schon in der Früh, dass er jetzt „kuscheln mag“. Rückblickend war also bei beiden die ganze Aufregung umsonst.

Nur weiß ich jetzt, wo ich beides erlebt habe, dass ich sicher keine Mama je mit einem verständnislosen „Gibt’s doch gar nicht!“ abtun werde. Sowohl ein Baby zu trösten, dass kein Fan von Körperkontakt ist, als auch bei einem absoluten Kuschelmonster selbst noch Luft zum Atmen zu behalten, sind beides an manchen Tagen unsagbar schwierige Aufgaben. Patentrezept habe ich leider weder für den einen, noch für den anderen Fall. Hilfreich ist in dieser Zeit aber auf jeden Fall der liebe Göttergatte. Im einen Fall bekommt er das kuschelsüchtige Kind einfach mal selbst umgeschnallt und im anderen? Muss er halt für die Schmuserei herhalten.

Wahnsinn im Doppelpack

„Eins ist keins und zwei sind drei“ – diese Weisheit grummelte mir während der Schwangerschaft mit meinem zweiten Kind immer wieder unangenehm in der Magengegend herum.

Sicher, zwei Kinder, das würde schon anstrengend werden, aber andererseits – jetzt wüsste ich doch schon, wie der Hase läuft? So unbeholfen und restlos platt wie beim ersten Mal konnte ich doch gar nicht mehr sein?

Wie gern würde ich behaupten, ich hätte das Ding diesmal mit links aus dem Ärmel geschüttelt – aber auch beim zweiten Mal hat mich die Naturgewalt Kind wieder komplett überrollt, vermutlich weil ich beim Zebrastreifen einfach in die falsche Richtung geschaut habe. Erwartet habe ich nämlich, dass von rechts beim zweiten Mal alles gleich kommt wie beim ersten Mal, nur eben doppelt – nur kam dann von links wieder alles komplett neu und anders. Mit zwei Kindern habe ich jetzt endgültig keinen Plan mehr, wie man das kompetente Supermom-Dings hinbekommt – die hilfreichen Tipps müsst ihr euch also woanders holen. Ich kann nur versuchen, ansatzweise zu erklären, was in meinem Herz und Hirn mit zwei Kindern anders ist als mit einem.
 
Die Schwangerschaft

Während man beim ersten Kind ja nur theoretisch weiß, was auf einen zukommt, weiß man das bei der zweiten Schwangerschaft ja leider ganz genau. Vieles vergisst/verdrängt man zwar, aber sich vollkommen rational nochmal für den ganzen Wahnsinn zu entscheiden, ist eigentlich schon ein wenig masochistisch. Ja, gib mir nochmal den Geburtsschmerz, die durchwachten Nächte, ich kann nicht genug bekommen von angekackten Windeln! Das zweite Kind ist deswegen wohl noch viel mehr eine Herzensentscheidung als das erste. Man weiß das alles – und tut’s trotzdem. Zwar aus voller Überzeugung, aber spätestens bei den ersten Schwangerschafts-Wehwechen denkt man schon bei sich „Ach, stimmt… so war das ja, hmmm…!“

Die zweite Schwangerschaft ist noch dazu meist ein ganz anderes Kaliber als die erste. Nicht nur, dass ich diesmal schon nach 4 Wochen den ersten Knopf von der Hose sprengte, nein, jetzt war da ja auch noch ein 2-Jähriger, der in den Zeiten, in denen ich mich in der ersten Schwangerschaft zum Ausruhen auf die Couch gelegt hatte, lieber Radfahren, Fangenspie-len oder sich von einem Sessel stürzen wollte. Während ich bei Noahs Schwangerschaft also erst relativ spät den Wunsch verspürte, dass das alles jetzt dann auch mal wieder vorbei sein dürfte, ertappte ich mich bei Nico schon während der ersten Monate bei dem Gedanken: „Oida, I mog jetzt scho nimma…“. Dabei half auch nicht gerade, dass ich in der zweiten Schwangerschaft gefühlt das 17-Fache zunahm und wie ein gestrandeter Blauwal hinter meinem 2-Jährigen herschnaufte. Diese Zusatzkilos sind übrigens auch nach der zweiten Schwangerschaft viel schwerer wieder loszukriegen als nach der ersten – schöner macht einen das zweite Kind also definitiv nicht. Ich kann hier nur meinen mittlerweile 3-jährigen Sohn zitieren: „Mama! Du hast ja zwei verschiedene Busen! Einer ist länger als der andere!“

Die Experten-Illusion

Kaum ist das zweite Baby da, denkt man: Been there, done that! Gekonnt schunkelst du das Kleine im Wippschritt durch das Zimmer, zupfst dabei mit links eine Windel aus der Packung und wärmst mit rechts das Fläschchen. Easy – schließlich hast du das alles schon mal ge-macht! Aus dieser Erfahrung ziehst du auch deine Experten-Tipps: Ah, das Baby schreit, dann packen wir’s mal in den Kinderwagen, da hat Noah auch immer gleich zu weinen auf-gehört. Oh, jetzt ist es müde, dann ab ins Auto, hat ja bei Noah auch geklappt wie am Schnürchen! Nur leider: Wie bei einem großen kosmischen Streich ist beim zweiten Kind (zumindest bei uns) alles anders.

Stutzig wurde ich ja schon, als Nico nach der Geburt nicht sofort wie sein Bruder damals den Schnuller quasi inhalierte. Hä, wieso spuckt der den jetzt bitte aus?! Und genauso ging es mir mit meinen anderen todsicheren Tricks: Nico hasste sowohl den Kinderwagen als auch das Autofahren und fand sowieso und grundsätzlich alles doof, was Noah in seinem Alter toll gefunden hatte. Eigentlich war es fast ein Running Gag – was, den Brei hat Noah damals geliebt? Na dann brauch ich ihn Nico gar nicht erst zu geben!

Einerseits wird einem so natürlich bewusst, was für einen tollen, eigenständigen Charakter auch das zweite Kind hat – aber als Mama wird man so erst mal wieder zurück zum Start geschickt. Man ist wieder genauso ratlos wie zuvor und muss sich für das zweite Kind völlig neue Strategien suchen. Plötzlich war ich also keine Kinderwagen-Mama mehr, sondern ver-ließ das Haus nicht mehr ohne Tragetuch. Das Fläschchennahrungs-Regal musste ich auch von Neuem von A-Z durchprobieren, bis ich endlich die Marke fand, die Sohn 2 noch das erträglichste Verhältnis von Blähungen zu Verstopfung bescherte. Ganz sicher gibt es Kin-der, die sich total ähnlich sind – meine sind auf jeden Fall wie Tag und Nacht. Einig sind sie sich noch in äußerst wenigen Ansichten – höchstens in der, dass Mama jetzt sicher nicht mal 5 Minuten mit einer Tasse Kaffee auf der Couch sitzen soll.

Die "Zwei sind drei"-Kiste

Ich fürchte fast, der doofe Spruch hat recht. Zumindest fühlt es sich für mich an manchen Tagen definitiv so an, als hätte ich mehr als zwei Kinder. Evolutionär gesehen hat die zweite Schwangerschaft nämlich ein riesengroßes Manko: Man bekommt zwar mehr Körperfett, nicht aber mehr Arme mitgeliefert. Und die könnte man mit zwei Kindern unter 3 Jahren weiß Gott gebrauchen! Bereits die ersten Stunden des Tages fühlen sich mit zwei Kindern eher an wie Schokolade-Schneiden auf einem Kindergeburtstag. Kaum habe ich mir einen Klecks Zahnpasta auf die Bürste gedrückt oder zum ersten Schluck meines Frühstückskaffees an-gesetzt, fliegt entweder einer der beiden gegen eine spitze Kante, kackt in die Windel, schiebt sich einen Legostein in die Nase oder schreit einfach so. Kaum hat man Zahnbürste und Kaffee fallen gelassen, um zu Kind 1 zu eilen, fängt unweigerlich auch Kind 2 zu brüllen an. Hat man endlich beide versorgt, ist nicht nur der Kaffee kalt, sondern wahrscheinlich ohnehin gar keine Zeit mehr, ihn zu trinken, weil man schon ungeduscht und mit dem fleckigen Gewand von gestern zum Kinderarzt-Termin eilen muss.

Generell ist Zeit ein Gut, das man mit neuen Augen sieht. Plötzlich denkt man sich: „Verdammt, wie viel Zeit hatte ich eigentlich mit nur einem Kind!“ Früher hat sich das natürlich nicht so angefühlt, aber mit zwei wird einem bewusst: Man war quasi noch im Kinder-Zeitparadies. Und damit meine ich nicht nur Zeit für sich selbst (haha), sondern vor allem auch Zeit für das Baby. Hatte man bei Kind Nr.1 etwa noch schlicht und einfach die Zeit, ihm in Ruhe das Fläschchen zu geben, ihm die Windel zu wechseln oder es in den Schlaf zu wiegen, wird das mit Kind 2 im Schlepptau oft zum Spießrutenlauf. Kind 1 findet es nämlich total doof, wenn Kind 2 plötzlich alle Aufmerksamkeit der Mama angedeiht und sei das auch nur für 5 Minuten. Beim Flaschi geben versucht Noah unweigerlich, Nico gleichzeitig ein Spielzeug in den Mund zu schieben oder kommt auf die Idee, GENAU jetzt in die Windel kacken zu müssen, beim Wickeln hängt er meist wie ein gröhlender Koalabär auf meinem Rü-cken. Und vom Kind 2 in den Schlaf wiegen will ich gar nicht sprechen. Ich habe ja mal gehört, dass Zweitgeborene selbst bei Düsenjet-Lärm einschlafen können – tja, demnach hätte Nico definitiv ein Erstgeborener werden müssen. Und versuch doch mal, ein lärmempfindliches Kind zum Mittagsschlaf zu bringen, wenn daneben ein 3-Jähriger Christl Stürmer-Lieder singt (echt jetzt) oder seine Bob der Baumeister-Werkbank behämmert. Ich kann Noah noch so oft auf Knien anflehen, dass er bitte nur für 2 Minuten EIN BISSCHEN leiser sein soll – just in dem Moment, in dem Nico endlich die Augen zufallen, ertönt unweigerlich ein lautstarkes „Maaaaaamaaaa!“ – und der ganze Tanz geht von vorne los. Über den Schlaf in der Nacht will ich da gar nicht erst reden. Sagen wir nur so: Die erste Nacht, in der plötzlich nicht mehr nur ein, sondern zwei Kinder brüllten und sich gegenseitig aufweckten, werde ich so schnell nicht vergessen…!

Die Explosion der Umständlichkeit

Besonders am Anfang ist mit zwei Kindern alles plötzlich exponentiell kompliziert. Will man mit beiden das Haus verlassen, ist man bepackt wie für eine 3-monatige Mount Everest-Expedition. Mit beiden Kindern kurz mit dem Auto zum Park fahren? Kein Problem, da muss ich nur noch Tragetuch, Regenschutz, Fläschchen, Windeln, Jause, Laufrad, Radhelm, Wechselgewand, Sandspielzeug, Milchpulver, Feuchttücher, Gatschhose, Ersatzschnuller und Spuckwindeln einpacken! Und dann nur noch alles im nächsten Geschäft nachkaufen, das ich garantiert vergessen habe… In den ersten Monaten brauchte ich ohne Witz teilweise mehr als eine Stunde, um beide Jungs und mich ausgehfertig zu bekommen, was teilweise auch daran lag, dass im Winter einfach alles noch 1000 Mal umständlicher ist. In dem Zeitraum, in dem ich die zwei achtarmigen Kraken und mich in fünf Schichten Wintergewand gestopft hatte, fing mindestens einer davon zu heulen an (manchmal auch ich) und ein anderer kackte sich in die Hose (Gott sei Dank nicht ich).

Mal „kurz“ raus zum Spielplatz wird also zur Tagesmission, die unweigerlich schon vor Start in Tränen endet. Und obwohl mal wirklich alles tut, um das Ganze für alle Beteiligten so kurz und schmerzlos wie möglich über die Bühne zu bringen, bekommt man in so Situationen ein unheimliches Versagensgefühl. Klar heult der eine, weil er schon seit einer Stunde drauf wartet, dass er endlich raus darf, klar weint der andere, weil er die Windel voll hat – und als Mama steht man immer zwischen den Stühlen. Es zerreißt einem oft das Herz, weil man immer nur gleichzeitig für einen da sein kann und meint, den anderen unweigerlich im Stich zu lassen. Generell muss man gerade am Anfang die Dinge, die beiden gleichzeitig Spaß machen, mit der Lupe suchen.

Die unweigerliche Konsequenz: Man schmeißt noch mehr Prinzipien über Bord, als man es mit nur einem Kind schon getan hat. Kind 1 möchte heute den ganzen Tag mit der Unterhose am Kopf herumrennen, während Kind 2 den Mund voller Morgenzeitungs-Papierfutzel hat und man selber seit drei Tagen im selben T-Shirt mit Babykotzefleck herumrennt? Früher hätte ich mir das in meinem Mama-Perfektionismus nicht erlaubt. Heute denke ich mir zu-mindest bei den meisten Dingen: Pfeif drauf, wenn sie’s glücklich macht. Erfolg bedeutet für mich heute an manchen Tagen schon, wenn um 12.00 Uhr mittags zumindest zwei von uns drei nicht mehr den Pyjama anhaben.

Zwei Kinder zu haben ist extrem. Extrem anstrengend, extrem kräftezehrend, extrem mühsam. Aber: Es ist auch irgendwie extrem schön. Denn genauso schnell wie die Situationen zur kompletten Katastrophe eskalieren, weil der eine dem anderen beim Spielen auf den Kopf fällt, beide gleichzeitig um 04.00 Uhr früh draufkommen, dass sie jetzt gern die Mama nur für sich hätten oder der Kleine dem Großen die Duplo-Burg zerstört – genauso schnell geht plötzlich der umgekehrte Weg. Wenn man sieht, wie die beiden plötzlich beim Spazierengehen Händchen halten, oder der Kleine den Großen anstrahlt, als wäre er ein Superheld, dann fühlt sich das gut an. Obwohl gerade am Anfang jeder Tag eine Katastrophe war, hat sich doch jeder davon irrationalerweise richtig angefühlt. Vorher war da ein Kind, auf das sich immer alles konzentriert hat. Jetzt ist da auf einmal noch jemand und aus diesem spitzen Dreieck ist plötzlich etwas Rundes geworden. Oder sagen wir zumindest etwas verbeultes, verrücktes, annähernd Eiförmiges.

Baby und Beruf – ein Ding der Unmöglichkeit?

Ich bin kein Mensch, der von hochfliegenden Karriere-Aussichten oder massig Geld motiviert wird. Ich will weder Head of Superwichtig werden, noch monatlich Millionen aufs Konto überwiesen bekommen. In erster Linie sollte mir mein Job halbwegs Spaß machen und die Rechnungen bezahlen. Gut, meine zahlreichen (Da)Neben-Jobs und Ferialpraktika haben mich gelehrt, dass ich weder als Berufsverpackerin von Hundekauröllchen noch als Buskartenverkäuferin am Park&Ride-Parkplatz glücklich werde, aber will sagen: Meiner Meinung nach habe ich keine übertrieben fantastischen Erwartungen an einen Job.

Kaum hat man ein Kind, werden jedoch die scheinbar geringsten Anforderungen plötzlich zum dreisten Hirngespinst. Wie, Sie wollen keine 40 Stunden arbeiten? Und auch noch etwas machen, das Sie gelernt haben? Spontan am Wochenende nach Wladiwostok schicken dürfen wir Sie auch nicht? Also bitte, hätten Sie vielleicht auch gern noch ein Einhorn statt dem Firmenwagen?!

Viele Mamas da draußen werden jetzt wissend nicken, aber ich war ehrlich gesagt diesbezüglich lange Zeit sehr blauäugig. Schließlich hatte ich eine entsprechende Ausbildung, war halbwegs gut in dem, was ich tat und mullte (ein Zwitterwesen aus musste und wollte) bereits nach nur einem Jahr Karenz wieder arbeiten gehen – wo sollte da das Problem liegen, nur weil ich dann ein paar lächerliche Wochenstunden weniger zur Verfügung stehen würde?

Ein Jahr nach Geburt meines eigenen Kindes sah die Welt allerdings auch für mich anders aus. In meinen alten Job konnte ich nicht mehr zurück, weil dort kompromisslos keine Möglichkeit bestand, an nur zwei Tagen die Woche zu arbeiten. Und ein neuer Job schien ungefähr so unerreichbar zu sein wie ein Lotto-Sechser. Es war nicht so, dass es keine Angebote in meinem Bereich gegeben hätte, bei manchen davon passte mein Profil sogar wie die Faust aufs Auge, doch sobald ich beim Vorstellungsgespräch das Wort „Teilzeit“ in den Mund nahm, sahen mich alle an, als hätte ich gerade um einen goldenen Bürostuhl mit Discobeleuchtung gefragt. Wie, nur 15 Stunden? Und der Rest?!

Ich konnte mir den Mund fusselig reden, dass ich eine äußerst effiziente und schnelle Arbeitsweise hätte und mir sehr wohl vorstellen könnte, das veranschlagte Pensum in zwei Tagen zu schaffen – sobald das böse T-Wort ausgesprochen war, wurden bei meinem Gegenüber automatisch die Ohrmuscheln eingeklappt. Es ist nicht so, dass ich die Firmen dabei nicht auch ein bisschen verstehen könnte. Da ist eine, die ist nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit unter meiner Kontrolle, da ist dann dauernd das Kind krank oder sie muss zum Weihnachts-Krippenspiel oder, Gott bewahre, sie kommt überhaupt noch auf die Idee, dass sie auch noch einen zweiten Fratz möchte.

Wenn man wie ich jahrelang in 40-Stunden-Anstellungen gearbeitet hat, kann man aber über solche Argumente bestenfalls milde lächeln. Kein Mensch ist die 40 Stunden, die er im Büro ist, wirklich produktiv. Ich habe Kollegen erlebt, deren Verhältnis von Kaffeepause zu Arbeitszeit pro Woche bei 90:10 lag oder die sich unter dem Deckmantel der „Kreativrecherche“ stundenlang Youtube-Videos ansahen. Und da ist eine Teilzeitmutter, die auf die harte Tour gelernt hat, dass wirklich jede Minute bis zum Maximum ausgenutzt werden kann („Das Kind schläft für fünf Minuten, da kann ich locker Wäsche waschen, bügeln, duschen, das Mittagessen kochen und alle angetrockneten Keksreste von der Wohnzimmerlampe kratzen!“) und die mit einer Nervenstärke sekundenschnell gleichzeitig eine Präsentation tippen, den Kunden am Telefon davon überzeugen, dass er seinen Auftrag eigentlich viel lieber eine Woche später bekommen würde, und ihr Kind wickeln kann, sicher nicht die schlechtere Lösung.

Ich finde es traurig, dass Frauen mit Kind oft nur mehr in „klassischen“ Teilzeitberufen auf mittlerem Sekretariats-Niveau eine Anstellung finden, obwohl sie gerne mehr leisten würden. Und dabei will ich nichts gegen Sekretärinnen sagen, die haben mit ihrem Chef oft ohnehin tagtäglich eine klassische Mutter-Kind-Situation zu bewältigen („Ich will das aber!“), aber es muss doch auch die Möglichkeit geben, dass Mamas ganz einfach in ihrem „alten“ Job als Architektin, Biochemikerin, Kreativdirektorin oder weiß der Kuckuck arbeiten, nur eben ein kleines bisschen weniger? Warum fühlt man sich als Teilzeit-Mama plötzlich wie eine lästige Spendensammlerin, die Unternehmen anbetteln muss, dass sie doch bitte, bitte ihre hochwertige Spitzenarbeit für sie verrichten darf? In Zeiten, in denen Argumente wie „Frauen zurück an den Herd“ eigentlich schon lang Geschichte sein sollten, erscheinen mir solche Schwierigkeiten einfach nur lächerlich.

Nein, nicht jede Mama möchte mit Kind wieder arbeiten gehen und es ist auch beileibe nicht so, dass der 24h-Stunden-Job daheim nicht schon auslastend genug wäre. Aber diejenigen, die vielleicht arbeiten gehen müssen, weil das gemeinsame Einkommen sonst nicht reicht, oder die sich einfach nur beruflich ein bisschen selbst verwirklichen wollen – die sollten von den Unternehmen respektvoll behandelt und als das gesehen werden, was sie sein können: wertvolle Arbeitskräfte, die wissen, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Und die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei jedem Notfall ein Winnie Pooh-Pflaster zur Hand haben.

Die perfekte Mutter gibt's nicht!

"Die perfekte Mutter gibts nicht!" - Das sagen nur Mütter, die sich nicht ausreichend anstrengen wollen, dachten wir. Und dann war es soweit und wir sind dagesessen und haben uns gefragt: „Wo genau hab ich eigentlich die Abzweigung ins pure Babyglück verpasst“? Wir hatten uns doch vorgestellt, den Zwerg im Arm zu halten und vor lauter Glück gar nicht mehr zu wissen, wohin damit! Hat einem nicht jeder immer und immer wieder suggeriert, dass es so und nicht anders sein würde?

Heißt es, dass man an einer ausgewachsenen Wochenbettdepression leidet, wenn man sich nur wenige Tage nach der Geburt wünscht, dem Zalando-Boten das Packerl mit der kleinen Kratzbürste wieder mitgeben zu können, versandkostenfrei versteht sich? Geht man auf direktem Weg in die Hölle der Rabenmütter, wenn man sich beim Anblick jeder sich frei bewegenden Frau auf der Straße denkt: „Warum hat die da eigentlich das Recht, so frei und ungebunden rumzulaufen, während ich mit dem Maxi Cosi quasi verwachsen bin“?

Und warum ist es so unsagbar schwer, solche Dinge einfach mal offen auszusprechen? Warum vernimmt man fast unweigerlich auch in der Mimik der allerallerbesten Freundin ein subtiles irritiertes Zucken, wenn man nicht vor Euphorie ganz hingerissen ist, sondern vielleicht gerade mit einem Anflug von Panik festgestellt hat, dass das Baby manchmal, wenn man genau hinsieht, eher der Schwiegermutter ähnelt, obwohl es doch für einen selbst das allerschönste Baby der Welt sein sollte?

Und warum wird man von allen Seiten schief angeschaut, wenn auf jede kleine, unangenehme Wahrheit nicht prompt der Nachsatz folgt, dass man ja eh soo viel zurück bekommt?
Warum werden Mütter schief angeschaut, wenn sie auch unangenehme Wahrheiten aussprechen?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ja, wir lieben unsere Kinder. Wir sind unendlich dankbar, dass sie gesund und munter sind und wir wissen auch, dass uns damit ein unglaublich großes Glück geschenkt wurde.

Nichtsdestotrotz reichen beide Hände nicht aus, um jene Tage abzuzählen, an denen wir wegen ihnen durch die Hölle gegangen sind. Und damit meinen wir nicht mal einen kurzen Anflug von Genervtheit, sondern ehrliche, wirkliche Verzweiflung. Den schreienden Wunsch, aus dem Haus zu laufen, sich ins nächste Flugzeug zu setzen und einfach alles für immer hinter sich zu lassen.

Besonders schlimm ist es dann, wenn man einem „absoluten Muttertier“ in freier Wildbahn begegnet. Ein seltenes Exemplar, das völlig aufzugehen scheint in ihrer Rolle, als hätte das Leben nie etwas anderes mit ihr vorgehabt, als wäre es ihre einzige und erfüllende Bestimmung, den lieben Kleinen den Gatsch aus dem Nacken zu kratzen, wenn die auslaufsicherste Windel am Markt doch versagt hat. Mit einem besonnenen Lächeln meistert sie die Situation spielerisch, schaut dabei aus, wie aus dem Katalog bestellt.

Und während man noch mit offenem Mund staunt und grün anläuft vor Neid, erklärt sie einem, dass sie schon um sechs Uhr morgens barfuß durch den Morgentau gelaufen ist, um Babykarotten für den Frühstücksbiobrei zu ernten, nicht ohne davor ihren attraktiven Mann geküsst oder mehr zu haben. Natürlich hat sie nur pädagogisch wertvolles Holzspielzeug daheim und ihr Kind in nichts anderem als einem nachhaltig produzierten Fair-Trade-Tuch getragen. Dass die lieben Kleinen nur schonend gedämpfte Rosinchen snacken und schon die ersten Worte Japanisch oder so ähnlich sprechen versteht sich dabei fast von selbst...

Naja zumindest kommt es einem so vor, wenn man sie reden hört, diese Supermütter. Wenn man aber ein ganz klein wenig hinter die Fassade guckt, findet man oft schneller als einem lieb ist heraus, dass auch hier nicht immer alles eitle Wonne ist. Auch diese Mummies sind schon mal mit angespuckter Jogginghose und fettigen Haaren in einer Wohnung gesessen, die aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen, und haben das Kleine schon mal mittels SAB-Tropfen in den Schlaf gebeamt, um schnell leise in die Dusche zu hüpfen, weil einem vom eigenen Mief schon schlecht wurde, aber zwischen Windelwechseln und Dauerstillen einfach keine Zeit blieb.

Mit einem Satz: Es geht uns allen so! Und für mich ist nichts tröstlicher, als die Gewissheit, nicht allein zu sein. Wir alle haben diese Momente der Verzweiflung, aber das ist ja gerade das Schöne am Muttersein. Es geht immer irgendwie und wenn man das alles halbwegs schafft, kann einem keiner mehr was!

Schlaf, Kindlein, schlaf... (BITTE!)

Der absolut größte Irrtum, dem ich beim Thema Nachwuchs erlegen bin, ist die Mär, dass Kinder, wenn sie müde sind, einfach die Augen zumachen und schlafen. Im Hinterkopf hatte ich Bilder von Kleinkindern, die bei Düsenjet-Lärm im Buggy schliefen, während die Eltern im Urlaub um Mitternacht noch in der Taverne saßen und erinnerte mich an Babys, die auf dem Arm ihrer Mama in den unmöglichsten Positionen, in den unmöglichsten Situationen selig vor sich hinschlummerten.

Tatsächlich sah die Realität zumindest bei uns komplett anders aus. Denjenigen, der das Sprichwort „Schlafen wie ein Baby“ erfunden hat, hätte ich liebend gern mal zu einem fröhlichen 24-Stunden-Aufenthalt bei der Familie Holzer eingeladen. Kurz gesagt war das Thema Schlaf bei uns das gesamte erste Jahr lang bestimmt jener Grund, dem die häufigsten Tränenattacken, Nervenzusammenbrüche und Verzweiflungsheuler geschuldet waren. An manchen Tagen hätte ich sicher mehr Chancen gehabt, eine Scheibe Toastbrot zum Schlafen zu bringen als mein Kind – und diese absolute Machtlosigkeit ließ mich so verzweifeln wie noch selten etwas in meinem Leben.

Vorausschicken sollte ich vielleicht noch, dass das Thema Schlaf bei mir von jeher meine Achillesferse ist. Schlafen ist mein liebstes Hobby und wenn ich früher nicht meine mindestens 8 Stunden ungestörten Schlummers bekam, war ich am nächsten Tag einfach unausstehlich. Eine meiner größten Ängste während der Schwangerschaft war also, dass ausgerechnet ich einen „schlechten Schläfer“ bekommen würde. Und wie es im Leben leider so oft spielt, trat genau diese Self-fulfilling Prophecy ein.

Die ersten Tage zu Hause lief noch alles relativ rund. Sicher, Noah wachte nachts alle drei Stunden auf und verlangte nach seinem Fläschchen und ja, ich beschwerte mich auch damals schon, dass das alles für einen Vielschläfer wie mich extrem schrecklich ist, aber rückblickend war es damals noch der Babyhimmel auf Erden. Tagsüber schlief Noah oft mehr als drei Stunden, in denen ich inzwischen locker den Haushalt wuppen oder mich selbst ein bisschen aufs Ohr hauen konnte. Nachts wechselten mein Mann und ich uns mit dem Fläschchen ab und kamen so jeweils auf mehrere Stunden mehr oder weniger ungestörten Schlafes am Stück.

Nach etwa drei Wochen wendete sich das Blatt allerdings drastisch. Plötzlich wollte der kleine Mann nichts weniger als zu schlafen, egal ob in seinem Beistellbettchen, im Elternbett oder bei Mama auf dem Arm. Schon allein das Hinlegen dauerte oft länger als eine Stunde. Da half keine Gute-Nacht-Geschichte, kein Herumtragen und kein Fläschchen – Noah wollte trotz stundenlangem Wachsein abends nicht schlafen gehen. Mein Mann und ich wechselten uns jeden Tag bei dem Theater ab und mehr als ein Mal fand der glückliche Niederleg-Befreite nach etwa einer halben Stunde den völlig fertigen Niederleger neben dem Kind schnarchend im Bett liegen, während Noah noch immer hellwach vor sich hin quäkte.

Wenn der kleine Terrorist doch endlich aufgegeben hatte und eingeschlafen war, galt es wahre Kunststücke aufzuführen, um das Zimmer zu verlassen, ohne den schlafenden Prinz zu wecken. Auch hier hatte ich eigentlich mal geglaubt, dass man neben einem schlafenden Kind eine Bombe zünden könnte, ohne es aufzuwecken, aber bei Noah reichte das Knarzen der dritten Stufe, das Knacksen des Kniegelenks oder das Schlurfen der Hausschuhe – das minimalste Geräusch – und die Sirene ging schon wieder an. Wäääääh, rabääääh – und das ganze Theater von vorne… Bevor ich schwanger wurde, hatte ich jene Eltern noch belächelt, die nach 18.00 Uhr die Klospülung nicht mehr betätigten, aber nachdem ich mich selbst dabei ertappte, dass ich die Stiegen nur noch im breitbeinigen Cowboygang herunterschlich, um das Aneinanderreiben meiner Hosenbeine zu verhindern, musste ich einsehen, dass ich um keinen Deut besser war.

Eigentlich wäre es vernünftiger gewesen, ich hätte mich direkt mit Noah nach den 18.00 Uhr Nachrichten schlafen gelegt, dann wäre ich vielleicht wenigstens zu ein paar Minuten mehr Schlaf gekommen. Denn nur weil Noah endlich schlief, hieß das ja noch lange nicht, dass er das auch lange tun würde. Hatte er anfangs bis zu 3 oder 4 Stunden am Stück geschafft, verkürzten sich die Intervalle plötzlich von Nacht zu Nacht. Erst wachte er alle 2 Stunden auf, dann alle 1 ½, schließlich waren wir bei stündlichem, dann bei halbstündlichem Aufwachen.

Den schrecklichen Höhepunkt fand Noahs Schlafverweigerung in der Phase, in der er wie ein Uhrwerk alle 10-20 Minuten aufwachte, die gesamte Nacht, ohne Ausnahme. Die Minuten dazwischen warf er sich oft im Schlaf noch in seinem kleinen Bettchen herum, streckte die Beinchen in die Luft und ließ sie mit einem Karacho auf seine Matratze fallen, dass bei uns das Elternbett wackelte.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich diese Phase überlebt habe, ich kann nur sagen: Schlafentzug ist eine der schlimmsten Foltermethoden, die es geben muss. Nach nur wenigen Tagen war ich zum Heulgemüse mutiert. Nachts schien ich in den wenigen ruhigen Minuten kaum mehr in eine tiefe Schlafphase zu kommen, ich döste nur noch im Delirium vor mich hin, bis mich 10 Minuten später das nächste Krähen kerzengerade im Bett hochfahren ließ. Tagsüber war ich kalkweiß, ich konnte mich kaum von einem Stockwerk in das nächste schleppen und fing wegen jeder Kleinigkeit an zu heulen. Der schiere Kraftakt, einen heruntergefallenen Löffel wieder aufzuheben, erschien mir an vielen Tagen einfach wie eine unüberwindbare Lebensaufgabe. Unvergessen bleibt mir auch der Tag, an dem mir in der C&A Babyabteilung kurz schwarz vor Augen wurde, als ich zu einem besonders süßen Pulli im Regal hochschaute.

Das Schlimmste war, dass Noah gleichzeitig mit seinem Nachtschlaf auch seinen Tagschlaf umstellte. Die Zeiten, in denen ich mich vorher also tagsüber mal auf die Couch legen konnte, gehörten plötzlich auch der Vergangenheit an: Noah schlief ausschließlich nur noch, wenn ich seinen Kinderwagen schob oder Auto fuhr. Während ich also nichts auf der ganzen Welt lieber getan hätte, als mich einfach nur 2 Minuten lang von mir aus auf dem kalten Kellerboden zum Schafen hinzulegen, stapfte ich bei Wind und Wetter jeden Tag 2-4 Stunden mit dem Kinderwagen durch die Gegend, damit wenigstens Noah zu etwas Schlaf kam. Bekam der Zwerg nämlich nach den anstrengenden Nächten nicht wenigstens tagsüber ein wenig Schlaf, brüllte er die Wachzeiten unaufhörlich durch – und das halte mal jemand aus, wenn er seit Wochen insgesamt nur noch auf etwa 2 Stunden Schlaf pro Nacht kommt! Oft dachte ich mir, dass ich beim Spaziergehen einfach irgendwo im Wald ohnmächtig neben dem Kinderwagen zusammenbrechen würde und mich Wanderer drei Tage später komatös schlafend neben meinem brüllenden Kind im Rindenmulch finden würden, aber wieder mal war es erstaunlich, wie viel der menschliche Körper aushält...

Natürlich versuchten wir alles, um die Situation irgendwie zu ändern und Noahs Schlafverhalten zu verbessern. Während andere Eltern uns also überglücklich erzählten, dass ihre kleinen Mäuse schon seit Wochen durchschliefen, wälzten wir Internetforen, Fachbücher und Ratgeber. Wir holten uns Tipps von Eltern, Freunden und Ärzten, wir probierten alles aus, und ich meine wirklich ALLES, um den kleinen Wurm zum Schlafen zu bringen. Einschlafritual, weißes Rauschen, Gebärmutter-Sounds, nach Mama duftendes T-Shirt, Pucksack, Globuli, Bettenwechsel, Zimmerwechsel, Schnullertausch, Osteopathie, Cranio Sacral, Babymassage… ich glaube ehrlich, dass es nichts gibt, was wir nicht versucht hätten. Und doch änderte sich genau gar nichts, außer vielleicht, dass wir beide wegen des lauten weißen Rauschens auch die wenigen Minuten, in denen Noah schlief, nicht mehr schlafen konnten. Meine Verzweiflung wuchs ins Unermessliche und ich wollte nur noch eines: mich allein in einem Zimmer einsperren und fünf Tage durchschlafen.

Die härteste Phase zog sich vielleicht über 8-10 Wochen, in denen ich mindestens um 8 bis 10 Jahre alterte. Danach schlief Noah von einen Tag auf den andere plötzlich durch, als hätte er noch nie in seinem Leben etwas anderes getan. Völlig euphorisch köpften wir an diesem Tag eine Flasche Sekt und beglückwünschten uns tränenreich zu unserem neuen Lebensglück. Den Rest der Flasche tranken wir dann übrigens am nächsten Tag. Zur Frustbewältigung, weil das schöne Durchschlaf-Märchen wie so vieles andere natürlich wieder mal nur eine Phase gewesen war…

Von Baby-Besserwissern & Kinder-Klugscheißern

Schade eigentlich, dass ich offensichtlich die einzige bin, die es bisher noch nicht gefunden hat. Jenes 80-bändige Nachschlagewerk, das alle anderen im Regal stehen zu haben scheinen und in dem man die absolute Babywahrheit von A wie Anziehen bis Z wie Zahnen findet. Wie sonst könnte es sein, dass alle anderen immer ganz genau zu wissen scheinen, was meinem Kind gerade fehlt?

Beim Spazierengehen bleiben die Leute stehen und beglotzen mein weinendes Baby im Kinderwagen, weil sie mir unbedingt mitteilen müssen, dass es bestimmt Hunger hat. Ah, danke, na da hätt ich aber auch selbst drauf kommen können – deshalb schreit es also seit 3 Tagen! Auch am öffentlichen Parkplatz ist man nicht vor der allwissenden Babymacht sicher.

Während ich eigentlich nur mein Parkticket entwerten möchte, informiert mich ungefragt die Frau Kassiererin nach einem geschulten Blick auf mein quengelndes Kind: „Ah, da ist jemand müde!“ – „Ja, und zwar verdammt noch mal ICH!“, möchte ich ihr entgegenschreien, tue es aber nicht. Ich erkläre ihr auch nicht, dass das Kind mit ziemlicher Sicherheit gerade nicht müde ist, weil es eben zwei Stunden geschlafen hat. Ich nehme nur mein Wechselgeld, lächle gequält und murmle irgendetwas halb Zustimmendes.

Meistens raubt es mir einfach zu viel Energie, mit solchen Leuten eine Diskussion zu beginnen. Ein besonders penetrantes Individuum brachte mich letztens aber so dermaßen zur Weißglut, dass ich ihr mitten am Spielplatz mit hochrotem Kopf und zu Berge stehenden Haaren meine Meinung geigte.

Zugetragen hat sich diese schöne Anekdote bei einem meiner ersten Ausflüge in den Park mit zwei Kindern. Nico war gerade mal ein paar Wochen alt und verbrachte den Großteil seines Tages entweder mit Schlafen oder Schreien. Leider hatte er sich für den Spielplatzbesuch gerade Hobby Nr. 2 ausgesucht und brüllte, was seine kleine Lunge hergab. Ich tigerte also im beruhigenden Wippschritt durch die Wiese und machte dabei „Schschsch“, während ich gleichzeitig versuchte, Noah davon abzuhalten, sich vom Klettergerüst zu stürzen. Plötzlich näherte sich uns eine alte Dame mit einem Hündchen Marke Bodenwurst. Einige Meter von uns entfernt blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte mich an. Nach ein paar Minuten wurde mir das unangenehm und ich wippte ein paar Meter weiter. Unbeirrt zog die alte Dame ihr Hündchen hinter sich her und stellte sich wieder direkt neben mich. Nachdem ihre tadelnden Blicke offenbar bei mir nicht fruchteten, musste sie einen Gang höher schalten. „Stillen Sie?“, wollte sie von mir wissen.

Anstatt mich zu fragen, was diese wildfremde Frau das überhaupt anging, informierte ich sie über das ohrenbetäubende Babygebrüll hinweg, dass mein Kind die Flasche bekam. Ihr vernichtender Blick daraufhin hätte eh schon alles gesagt, sie fühlte sich aber noch bemüßigt, mir zu erklären: „Und da warten Sie immer bis zum letzten Abdruck mit dem Flascherl, oder was? Das seh ich doch von hier, dass das Kind Hunger hat!“. Genervt aber höflich erklärte ich ihr, dass das vermeintlich hungrige Kind gerade vor 15 Minuten eine extra große Portion Milch verdrückt hatte.

„Dann ist ihm kalt, kein Wunder, Sie stehen da einfach so im Schatten, das Kind erfriert ja!“. Ich wischte mir bei den 29°C Außentemperatur, die es an dem Tag hatte, den Schweiß von der Stirn und bedankte mich für ihre äußerst hilfreichen Tipps, ich käme jedoch alleine zurecht. Doch die alte Dame ließ sich dadurch keineswegs aus dem Konzept bringen. Am liebsten hätte sie Flasche, Haube und Decke selbst aus meiner Wickeltasche gekramt und mir das Baby aus der Hand gerissen, denn für sicher 10 Minuten rückte sie mir immer näher auf die Pelle und palaverte mir ununterbrochen ins Ohr: „Also, das glaub ich jetzt nicht, jetzt machen Sie doch was! Geben Sie ihm endlich die Flasche! Oder ein Hauberl auf, der friert doch! Ich hab selber zwei Enkel, ich kenn mich aus! Das arme Kind!“.

Mein Stresslevel war inzwischen auf Everest-Höhe angestiegen und mir dampfte bestimmt schon der Rauch aus den Ohren, während Nico aus Leibeskräften brüllte und Noah daneben einen Trotzanfall bekam, weil ich ihn nicht auf die Schaukel heben wollte. Und irgendwann geigte ich der alten Fuchtel dann die Meinung – mit größter Selbstdisziplin sogar immer noch halbwegs höflich, obwohl ich in Wirklichkeit am liebsten ihr kläffendes Schoßhündchen in weitem Bogen über das Fußballtor gekickt und ihr entgegen geschrien hätte, dass sie das alles verdammt nochmal einen feuchten Dreck angeht. Kopfschüttelnd trollte sich der alte Troll schließlich und murmelte im Weggehen irgendetwas über die Jugend von heute in sich hinein.

Ich habe mittlerweile aufgehört, mich zu fragen, warum solche Leute immer wieder das dringende Bedürfnis verspüren, mir ungefragt ihre Weisheiten aufzuzwängen. Was mich aber wirklich nervt, ist, dass sie von ihrer Meinung auch immer dermaßen felsenfest überzeugt sind, ohne dabei auch nur irgendetwas über uns zu wissen.

Scheinbar ist das Thema Kinderkriegen das einzige Thema, bei dem es gesellschaftlich vollkommen in Ordnung ist, andere bei jeder Gelegenheit zu belehren und ihnen die einzig wahre Wahrheit aufzunötigen. Dass das bereits in der Schwangerschaft anfängt, sollte einen eigentlich schon darauf vorbereiten. „Waaaas, du isst eine Pizza mit Salami?! Oh Gott, dein Kind wird sterben!“, „Waaaas, du machst kein Schwangerschafts-Yoga?!“, „Wie bitte, du trinkst KAFFEE??!!“ – begleitet immer von hilfreichen Experten-Kommentaren dazu, wie groß/klein/dick/tief/spitz dein Bauch denn schon in diesem Monat sei.

Hallo!? Ich mach doch auch nicht mit aufgeblasenen Backen Uff-Geräusche, wenn es meinem Kollegen nach den Weihnachtsfressattacken fast den Hosenknopf vom Bund sprengt?!

Viel schlimmer wird es aber, wenn das Kind erst mal auf der Welt ist und alle anderen alles besser wissen als du selbst. Die Nachbarin deiner Tante wird vom ersten Tag an wissen, warum dein Kind nicht durchschläft, die Putzfrau deiner Kollegin wird den Kopf schütteln, weil du noch immer nicht genau das Tragetuch gekauft hast, dass sie dir empfohlen hat und die Kindergärtnerin deiner Nichte wird nah daran sein, das Jugendamt zu rufen, weil du deinem Kind die falsche Schnullermarke gekauft hast. Das Schlimme daran ist, dass man sich besonders als Erstlings-Mama noch leicht verunsichern lässt und sich bei so saublöder Kritik auch noch verunsichern lässt – und das leider ganz besonders bei Entscheidungen, die man sich ohnehin schon nicht leicht gemacht hat.

Ich kann die Mamas im Freundeskreis nicht mehr an einer Hand abzählen, die ernstlich verletzt waren, weil ihnen andere Mütter mit der Inbrunst der Unfehlbarkeit mitteilten, dass sie ihren Kindern etwas Schreckliches antäten, weil sie bereits mit einem Jahr in die Krabbelgruppe „mussten“. Dass mindestens genauso viele Leute mir die Hölle heiß machten, weil ich mein Kind noch NICHT mit einem Jahr in die Krabbelgruppe gab, weil ich ihm so die wichtigsten sozialen Kontakte seines Lebens verwehrte, sei jetzt mal dahingestellt… Wie man’s macht, macht man es offensichtlich falsch.

Und nachdem man es ja eh nie richtig machen kann, sollte man sich einfach auf das verlassen, was einem Herz und Verstand sagen. Jede Mama, jedes Kind und jede Situation ist unterschiedlich und keiner sollte sich ungefragt eine Meinung darüber anmaßen, was für andere das Beste ist. Stattdessen sollten wir alle wieder ein bisschen mehr auf unser Mama-Bauchgefühl vertrauen und statt uns gegenseitig das Leben schwer zu machen, ein bisschen mehr als Mütter zusammenhalten. Schließlich verstehen auch nur andere Mamas, was es heißt, so ein kleines Würmchen auf die Welt zu bringen und es mit allen Jubelmomenten und Katastrophen großzuziehen. Also liebe Besserwisser-Mütter: Behaltet eure ungefragten Tipps doch bitte einfach für euch und redet sie in ein Plastiksackerl. Oder schreibt sie in ein Buch – dann kriegt ihr am Ende vielleicht doch noch das große Taschenlexikon der Babyfragen zusammen und werdet der Bestseller Nr. 1 auf Amazon.