Montag, 14. Dezember 2015

Kampf der Supermütter

Eines vorneweg: Aus mir spricht der reine Neid. Tief in meinem Herzen wäre ich nämlich gern selbst eine Supermutter mit drei Blinkesternchen. Eine, die ihrem Kind vor Morgengrauen bereits einen voll biologischen Hirsebrei aus eigenem Anbau kocht, ihren Nachwuchs anstatt mit düdelndem Plastikspielzeug mit pädagogisch wertvollen Fingerspielen unterhält und immer am letzten Stand ist, wenn es darum geht, welcher Sitzkissenbezug für Reisekinderstühle gerade bei Stiftung Warentest am besten abgeschnitten hat. Leider werde ich dieses Level des Supermutterdaseins aber wohl nie erreichen.

Vielmehr bin ich bereits an meinen ersten Gehversuchen gescheitert, genauer gesagt als mein Kind noch nicht mal auf der Welt war. Als hochmotivierte Schwangere besuchte ich vor der Geburt zahlreiche Kurse, um mich darüber schlau zu machen, was da so auf mich zukommen würde. Und ganz offensichtlich war das auch bitter nötig. Denn egal in welchem Kurs, bereits nach Minuten stellte sich meist unweigerlich heraus, dass ich offenbar die einzige ohne Plan und Ahnung war.

Dass ich im Babypflegekurs für Anfänger die einzige war, die tatsächlich noch nie ein Baby gewickelt hatte, schockierte mich noch weniger. Als jedoch alle anderen um mich herum ein Fachwissen an den Tag legten, als hätten sie gerade eine 400-seitige Abhandlung zum Thema Tragetuch geschrieben, ließ mich das doch beschämt zu Boden blicken. Anhock-Spreizhaltung, Saugverwirrung und Kiss-Syndrom – Hilfe, wovon redeten die da alle?!

Nicht nur dass ich von all den furchtbar wichtigen Dingen, die man als Mutter eines Neugeborenen offenbar UNBEDINGT wissen musste, noch nie etwas gehört hatte, zeigte ich offensichtlich auch viel zu wenig Ehrgeiz, was das „Projekt Baby“ betraf. Während in fröhlicher Runde diskutiert wurde, mit welchen Stoffwindeln man sein Baby am besten wickelte oder welches Babybadewannengestell nun wirklich das allerallersicherste sei, dachte ich peinlich berührt an den Berg Pampers und das selbst gebastelte Holzbrett für die Badewanne, das schon bei mir zu Hause auf den neuen Erdling wartete.

Hätten die versammelten Damen (und ich selbst!) damals schon gewusst, dass ich noch dazu nicht mal stillen würde, hätten sie mich wahrscheinlich sofort mit einem großen „Durchgefallen!“-Stempel auf der Stirn des Raumes verwiesen. Neben all den Supermüttern kam ich mir jetzt schon wie ein Vollversager vor – wie sollte das erst werden, wenn mein Baby da war?? So versuchte ich also, mich so weit wie möglich unsichtbar zu machen und traute mich nicht mal mehr, irgendwelche Fragen zu stellen, weil sie mir neben denen der anderen schlicht und einfach dumm vorkamen. Wie konnte ich jetzt einfach nur wissen wollen, was man so einem Baby eigentlich in der Nacht anzog, während die Schwangere neben mir sich gerade über die effektivste Prävention von SIDS erkundigte?

Auch bei einem Vortrag zum Thema Beikost war ich schon zwei Minuten nach Beginn der Veranstaltung unten durch, als die Vortragende wissen wollte, wer von den anwesenden Mamas denn vorhabe, die Beikost nicht selbst zu kochen, sondern Gläschen zu geben. Obwohl ich genau das geplant hatte, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich meine halb ausgestreckte Hand blitzschnell wieder sinken ließ und so tat, als hätte ich mich nur am Kopf gekratzt, als ein Blick in die Runde mir verriet, dass keine einzige Mama außer mir aufzeigte. Als die eifrigen Köchinnen dann auch noch fragten, ob man das Getreide für den Babybrei denn auch selber mahlen könnte und was sie dabei beachten sollten, wenn sie das Gemüse im eigenen Garten anpflanzten, bekam ich Schnappatmung: Ich war umzingelt von Supermüttern!

Bereits in diesem Moment begann ich, für diese Frauen eine leidenschaftliche Art von Hass-Liebe zu entwickeln. Einerseits war ich von so viel Perfektheit einfach nur ehrfurchtsvoll fasziniert und wollte nichts lieber, als auch in den Kreis der 5-Sterne-Deluxe-Mamis aufgenommen zu werden. Andererseits hasste ich diese blöden Kühe einfach alle tief und innig. Schauten diese perfekten Frauen wirklich nachts um drei noch schnell im Garten nach den Frühkarotten?? Brachten sie mit ihren selbst gedichteten Wiegenliedern ihre Kinder tatsächlich bereits im Alter von drei Tagen zum Durchschlafen?? Und vor allem: Wie konnten sie bloß mit so einer scheinbaren Leichtigkeit frisch gestylt und mit Baby Superbrav am Arm durchs Mamadasein tanzen, während ich mit Augenringen und fettigen Haaren alle fünf Minuten versuchte, mein brüllendes Kind davon abzuhalten, sich auf die eine oder andere Art umzubringen?! Irgendetwas lief hier schief, aber ganz gewaltig!

Obwohl mich die Supermütter also wie ein strahlendes Einhorn im Mamadschungel faszinierten, lernte ich bald, mich von ihnen fern zu halten. Zu oft frustrierten mich ihre mitleidigen Blicke, wenn ich wieder mal mit brüllendem Baby/dem bei Stiftung Warentest durchgefallenen Winterfellsack/einem Gläschen Hipp ankam und auch ihre lieb gemeinten Tipps brachten mich nur regelmäßig auf die Palme: „Vielleicht solltest du einfach mal versuchen, Noah alleine einschlafen zu lassen! Also bei meiner Maus funktioniert das toll!“ „Ach, er fängt im Kinderwagen immer zu schreien an? Na vielleicht singst du ihm was vor?“…. Ganz offensichtlich lebten diese Frauen in einem vollkommen anderen Universum als ich und ich hatte keine Lust darauf, der schief beäugte Alien in ihrer Runde zu sein. Deswegen brach ich nach und nach den Kontakt zu allen Supermüttern ab und umgab mich nur noch mit meinesgleichen: mit ganz normalen Müttern, bei denen nicht immer alles babyrosa war und die vielleicht wie ich auch mal vergaßen, dem Kind ein drittes Wechsel-Outfit einzupacken.

Bis heute bin ich dem Geheimnis der Supermütter leider nicht auf die Schliche gekommen. Ich beobachte sie jedoch noch immer neidvoll aus der Ferne und versuche, von ihnen zu lernen. Wie man es schafft, immer drei verschiedene Sorten Feuchttücher parat zu haben, wenn das Kind wieder mal beschließt, im Zoo mit den Kackekötteln der Streichelziegen Plastilin zu spielen. Oder wie man seinen Nachwuchs ordnungsgemäß in den Kindersitz schnallt, ohne ihn dabei jedes Mal (nur ganz leicht!) mit dem Kopf gegen das Autodach zu ditschen.

Gerade kürzlich musste ich mir jedoch wieder eingestehen, wie wenig ich durch meine Beobachtungen bis jetzt gelernt habe: Während die anderen Mütter auf dem Spielplatz fünf verschiedene Tupperdosen mit biologischen Snacks aus der Krokoleder-Wickeltasche zauberten, mussten mein Mann und ich dem naheliegenden Würstelstand einen Besuch abstatten, weil wir vergessen hatten, etwas zu Essen mitzunehmen. Aber glauben Sie mir, die Blicke der Supermütter, als wir mitten am Spielzeugzug unsere Frankfurter mit Senf auspackten, waren es wert!

2 Kommentare:

  1. Wie immer sehr unterhaltsam geschrieben! :) Ich finde mich auch oft in Situationen wieder, in denen ich denke: Hoffentlich sieht das keine Super Mutti. Beispielsweise im Restaurant, als mein Sohn unter den Tisch krabbelte und -schwups- herunter gefallenes, nicht mehr zu identifizierendes Essen in den Mund gesteckt hat. Oje...
    Liebe Grüße, Christina

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  2. Supermuttis sind arme Seelen

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