Sonntag, 9. Juli 2017

Bussi, Baby, Bussi!

Bevor Noah zur Welt kam, hatte ich 1000 Bedenken. Ich hatte Schiss davor, dass ich das alles nicht können würde. Und mit „alles“ meine ich nicht nur Windeln wechseln, Fläschchen machen, Kinderwagen aufbauen – nein, mit alles meine ich wirklich alles. Würde ich das überhaupt können, ein Kind haben, Mutter sein?

Bei all meinen Sorgen war ich mir nur einer Sache sicher: Das einzige, was ich zu 100% können würde, war, dieses kleine Wesen lieb zu haben. Es zu drücken, zu knuddeln und mit ihm zu schmusen als gäbe es kein Morgen. Und schließlich hieß es doch, dass das das Wichtigste war, um ein fröhliches, glückliches Kind großzuziehen!

Als Noah dann da war, stellte sich nur leider ziemlich schnell heraus, dass er genau die eine Sache, die ich ihm mit voller Kompetenz hätte geben können, gar nicht haben wollte. Während andere Mütter mir erzählten, dass ihre Babys permanent getragen werden wollten, nur auf ihnen einschliefen und sich nur an Mama gekuschelt irgendwie beruhigen ließen, war Noah das genaue Gegenteil. Er wollte weder so richtig geknuddelt, noch abgeschmust oder dicht an mich gekuschelt werden. Und wenn er mal zu brüllen angefangen hatte, wollte er ganz sicher eines nicht: bei mir am Arm sein. Stattdessen beruhigte er sich am ehesten, wenn man ihn frei auf eine Decke legte und ihm seine heilige Ruhe ließ.

Auch wenn es sicher Vorteile hatte, dass ich das Haus auch mal ohne Tragetuch verlassen konnte, war die Schmuseverweigerung meines Kleinen ein riesengroßes Problem für mich. Wickeln, Fläschchen und Kinderwagen hatte ich bald raus – aber welche Mutter kommt sich nicht vollkommen überflüssig vor, wenn sie ihr weinendes Kind am besten dadurch tröstet, dass sie sich wenn möglich in Luft auflöst?!

Klar, so extrem war die Situation in Wirklichkeit nur in meinem Kopf, aber trotzdem fehlte mir ganz einfach der Körperkontakt, die Bindung, die absolute Enge zu meinem Sohn – und dabei hätten wir beide nach dem problematischen Kaiserschnitt wohl gerade das am Allernötigsten gehabt. So hatte ich in schlimmen Phasen aber oft regelrecht das Gefühl, dass Noah mich schlicht und einfach nicht besonders mochte. Kaum zog er vom Beistellbettchen in sein eigenes Zimmer um, schlief er plötzlich besser und wenn er mal einen Heulkrampf hatte, tröstete ihn auch sein Knisterbuch um einiges schneller als mein Arm.

Die meisten anderen Mamas konnten mein Problem absolut nicht verstehen – wie, ein Kind, das nicht am liebsten bei Mama am Arm ist? Gibt’s nicht! Gibt’s doch – und so richtig wurde mir das erst bewusst, als Noahs kleiner Bruder kam. Denn wo Noah die meiste Zeit seinen persönlichen Wohlfühlabstand brauchte und sich mehr amüsierte, wenn man neben ihm auf der Spieldecke lag als quasi auf ihm drauf, war Nico das genaue Gegenteil: Jede Sekunde des Tages (und der Nacht, nicht zu vergessen) hatte ich das Gefühl, dass er am liebsten wieder in mich hineinkriechen würde. Riss der Körperkontakt auch nur für eine Minute ab, begann er, bitterlich zu weinen und ich fand mich plötzlich in einer völlig neuen Situation wieder.

Anfangs genoss ich dieses für mich neue Gefühl einfach nur – ich knuddelte und schmuste, streichelte und kramte das unbenutzte Tragetuch aus Noahs Schrank hervor. Doch schnell dämmerte mir, dass dieses unbedingte Nähegefühl meines Sohnes auch ganz schön anstrengend war. Plötzlich verstand ich, worüber sich die Baby-nicht-wegleg-Mamas immer beklagt hatten: Denn auch die größte Schmusemama möchte/muss einmal ihr Kind weglegen – besonders wenn da auch noch ein älteres Geschwisterkind versorgt werden will.

Nur hatte Nico dafür leider so gar kein Verständnis. Sowohl tags als auch nachts schlief er nur auf mir und den Großteil des Tages verbrachte er im Tragetuch oder auf meinem Arm. Problematisch wurde das nicht nur, weil man ganz schwer einhändig ein Butterbrot für das ältere Kind schmieren oder mit Tragetuch duschen gehen kann, sondern auch, weil ich irgendwann einfach auch gern mal fünf Minuten haben wollte, in denen mich der kleine Wurm nicht vollkommen und komplett körperlich vereinnahmte. Natürlich wollte ich ihm all die Nähe geben, die er so dringend zu brauchen schien, aber wenn er gerade wegen Bauchweh, Müdigkeit oder allgemeiner Verstimmung stundenlang am Stück geschrien hatte, fiel es mir emotional oft schwer, ihn mir auch dann noch Stunde um Stunde so eng wie möglich umzuschnallen.

Jetzt, wo beide aus der Säuglingsphase raus sind, haben sich sowohl Noahs Kuschelverweigerung als auch Nicos Klammeräffchen-Dasein absolut relativiert. Während Nico in seinem Entdeckerdrang gerade nicht weit genug von mir wegrobben kann, um zu versuchen, ob diese tollen kleinen Kügelchen im Blumentopf nicht vielleicht doch essbar sind, fordert Noah meist schon in der Früh, dass er jetzt „kuscheln mag“. Rückblickend war also bei beiden die ganze Aufregung umsonst.

Nur weiß ich jetzt, wo ich beides erlebt habe, dass ich sicher keine Mama je mit einem verständnislosen „Gibt’s doch gar nicht!“ abtun werde. Sowohl ein Baby zu trösten, dass kein Fan von Körperkontakt ist, als auch bei einem absoluten Kuschelmonster selbst noch Luft zum Atmen zu behalten, sind beides an manchen Tagen unsagbar schwierige Aufgaben. Patentrezept habe ich leider weder für den einen, noch für den anderen Fall. Hilfreich ist in dieser Zeit aber auf jeden Fall der liebe Göttergatte. Im einen Fall bekommt er das kuschelsüchtige Kind einfach mal selbst umgeschnallt und im anderen? Muss er halt für die Schmuserei herhalten.

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